Reporting a Mirage, der Titel des neuen Gods of Blitz-Albums beschreibt treffend die rasante Geschichte dieser Band. Eine national gesehen ziemlich einzigartige Geschichte der großen Überholmanöver und soliden Erfolge. Gleichwohl eine, die auf einem gewaltigen Arbeitspensum beruht. Seit zwei Jahren ackern die Kreuzberger Jens Freudenberg (Gitarre), Olli Wong (Gitarre), Jakob Kiersch (Drums) und Sebastian Barusta Gäbel (Vocals, Bass) wie die Irren. Nehmen wir nur die ersten Monate nach Bandgründung im Herbst 2004: Von ihrem überraschenden Signing bei Four Music über das Einspielen des Debüts Stolen Horse und der ersten Tour im Vorprogramm von Maximo Park vergingen nur ein paar Monate.

Eine einzige Pause von zwei Wochen gönnten sie sich seitdem, ansonsten preschten sie durch die Phasen einer neuen Band wie die Instrumente durch ihre extrem knackigen Drei-Minuten-Kracher. Allein im vergangenen Jahr spielten sie schon auf ihrer ersten Festival-Saison erfolgreich die großen Bühnen bei Hurricane, Southside, Taubertal oder Frequency Festival.

Oder ihre Tour mit Wolfmother: Ein Package auf Augenhöhe, das mancher Rock-Journalist in seiner Endabrechnung als eines der stimmigsten des Jahres auf dem Zettel hatte. Auch international gab es erste Achtungserfolge: Im Review zu ihrem Gig in London als dort bis dato völlig unbekannte Vorgruppe von Mondo Generator titelte der Evening Standard: The Night I Loved The Support Act To Blitz!. Überhaupt begegneten sie einem ungeahnten und für uns selbst geradezu kuriosen internationalen Zuspruch: Australien, Japan, Benelux, England und Italien veröffentlichten Stolen Horse. Aus gutem Grund: Die Dynamik und Energie ihrer Live-Konzerte sprach sich eben rum.

Und so spielten sie allein im letzten Jahr rund 100 Shows, zum Teil unter widrigsten Bedingungen. Ich glaube, es gibt keine Band, die letztes Jahr so viele Kilometer selber im Sprinter abgerissen hat. Und fast immer wir selber am Steuer, lacht Jens. Aber egal: Der enorme Zuspruch des Publikums versöhnte sie mit allen Strapazen. Es war ihr Jahr des Entdeckens, des Basis Erspielens, ein Einstieg nach Maß. Jetzt gehts ums Bündeln der Erfahrungen und des Erreichten der Erfolgsweg kann fortgesetzt werden.

Denn, quasi zwischendurch, beschäftigten sie bereits die ersten Gedanken an einen Nachfolger zu Stolen Horse. Als sie im Sommer nur Festivals spielten, nutzten sie die Zeit unter der Woche dazu, neue Songs zu schreiben. Drei bis vier mal proben, am Wochenende spielen: Das normale Programm, zugleich schon ne harte Nummer, wie Sebastian bekennt. Allein der ständige Wechsel vom extrovertierten Bühnendasein, hin zum introspektiven Kellerdasein, wo du über die nächste Songstruktur brütest und in deiner eigenen Kreativität rumforschst das war ein echtes Wechselbad der Gefühle. Eine Band auf der erfolgreichen Suche nach der ureigenen Stimme, jenseits von Erwartungen, Trends oder Vorgaben.

Ihr Geheimnis, so Sebastian: Wir haben uns einfach noch mehr locker gemacht. Denn das Ziel war klar, auch wenn es jeder der vier höchst unterschiedlichen Charaktere anders beschreibt. Das Ziel ist, dass es uns selber einfach richtig hinreißen muss, bestimmt Olli. Dabei kommt man erstaunlich oft auf Umwegen wieder zurück zum Anfang. Das ist dann aber auch gut so. Für mich zählt vor allem, dass wir als Band enorm weitergekommen sind, meint hingegen Jakob. Es gelingt uns, dass immer weniger Energie sinnlos verpufft. Wir Vier trippen zusammen richtig ab, mehr will ich gar nicht. Und Jens sagt: Wir versuchen einfach, nur Sachen zu machen, die nicht nur alle akzeptieren, sondern richtig gut finden können. Mehr Geheimnis ist da nicht. Und Sebastian konstatiert: Wir müssen zu jemandem sprechen, und uns war klar: Wir müssen dabei mindestens den Horizont erreichen.

