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Schlicht „Get Cape. Wear Cape. Fly“ heißt das dritte Album von Sam Duckworth. Hört man die Platte, scheint der 24-Jährige seinen alten Sound nicht festigen, sondern eher neue Zeiten anklingen zu lassen.
Am Anfang klingt noch alles wie immer. Der Song „Hands Me Down“ ist typisches Get Cape-Fingerpicking mit Duckworths ruhigem, fast flüsterndem Gesang. Er singt darüber frustriert zu sein. „Ich wusste nicht wer ich war. Dann begann ich zu begreifen was mich zu dem gemacht hat, der ich bin. Meine politische und musikalische Erziehung und welch positive Macht Musik hat. Der Song zelebriert das“, sagt Duckworth im Interview mit motor.de. Und stellt damit nur den Beginn dar, der fast irreleitet. Denn der Brite und Halb-Burmese bewegt sich mit seinem selbstbetitelten Album weg vom Image des Singer/Songwriters, der mit Gitarre und Laptop im Haus seiner Eltern Indierock-Songs schrieb. Wo sich der Sound der Schlafzimmer-Aufnahme auf dem Erstling „The Chronicles Of A Bohemian Teenager“ noch durch alle Songs zog und die Platte so eine Einheit bildete, steht hier nun jeder Track allein da.
Die erste Single „Collapsing Cities“ lässt das alte Bild schon wackeln. Die Akustikgitarre rückt nach vier Takten in den Hintergrund, Bläser und ein Jungle-Beat übernehmen die Hauptrolle. Aufgenommen hat Duckworth den Song mit dem britischen Jungle- und Drum’n’Bass-DJ Shy FX. „Ich identifiziere mich musikalisch einfach sehr mit Shy und wollte unbedingt einen Jungle-Song machen“, erklärt Duckworth die Kollaboration.
Eine Sache die sich beim neuen Album nicht geändert hat, sind die nachdenklichen, kritischen und zumeist politischen Texte. “When all the building collapsed with the night/ Everybody got out alive/ The building collapsed with the night/ Everybody is doing fine“ singt er in „Collapsing Cities“. Der Community-Gedanke kam Duckworth auf Reisen in Nigeria und dem Kongo: „Diese Leute haben eine viel positivere Einstellung als wir. Du siehst die Macht, die die Gemeinschaft hat: Menschen, die vielleicht weniger haben, leben aber ein weitaus positiveres Leben. Diesen Widerspruch wollte ich in dem Song festhalten.“
Get Cape. Wear Cape. Fly feat. Shy FX – Collapsing Cities
Als einen politischen Songwriter sieht sich Get Cape. Wear Cape. Fly aber nicht. „Ich bin eher ein Songwriter, der sich für Politik interessiert“, spielt er sein Engagement für Kampagnen wie “Love Music Hate Racism” herunter. In „The Uprising“ zeichnet er ein Bild der befreienden Möglichkeiten, die das Internet für China und den Iran hat. „One by one we’ll start this army/ March the streets they’ll scream in envy/ You can’t push us underground/ … To all the punks and the protests and those fighting for progress/ The inconvenient truth is that the power’s with us“. Der Song ruft zum Protest auf, als stände in großen Lettern „Bewegung!“ darüber. In der ersten Strophe ist Duckworth noch allein mit Gitarre und Piano, um den Refrain dann nur größer und geballter ausfallen zu lassen.
Aber eigentlich wollte Sam Duckworth gar nicht, dass das Politische im Vordergrund steht. „Ich wollte eine positive Platte machen. Diese Zeit des ökonomischen Wandels ist nicht das Ende der Welt. Die Idee, dass man die Macht wieder zurück in die Hände von Menschen legen sollte, die in der Gemeinschaft so viel erreichen können, charakterisiert das gesamte Album und vor allem die Texte.“ Diese „positivity“ ist wahrlich zu hören. Vor allem im Song „Nightlife“, der erstmal klingt wie jeder beliebige weichgespülte Dancesong der Marke „Wir sind gut drauf, lass uns tanzen gehen!“ Singt er da wirklich „1-2-3-4 if this is your song then this is your dancefloor“? Ja macht er, aber bei Get Cape. Wear Cape. Fly hat das natürlich mehr Tiefgang: „Der Song hat eher einen sozialen Kontext. Es geht mir um die Kraft, die entsteht, wenn Menschen zusammen kommen, einfach Spaß haben und tanzen.“
Sam Duckworth wird erwachsen. Sein Sound ist viel facettenreicher geworden. Zwar deutete sich das schon auf dem zweiten Album „Searching For The Hows And Whys“ an, doch liefert er uns mit „Get Cape. Wear Cape. Fly“ eine Auswahl an verschiedenen Stils, vom LoFi-Rock, Jungle-Sounds und Breakbeats bis zu Worldmusic-Einflüssen im Song „All Of This Is Yours“, den er zusammen mit dem senegalesischen Sänger Baaba Maal aufnahm. „Ich hatte ungefähr 100 Songs geschrieben, viel war aber Müll. Ich ließ mir sehr lange Zeit, hörte alte Musik und mir wurde bewusst, was mir an Musik eigentlich Spaß macht“, beschreibt Duckworth den Entstehungsprozess der neuen Lieder. Er experimentierte herum, doch letztendlich nahm er eher Dinge wieder aus den Stücken heraus, als noch mehr hinzuzufügen. „Wenn man sich zu viel Zeit lässt, besteht die Gefahr, dass es übertrieben klingt.“
„Get Cape. Wear Cape. Fly“ klingt nicht übertrieben. Doch zeigt das Album, dass Sam Duckworth auch zu anderen Dingen fähig ist, als dem ewigen Singer/Songwriter-Schlafzimmer-Sound. Immer wieder führt er den Hörer auf die falsche Fährte, beginnt mit Gitarre und Gesang und fügt dann plötzlich Beats und Drums hinzu, die den Song völlig umkrempeln. Das Vorhaben ein positives Album zu machen, ist ihm jedenfalls gelungen.
Laureen Kornemann
VÖ: 10.09.2010
Label: Cooking Vinyl
Tracklist:
01. Hands Me Down
02. Collapsing Cities feat. Shy FX
03. Nightlife
04. All Of This Is Yours feat. Baaba Maal
05. Queen For A day
06. All Falls Down
07. Where Will You Stand
08. Stitch By Stitch
09. The Uprising
10. The Plot
11. Morning Light
Tourdaten:
2.11. Köln – MCT
3.11. Berlin – Comet
4.11. Hamburg – Molotow
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