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Categories: Konzertbericht

Glasvegas live im Lido Berlin

Beeindruckend laut, brutal kurz und erstaunlich bodenständig: Der Hype hat diesmal Recht.  

Es ist das große Risiko einer Tour, dass sich eine Band relativiert, deren Hype man kaum entgehen kann, wenn man sich auch nur einen Hauch für das Musikgeschehen in britischen Landen interessiert. Glasvegas sind so eine Band, 2008 wurden die Glasgower als das „next big thing“ ausgerufen. (Warum ihr Debütalbum hierzulande erst mit halbjähriger Verspätung erschienen ist, gibt immer noch Rätsel auf.) Schnell könnte man sich da entzaubern angesichts der hoch gespannten Erwartungen eines erstaunlich durchmischten Publikums im seit Wochen ausverkauften, angenehm puristischen kleinen Saal in Kreuzberg.


Glasvegas aber machen alles richtig. Gleich als Opener bringen sie „Geraldine“ ihren phänomenalen Durchbruch-Hit. James Allen – Sänger, Mastermind, Songschreiber – legt Sonnenbrille und schwarzes Hemd erst mit der Zugabe ab, lässt sich vom Nebel umschmeicheln und sichert sich mit seiner markanten Stimme ungeteilte Aufmerksamkeit. Er ist allgegenwärtiger Dreh- und Angelpunkt der Band, verfügt über den unangreifbaren Working-Class-Charme eines Bruce Springsteen, gibt die unverhohlene Sirene im Geiste Billy Braggs und verlässt sich völlig zu Recht auf sein energiestrotzendes Joe-Strummer-Charisma.

Überhaupt: Live gemahnen die agilen, souverän unpeinlich posenden Glasvegas sehr viel mehr an The Clash, als an die gern zitierten Jesus And Mary Chain, deren Erwähnung durchaus naheliegt angesichts des gitarrenlärmenden Album-Sounds. Der wird auf der Bühne konsequent auf die Viererbesetzung eingedampft – auf Allens Gesang, ein gerade mal solides Schlagzeug und drei Gitarren, die mit mächtig Fuzz immer noch in der Lage sind, eine beeindruckende Wall Of Sound zu generieren, deren oberes Limit leider die Lautstärkebegrenzung des Clubs regelt.

Ein schmales „Thank you very fucking much!“, ist der einzige Kommentar, den Allen in den ersten zwanzig Minuten abgibt. Das Pubikum hat er da schon lange in der Tasche. Es schwelgt im feedbackgetränkten Lärm und erhohlt sich bei den ausgedehnten, allein von Allens Stimme getragenen Balladen-Parts, nur um auf die nächste punktgenau gesetzte Eruption zu warten. Hervorragend funktionieren die epischen Highlights „Flowers & Football Tops“ und „It’s My Own Cheating Heart That Makes Me Cry“, die eben dieses Prinzip idealtypisch in sich vereinen. Ausufernd elegisch werden sie in Szene gesetzt, ohne jedoch jemals ins Peinliche abzugleiten.

Das Publikum ist hingerissen und darf im grandios stoisch dröhnenden „Daddy’s Gone“ noch einmal schwelgen, bevor Allen höflich applaudiert ob der allgemeinen Euphorie oder auch wegen der bemerkenswerten Nachahmung seines breit ausgewalzten schottischen Akzents beim kollektiv euphorischen „He’s goaan, he’s goaaane!“-Mitsingen, bevor er als letzter auch geht. Die Gitarren lärmen noch ein wenig verlassen vor sich hin – Licht an, Schluss. 55 Minuten, keine Füller, keine Längen. Beeindruckend. Demnächst in einem Stadion in eurer Nähe.

Augsburg

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