Der Weg als Ziel: Verschiedene Versionen eines Songs wurden ausprobiert, andere auch komplett verworfen, um am Ende nur noch die zu spielen, die uns auch tatsächlich liegen. Sich selber überraschen, Unerwartetes zulassen, die eigene Kreativität als kollektive Entdeckungsreise. Während du im Arbeitsprozess steckst, ist dir natürlich schleierhaft, wo das alles enden wird. Es ist fantastisch, welche Wendungen eine Nummer manchmal noch nehmen kann, beschreibt es Jens. Man weiß inzwischen genauer, ab welchem Punkt man etwas wirklich gut findet.

Dabei profitieren sie von ihrer persönlichen Reife und ihren vorangegangenen Erfahrungen. Ihre Bands der Vergangenheit waren alle guter Underground, ein Ausleben persönlicher Vorlieben, die Zeit identitätsstiftender Kreativität, die sich nun geballt und massiv auf den Punkt gebracht in den Gods of Blitz entlädt. Worum es eigentlich geht, ist, etwas zu machen, das am Ende einen Wert, eine Qualität für einen selber besitzt, etwas, das eigenständig und unverwechselbar ist, erklärt Jens den Kerngedanken von Gods of Blitz.

Ja, sie sind vier entschieden reflektierende Musiker, die genau wissen, was sie tun, und es umso mehr genießen, einmal Dinge zuzulassen, die sie selber nicht erwartet hätten. So nahmen sie, wie schon beim Debüt, während des Songwriting-Prozesses einen zusätzlichen Blickwinkel mit in den Proberaum, der Tipps gab, Ideen beisteuerte und hier und da auch Augen öffnete. Für dieses Album hieß der erwählte Moderator fließender Kreativität Ludwig Böss, ein Musiker und Arrangeur aus Schweden. Sebastian: Das ist großartig: Du hast immer einen, der von außen kommt, die Sachen noch nicht kennt und das alles nicht so eng sieht. Ein unschätzbarer Vorteil.

Mit den bis ins letzte Detail fertigen Songideen ging es sodann wieder mit Produzent Torsten Otto ins Studio, wo in nur zwei Wochen die kompletten Instrumentals der neuen Songs entstanden. Jene entsprechen ihrem schon mit dem Debüt ausgegebenen Credo, einfach verdammt gute, pointierte und in einer positiven Weise atemlose Songs rauszudreschen, bieten aber auch Neues. So sind viele ihrer Melodien allesamt kleine Meisterwerke der Eingängigkeit, die zugleich eine herrliche Egozentrik aufweisen zumeist getrieben von einem interessanten Moll-Farbton; eine für solch rasante Band eher ungewöhnliche Facette. Jens: Moll ist ja der Blues, insofern stimmt das schon. Und es ergänzt sich eben gut mit unseren Texten es sind nun mal keine ganz unernsten Themen. Aufzustehen und sein Wort zu erheben hat ganz klar etwas Nachdenkliches.

So geht es inhaltlich um eine gern auch mal wütende Sozialkritik, um das Aufzeigen von Missständen, aber auch und das ist neu hier und da um Beziehungen. In Einzelfällen kann das auch in richtig groteske Science-Fiction-Geschichten abdriften. Wir denken einfach Szenarien, die man sich vorstellen kann, einmal weiter. Und woher kommt diese für derart hingebungsvollen Rock ungewöhnliche sozialkritische Ader Wir können gar nicht anders, sagt Sebastian augenzwinkernd, wir haben nun mal diese intellektuelle Ader. Da geht es dann halt auch mal nur ums Denken, und nicht, wie häufiger beim Rock, nur um Gefühlswelten. Doch am Schönsten ist immer noch, wenn sich beides vermischt nehmen wir nur A Live Replica, die erwähnte, inhaltlich recht komplexe Science-Fiction-Geschichte: Wer wird sich beim Hören nicht schon jetzt darauf freuen, bei einem der anstehenden Konzerte diesen Chorus inbrünstig mitzubrüllen Wer wird nicht wie ein wildgewordener Speedfreak zu Just A Hero steppen, oder jedes Mal dankbar lauter machen, wenn das Radio die erste Single New Wave Wipe-Out rauf und runter spielt

A punch with a sophistication urteilte entsprechend ein australisches Musikmagazin bereits über das Debüt. Und es ist ein Statement, das sich so auch unmittelbar auf Reporting a Mirage übertragen lässt ein bemerkenswert zeitloses, knackiges, einnehmendes, unterhaltendes und für hiesige Normen fraglos einzigartig internationales Album. Der Fortsetzung des blitzgescheiten Gods of Blitz-Siegeszugs steht also nichts mehr im Wege. Theres so much more to come.

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