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Categories: Nachruf

Hello Satan, I believe it’s time to go

Gil Scott-Heron hatte sich gerade machtvoll zurückgemeldet als altersweiser Soul-Poet eines sehr gegenwärtigen Post-Amerika. 

Es ist der Pakt mit dem Teufel, der den Bluesgitarristen Robert Johnson zum Begründer aller schwarzen – und damit aller – Popmusik machte. Eine auf ewig verdammte Seele für den Ruhm zu Lebenszeit, es ist bis heute der Standardvertrag für alle Popstars; nur selten lässt sich der Teufel übers Ohr hauen und muss den ewigen Ruhm mitliefern. „Me And The Devil“ ist eines der Schlüsselstücke auf dem letzten Album von Gil Scott-Heron, es ist die Adaption eines Robert Johnson-Klassikers, der beschreibt, wie der Teufel eines Tages unvermittelt auf der Schwelle steht und seinen Preis fordert: „Hello Satan, I believe it’s time to go.“

Am 27. Mai 2011 ist Gil Scott-Heron in einem New Yorker Krankenhaus verstorben, mit 62 Jahren, unerwartet, natürlich zu früh. Besonders schockierend und schmerzhaft ist das, weil man bis zu diesem Freitag glaubte, dass hier jemand einem vorbestimmten Schicksal entkommen war. Einem als abgehalfterte Legende, an die man sich vage erinnert, weil ein “the revolution will not be televised” gerade noch als Vorlage für unendlich viele Tweets taugte, die einfach das “not” wegließen, weil Al-Jazeera tagelang live dabei war auf dem Tahrir Square. Einem Schicksal als Junkie, als Krimineller, als alter schwarzer Mann in einem Post-Amerika nach Black Power Movement, nach Nine Eleven, nach der Auflösung auch der inneramerikanischen Gegensätze in diffuse und kaum noch angreifbare Mechanismen von Ausbeutung und Rassismus.

Gil Scott-Heron – „Me And The Devil“

Im Gefängnis saß Gil Scott-Heron gleich ein paar Mal in den letzten zehn Jahren, wegen Kokainbesitz – eine lächerliche Menge – oder Verstoß gegen die Bewährungsauflagen. Man entkommt dieser unerbittlichen Mühle des Justizsystems gemeinhin nicht mehr, unzählige Romane und Filme haben das beschrieben, die heute zum allgemeinen Wissensbildungskanon der Popkultur zählen. So wie Gil Scott-Heron selbst, dessen Status als „Soul Poet“ und Brücke zwischen dem klassischen amerikanischen Soul und dem in den Siebzigern aufkeimenden HipHop ihm schon frühzeitig den Platz in der Musikgeschichte sicherte. Einen Status, der ihm selbst am Wenigsten zu Gute kam, so scheint es. „Home Is Where The Hatred Is“ ist einer der eindrucksvollsten Songs vom 1971er Schlüsselalbum „Pieces Of Man“. „A junkie walking through the twilight, I’m on my way home, I left three days ago, but no one seems to know I’m gone“ heißt es darin, es ist eine große, enorm kraftvolle Ballade des Scheiterns, der Einsamkeit und des Resignierens: „Home is where I live inside my white powder dreams.“

Ein Dichter war er zuallererst, ein Poet des schwarzen und des düsteren Amerika, gefeiert für seine schneidige Präsentation. Sein Proto-Rap im hämmernden Soul-Gewand legte als Gegengewicht des hedonistischen Disco-Gestus einen der elementaren Grundsteine für HipHop, es waren Zeiten des Aufbruchs und der Emanzipation, des – auch Kultur- – Kampfes gegen das Ungleichheitssystem. Es gab eine kurze Phase, in der Gil Scott-Heron sogar so etwas wie chartstauglich war, sie war schnell vorbei, dann ging es bergab, während die HipHop-Szene ihn wiederentdeckte und in Serie samplete. 2010 erschien sein furioses Comeback-Album, eine unheilvoll dräuende, elektronisch pumpende, altersweise Vision eines kalten, anonymen Amerikas; es war das mit Abstand kompetenteste Update von Soul für die Gegenwart. Der Teufel hat wohl schon auf diesen Moment gewartet. „You may bury my body, down by the highway side, so my old evil spirit can catch a Greyhound bus and ride“, heißt es in „Me And The Devil“. Farewell, Gil Scott-Heron.

Augsburg

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