Konstantin Gropper im Interview zum zweiten Album zwischen Gottes Tod und Moby Dick.
Get Well Soon, die deutsche Indie-Hoffnung rund um Mastermind Konstantin Gropper, hat ein neues Album aufgenommen. “Vexations” (Ärgernisse) heißt es und ist voll beladen mit Geigen, Bläsern und Anspielungen auf das Römische Reich oder Werner Herzog. Und vor allem geht es hier wohl um Stoizismus, also um so was wie Selbstbeherrschung – motor.de hat mal nachgefragt.
motor.de: Wie kommt man darauf, Stoizismus zum roten Faden eines Albums zu machen?
Konstantin Gropper: Ich hab ein Buch von Seneca eher zufällig bei meinem Großvater gefunden. Damals war Philosophie noch konkrete Lebenshilfe: Wie komme ich damit klar, dass ich mich über alles so sehr aufrege? Mit meiner Angst vorm Tod? Dass ich so zornig bin?
motor.de: Bist du denn jemand, der sich sehr aufregt?
Gropper: Nee, gerade nicht. Aber ich versuche das auch zu kultivieren. Die Erkenntnis, dass es wenig gibt, über das es sich lohnt aufzuregen, hat auch zu dem Album geführt.
motor.de: Aber Angst vorm Tod hast du?
Gropper: Ja, in gewisser Weise schon.
motor.de: Kann einem ein Buch diese Angst nehmen?
Gropper: Nein, aber ich habe zum Beispiel auch Bücher von Josef Winkler gelesen. Ein Autor, der ausschließlich über den Tod schreibt. Das hat mich einerseits fasziniert, aber auch mitgenommen, also habe ich mich intensiver damit auseinandersetzt…
motor.de: …und kamst zu welcher Schlussfolgerung?
Gropper: Dass man kein Verhältnis zum eigenen Tod hat.
motor.de: Das heißt?
Gropper: Man kann über den Tod schreiben oder sich damit beschäftigen, aber zur eigenen Todheit hat man kein Verhältnis. Und die Stoiker, wie auch die Existentialisten oder Freud, behaupten, dass es ganz wichtig ist, ein eigenes Verhältnis dazu aufzubauen. Die Stoiker haben auch sonst einen aktuellen Ansatz, also nicht politisch oder gesellschaftlich, sondern z.B. zur Enthaltsamkeit oder zum Freiheitsbegriff: Frei ist nur der, der jederzeit alles weggeben könnte, ähnlich wie im Buddhismus.
motor.de: Ist Stoizismus nicht auch Gegenteil von Leidenschaft?
Gropper: Ja, aber selbst die Hedonisten haben einen stoischen Ansatz. Die sagen ja nicht, man soll das Leben nicht genießen, sondern man soll an dem Ganzen nicht so hängen. Man ist nur dann frei, wenn man auch vom Spaß loslassen kann.
motor.de: Ist Vexations dadurch ein Konzeptalbum?
Gropper: Nicht unbedingt, aber es kreist um einen lockeren Themenkomplex und hat schon Zusammenhang.
motor.de: Es scheint dadurch etwas unpersönlicher als das Debüt…
Gropper: Es ist immer noch sehr persönlich, aber ich hatte eine andere Herangehensweise. Meine Art persönliche Themen zu einem Text zu machen, war zu recherchieren und andere Autoren zu zitieren. Ich habe noch nie direkt persönliche Texte gemacht – ich kann mit Privatlebenbefindlichkeitstexten nichts anfangen. Vorher habe ich versucht, blumige Umschreibungen zu finden, diesmal war es eher eine Art Collagieren aus Ausdrücken, die es schon gibt.
motor.de: Ist das noch Pop?
Gropper: Es ist kein Album, das man beim ersten Mal erfasst. Aber das finde ich auch gut, denn es zeigt, dass man noch was entdecken kann. Aber es war keine bewusst gefällte Entscheidung, dass Album weniger zugänglich zu machen. Das glaube ich zumindest nicht, aber kann ich ja auch gar nicht beurteilen.
motor.de: Dein Debütalbum „Rest Now Weary Head, You Will Get Well Soon“ wurde in Kritiken und auch beim Publikum euphorisch aufgenommen. Welche Auswirkung hatte der Erfolg?
