Es musste ja so kommen. Mit seinem letzten, 2004 erschienenen Album hatte es Gentleman geschafft: ’Confidence’ stieg auf Platz Eins der deutschen Charts ein. Was nur der Anfang der Erfolgsgeschichte sein sollte. Denn nicht nur die Kritiker und Fans in Deutschland waren begeistert, ’Confidence’ schaffte es in die Reggae-Szenen der ganzen Welt, von Südamerika bis Israel. „Durch das Internet wahrscheinlich – und eine sehr gut funktionierende Reggae-Community“, spekuliert er. Man könnte auch sagen, Qualität setzt sich durch, oder in Gentlemans Worten: „Ein guter Song findet immer seinen Weg.“ Natürlich nahm Gentleman in den folgenden zweieinhalb Jahren die vielen Anfragen nach Auftritten an und so spielten er und seine Band sich in allen Erdteilen den Arsch ab.
Gentleman – eigentlich Tilmann Otto – hat es mit seiner Musik und der Liebe zum Reggae auch immer etwas ernster gemeint als alle anderen. Schon mit 17 Jahren ist er in Jamaika unterwegs gewesen. Schuld war die Plattensammlung seines Bruders, über die seine Verbindung zum Reggae keimte. Mittlerweile spricht er Patois – „jamaikanisches Kreolisch“ – hat eine jamaikanische Freundin und auf der Karibikinsel seine zweite Heimat gefunden. Neben Köln, so profan das auch klingen mag. Denn auch Deutschland bleibt sein Zuhause und hier befindet sich seine Fanbasis. Außerdem kann man sich die einheimische Szene ohne Gentleman kaum vorstellen. Es ist schwer, sich auszumalen, wo Reggae in Deutschland stehen würde, ohne ihn und seinen Einfluss.
All das ausgesprochen, erscheint es auch gar nicht mehr überraschend, dass nach dem Ende der letzten Tour die große Leere auf Gentleman wartete: „Anfangs setzte ich mich hin und es kam erst einmal gar nichts. Ich wusste nicht mal, wo ich hin will. Das war fast ein Schock, denn es war so viel zu sagen da.“ Aber keine Panik, denn „Das wird immer wieder passieren. Und wenn ich Zuhause bin, will ich dann die meiste Zeit mit den Kindern verbringen, und ich höre nicht viel Musik, merke aber immer nach ein paar Monaten, dass es mich wieder juckt.“
Irgendwann kamen das Gefühl und die Inspiration zu ihm zurück und so begann schließlich doch die Arbeit an der neuen Platte. Er trickste sich aus: Wenn ihm die Leere schon so zu schaffen machte, warum nicht genau darüber schreiben? Damit war die Blockade durchbrochen. Geschrieben und aufgenommen wurde das neue Material dann überwiegend in Jamaika, aber auch in Köln, Hannover und Berlin. „Das fällt mir in Jamaika einfacher und geht schneller, weil ich nicht abgelenkt werde und die Musik so allgegenwärtig ist, und alle, die ich dort treffe, mit der Musik zu tun haben.“
Natürlich ist Roots Reggae wieder das entscheidende Element, wie auf der unanständig eingängigen Single ’Different Places’ – die übrigens mit zusätzlichen vier Song eher eine EP-Veröffentlichung ist. Aber auf diesem neuen Album namens ’Another Intesity’ streckt Gentleman seine Fühler zum Beispiel auch in Richtung Soul (’Soulfood’) aus. Geadelt wird das Album noch durch Gastauftritte von Diana King und vor allem durch Sizzlas Auftritt, dem homophoben Arbeitstier, das mittlerweile schon zur lebenden Legende geworden ist und in manchen Jahren bis zu sieben Alben veröffentlicht. Eine Zusammenarbeit, die Gentleman schon lange im Auge gehabt hat. Auch wenn er dieses gemeinsame Arbeiten als schwierig beschrieb, war es für ihn gleichzeitig auch ein fast spirituelles Erlebnis, mit Sizzla im Studio zu stehen.
Nun, wo die neuen Songs endlich erscheinen, freut sich Gentleman darauf, sie auch auf die Bühne zu bringen. Aller Voraussicht nach werden er und seine Musiker die nächsten Jahre wieder viel unterwegs sein. „Wir werden uns jetzt auf der kommenden Tour den Arsch abspielen, worauf wir auch tierisch Bock haben – bis der Körper wieder sagt: Bleib an einem Ort, ruhe dich aus!“
Text: Christian Fischer
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