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Die schottische Urschreitherapie

Wenn Oasis-Großmaul Noel Gallagher und Britpop-Ikone Alan McGee vom “Next Big Thing” faseln, muss was dran sein. Und wirklich: Glasvegas gehören mit ihrem selbstbetitelten Debüt zum Besten, was die Insel derzeit zu bieten hat.

Schotten haben es im Fußball bekanntlich schwer. Ihre Nationalmannschaft kämpft seit gefühlten 1.000 Jahren um Trophäen und scheiterte bislang in allen Wettbewerben an der internationalen Konkurrenz. Wie gut, dass es außerhalb des grünen Rasens andere Gesetze gibt, wie Rab Allen, Gitarrist bei Glasvegas weiß.

“Als Kind wollte ich unbedingt Profikicker werden und bei den Glasgow Rangers spielen. Das ist eigentlich ein ganz verlockender Karriereweg, nur wirst du wahrscheinlich nie eine Europameisterschaft gewinnen oder Weltmeister werden. Deprimierend!”

Projektiert man diese Aussage auf das Musikbusiness, könnte man schlussfolgern, dass Glasvegas nach den unvergleichlichen Travis die stärkste Truppe sind, die Englands Nachbar seit zehn Jahren zu bieten hat. So gesehen ist das Quartett bereits Europameister, denn das zentrale Musikorgan der Insel, der NME, hypte die Band in gewohnt ausschweifender Form (zwei Titelgeschichten schon vor Veröffentlichung der Platte) und schickt sie nun als Headliner auf ihre hauseigene Festival-Tour. 

“Wir haben dem Magazin unheimlich viel zu verdanken”, meint Allen. “Vor knapp einem Jahren kannte uns niemand außerhalb des eigenen Freundeskreises.”

Was indes wichtiger war: Gestandene Kollegen wie Travis, Oasis und der niemals irrende Alan McGee machten sich parallel für Glasvegas stark und erzählten Gott und der Welt, wie toll der Sound dieser Band sei.

Gerade letztgenannter war voll des Lobes. Über die ersten, durch und durch famosen Singles schrieb McGee in seinem Blog für den britischen Guardian: “Wenn du 2008 in einer Band bist und dich nicht mit dem kreativen Rock’n’Roll-Genie von Oasis oder Glasvegas auseinandersetzt, kannst du es gleich bleiben lassen.” Womit eine Lawine losgetreten wurde, die ihr Geröll wenig später in den Fluren des NME ablud und nebenbei eine leidige Diskussion anzettelte, denn McGee sprach im Rausch der Gefühle von den inoffiziellen Nachfolgern von My Bloody Valentine. Über diesen Vergleich kann Schlagzeugerin Caroline McKay aber nur lachen:

“Vielleicht deklassiert es mich, aber bis dahin hatte ich von dieser Band nichts gehört. Kann schon sein, dass die ähnlich klingen wie wir, aber beeinflusst haben sie uns nicht. Glasvegas sind keine dieser Shoegazerbands! Wir verfolgen eine Wall Of Sound, die nicht darin endet, dass jeder wie wild auf seine Gitarre herum drescht.”

Wobei ihre erste Deutschlandtour im vergangenen November durchaus einen solchen Vergleich zuließ. Sicher, die vielen Schichten und hallenden Drums machen Produzentenlegende Phil Spector alle Ehre – aber lassen Glasvegas die Zügel erstmal locker, wirkt es, als habe ein Noise-Gewitter eingeschlagen. Ihr Debüt ist demzufolge durchzogen von negativen Gefühlsausbrüchen und melancholischen Visionen: “Baby, why you not home yet?/ Baby it’s getting late/ I wish you would be home by now”, heißt es im düsteren Opener “Flowers & Football Tops”.

Glasvegas – “Flowers & Football Tops”

“Uns war es wichtig, mit dem ersten Album ein echtes Statement abzuliefern. Immerhin ist es selbstbetitelt und wenn der Bandname herhält, muss der Inhalt stimmen. James ist einfach ein fantastischer Songwriter und ich liebe seine Lyrics”,

erklärt sein Bruder Rab und fühlt sich sehr geschmeichelt, dass vor allem weibliche Anhänger die Texte der Band zu schätzen wissen: “Frauen sind neben der Musik mein größtes Hobby”, schießt der stämmige Macho gleich hinterher.

Zugreifen sollte man trotzdem. Mit ihrem ersten Silberling ist Glasvegas die unglaubliche Kunst gelungen, dem längst nicht mehr taufrischen Indierock des United Kingdoms eine steife Brise zu verpassen. Der Britpop-Kanzler Noel Gallagher hat in diesem Fall mehr als Recht: Glasvegas sind ihrer Konkurrenz derzeit einen guten Schritt voraus.

Marcus Willfroth

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