Gropper: Auf die Arbeitsweise hatte das schon Einfluss. Beim ersten Album bin ich ja vollkommen unbedarft an alles herangegangen, inzwischen ist es zu Arbeit geworden. Man verklärt die künstlerische Tätigkeit ja gerne zu einer romantischen Arbeit, aber ich hatte einen Termin und einen Zeitraum, bis das Album fertig sein sollte. Das war nicht mehr so ins Blaue hinein gearbeitet. Beim ersten Album wusste ich ja noch nicht mal, dass es veröffentlicht werden sollte. Und jetzt gab es eine Erwartungshaltung.
motor.de: Heißt das, dass du dir diesmal beim Schreiben der Lieder schon überlegt hast, wie Leute darauf reagieren könnten?
Gropper: Ich habe darüber nachgedacht, aber ich weiß ja nicht, wie Leute darauf reagieren und was sie konkret gut finden. Letztendlich muss ich es so machen, wie es aus mir herauskommt. Denn wenn man da zu sehr drüber nachdenkt, wird man auch wahnsinnig.
motor.de: In „We Are Ghosts“ singst du, dass Gott tot ist. Bist du religiös?
Gropper: Ich bin im katholischen Oberschwaben aufgewachsen und theoretisch auch katholisch erzogen worden, ging also in den Religionsunterricht und in die Kirche, sehe das aber kritisch. Auch in dem Song. Es gibt zur Zeit wieder eine Tendenz vielleicht nicht hin zur Religion, aber zur Esoterik, was man kritisch sehen sollte.
motor.de: Du bist also der Meinung, Gott ist tot?
Gropper: Dieses Zitat ist natürlich sehr pathetisch und sehr bekannt, aber ich sage mal: Ich brauche in meinem Leben nicht die Hypothese Gott.
motor.de: Brauchst du eine andere Hypothese?
Gropper: Nein, gar keine. Ich versuche ohne Hypothese klar zu kommen. Aber so was wie eine wahrhafte Wahrhaftigkeit ist mir schon wichtig. Also dass man bestimmte offene Fragen nicht auf etwas verlagert, das sie auf irrationale Weise erklärt bzw. gar nicht erklärt.
motor.de: Aber die Frage, was nach dem Tod kommt, kannst du ja nicht beantworten…
Gropper: Aber die wollen manche Leute beantwortet wissen. Und Religion liefert eine Antwort, die ja gar nicht richtig sein kann, oder höchstens zufällig. Und worüber man nicht reden kann, darüber muss man schweigen. (lacht) Aber ich will jetzt hier auch niemanden auf dem Schlips treten, das sind nur Themen, die mich beschäftigen.
motor.de: In vielen Liedern taucht auch das Meer auf. Bist du oft am Meer?
Gropper: Ich persönlich bin eher der Bergtyp, was Urlaub und so angeht. Aber das Meer ist für mich eine große Unbekannte und hat natürlich immer was von Sehnsucht. „A Burial At Sea“ z. B. hat eher was mit Moby Dick zu tun und handelt davon, dass man in etwas seine Lebensaufgabe sucht und denkt, dass davon das Schicksal der Welt abhängt, der Welt diese Lebensaufgabe aber wahrscheinlich relativ egal ist. Auf diesem Motiv von Moby Dick basiert auch das Musikalische des Stücks. Dass der Kampf gegen das Böse mitten auf dem Meer stattfindet, dass dieses Schiff untergeht und niemand außer dieser Geschichte mehr davon hört, macht sie so gut.
motor.de: Das Album wird gleichzeitig in anderen europäischen Ländern veröffentlicht und ihr werdet auch dort touren. Läuft es gut in Europa?
Gropper: Ja. Frankreich läuft super, also genauso gut wie hier, und der Rest auch okay. Mir fällt auf, dass wenig deutsche Bands im Ausland touren. Komisch eigentlich, in Frankreich, Italien kann man doch schön touren.
Interview: Juliane Streich
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