Musik braucht keine GEMA? Mag sein. Vor allem aber braucht sie keine wohlmeinenden Piraten.
So sieht das Cover-Artwork aus. Ehrlich!
“Wir bitten um Euer Verständnis, dass das nun folgende Musikangebot nicht dem Gewohnten entsprechen könnte.” So lautet die Warnung am Anfang, die etwas mehr Interpretationsspielraum zulässt, als das dem Autor der Ansage lieb sein kann. Es geht – wie so oft in letzter Zeit – um die Gema, die wegen vielerlei Dingen, vor allem aber mit ihren aktuellen Tariferhöhungen für Tanzmusik in der Kritik steht. Ganz vorn dabei: Die Piratenpartei Nordrhein-Westfalen. “Musik braucht keine Gema” heißt deren Initiative, zur samstagabendlichen Abschlusskundgebung kamen gut 200 Besucher. In Bochum, der Stadt, die gerade den Bundesparteitag der Piraten zu Gast hatte; wir erinnern uns: Mit 2.000 Teilnehmern. Aber nix für ungut, es war kalt und regnerisch und schließlich geht es ja um Inhalte, nicht um Köpfe. Die liefern die Piraten NRW auch prompt. Zum Beispiel auf einem kostenlosen Download-Sampler mit Gema-freier Musik, gedacht vor allem als Soundmaterial für Clubs und Musikkneipen. Je eine Stunde “Mainstream Rock/Pop” und “Elektro” sollen demonstrieren, “wie vielfältig und aktiv sich mittlerweile die Szene der freien Musik entfalten konnte”. Soviel zur Theorie.
Die Praxis ist – da gibt es nichts zu beschönigen – schlimm. Außergewöhnlich sind die allermeisten Tracks allein in ihrer grauenhaften Uninspiriertheit, “Gebühren für die Künstler? Mann, ich bin auch selber Künstler, ich bin Lebenskünstler”, legen Jammin*Inc gleich mal los und man wünschte sich, nicht nur die Braunschweiger “Rapper” wären mit einem Vollzeitjob weitab von Musik ausgelastet. Erleichtert ist man schon, wenn zwischendurch ein immerhin mal nur mittelmäßiger Song aufatmen lässt, bevor es gleich wieder unterirdisch wird: Mit dem Preset-Resterampen-Dubstep von Jungspund Milan Wulf etwa, dem billigen Aggro-Synthiepop der Halbgrufties Dope Stars Inc. oder dem manierierten Songkunst-Anspruch von Grant Siedle. Ein einziger Alptraum ist gar die “Elektro”-Stunde, vollgepackt mit altbacken-schlierigem Trance und Proll-Eurohouse-Anleihen – so ziemlich dem Schlimmsten also, was die ansonsten eigentlich gar nicht so unerfreulichen Neunziger im Erbe-Portfolio haben. Wir haben aber 2012.
Den Musikern selbst mag man letztendlich gar nichts vorwerfen, man muss sie nicht kennen und wird sie von DJs, die ihr Handwerk verstehen, ohnehin nie hören. Dass ausgerechnet diese Auswahl als popmusikalische Vorzeige-Künstler präsentiert wird, macht vor allem eines deutlich: die ärgerliche Hybris der Piraten, die meinen, sie könnten mal eben schnell aufzeigen, wie man das mit der Popmusik richtig macht. “Richtig” ist an diesem Sampler aber auch neben der Musik gar nichts: Nicht das im Photoshop vom Extrem-Laien übel zusammengestümperte Cover-Artwork, nicht die achtlos ausgewürfelte Trackliste mit zum Teil lächerlichen Bitraten, nicht mal die MP3-Tags, ohne die man im Abspielgerät der Wahl schlicht aufgeschmissen ist. Mehr Infos über Bands, Songwriting-Credits, Weiterverweise oder gar Linernotes? Fehlanzeige.
“Gema als Jobkiller: Eine Vielzahl von Arbeitsplätzen in der Veranstaltungsbranche werden von der kommenden Tarifreform betroffen sein”, heißt es im Flyer zur Aktion. Die Piraten selbst verzichten einfach gleich auf “Profis”. Was dabei am Ende rauskommt, zeigt diese Compilation überdeutlich. Parteien rocken halt nicht. Auch die Piraten sollten Politik machen und von angewandter Kultur lieber die Finger lassen. Gelegenheit für Peinlichkeiten bieten sich auch so genug.
Jörg Augsburg
(Titelbild: Plakatauszug der Piraten NRW)
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