Aktuell kursiert mal wieder ein Lebensmittelskandal durch die Medienlandschaft, der Aufschrei fällt -wie gewohnt- mit gehöriger Entrüstung aus. Tausende Packungen Lasagne-Bolognese verschwinden derzeit aus den Tiefkühlregalen, weil sie mit nicht-deklariertem Pferdefleisch gestreckt wurden. Klassischer Etikettenschwindel, doch ebendiesen gibt es auch in der Popkultur.

Die Pferdefleisch-Lasagne der Stunde hört hier auf den Namen Frei.Wild, die Rezeptur ist im Grunde simpel. Man nehme rechtskonservative bis nationalistische Inhalte, schwenke ein wenig die Gegen-Nazis-Flagge und verkaufe diese dennoch überaus bedenklichen Aussagen dann unter dem Banner der „Normalität“ oder gar „Wahrheit“. Frei.Wild machen Alltagsrassismus salonfähig und sprechen sich gleichzeitig geschickt gegen Extreme aus. Aber mal ehrlich, zwischen links- und rechtsextremistisch gibt es eine Menge Spielraum und eben jenen Bereich kurz vor ziemlich rechts besetzen die Südtiroler gänzlich ungeniert. Hinzu kommt eine ausgebuffte Strategie, oder vielmehr Totschlags-Argumentation gegen etwaige Kritik jeglicher Art.

Allen voran unsereins, der böse Journalist, gehört in den Topf der profitgeilen Medien, die allesamt Schlagzeilen über Wahrheiten stellen, ohne Recherche abschreiben und dabei natürlich ordentlich Zaster verdienen. Gut, dass die Herren zur sauberen journalistischen Quellenarbeit unter www.die-macht-der-medien.de die Möglichkeit einer kritischen Recherche einräumen, „die echte Wahrheit ans Licht lassen“ und vor Artikeln wie diesem hier eindringlich warnen. Der Tenor der Stellungnahmen und Interview-Aussagen, die ich mir nun über Stunden zu Gemüte geführt habe, ist jedoch eindeutig. Es gehe nicht um rechte Thematiken, sondern vielmehr um Heimat, Glaube, Brauchtum. Glaubt nicht alles in der Glotze – so gibt sich Philipp Burger medienkritisch, mimt den freiheitsliebenden Künstler aus dem Untergrund, den Kämpfer der sich traut, gegen sogenannte „Moralapostel“ den Mund aufzumachen.

Hier wird mit klassischen Dispositiven der Populärkultur gespielt, dabei stehen Frei.Wild als waschechte Rebellen natürlich auf der Seite der Wahrheit, stetig im Kampf gegen die Anderen, denn die haben ihre Seelen schließlich an Kommerz oder „Political Correctness“ verkauft. Aber nun Butter bei die Fische: Als ehemaliges Mitglied der rechten Truppe Die Kaiserjäger und seinem Engagement für die ultrakonservative bis rechtspopulistische Partei Die Freiheitlichen, kommen etwaige Bedenken vielleicht doch nicht aus heiterem Himmel. Alles Vergangenheit, alles Jungendsünden, so beteuert Burger – schließlich habe jeder eine zweite Chance verdient. Wer frei von Sünde sei, werfe den ersten Stein, schon klar. Was denn die Aufregung soll, fragt man sich ferner, schließlich gehöre in Südtirol jene Art von rechtskonservativem Gedankengut, ergo „Heimatliebe“ zur Normalität.

Leider treffen diese Art pauschalisierter Pseudo-Weisheiten mitunter auf breite Zustimmung, ebenso wie die gespielte Verwunderung darüber, warum man denn nun den Neonazi-Stempel aufgedrückt bekommt. Aber Hand auf’s Herz, wenn ich mit einer solch einschlägigen Vorgeschichte Texte wie etwa aus dem Song “Südtirol” verfasse, brauche ich hinterher nicht rumjammern, dass alles aus dem Kontext gerissen worden sei und natürlich ganz anders gemeint gewesen ist

Südtirol, wir tragen deine Fahne,
denn du bist das schönste Land der Welt,
Südtirol, wir sind stolze Söhne von dir,
unser Heimatland, wir geben dich nie mehr her.
Südtirol, deinen Brüdern entrissen,
schreit es hinaus, lasst es alle wissen,
Südtirol, du bist noch nicht verlorn,
in der Hölle sollen deine Feinde schmorn.
[…]
Kurz gesagt, ich dulde keine Kritik
an diesem heiligen Land, das unsre Heimat ist,
drum holt tief Luft und schreit es hinaus,
Heimatland, wir geben dich niemals auf.”

Oder anders formuliert: Wenn ich in den Puff gehe, nur um dort an der Bar ein Bier zu trinken, brauche ich mich nicht wundern, wenn mir meine Frau zu Hause die Koffer vor die Tür stellt.

Dann wäre da noch Jennifer Rostock. Mit herrlich-kecker Schroffheit verkündet sie, wie nah Grauzone an Braunzone liege und wird für ihre Konsequenz glatt mit einem waschechten Shitstorm belohnt, dessen Kommentare wirklich überaus lesenswert sind. Die feinen Nuancen ihres Statements werden natürlich missinterpretiert, denn sie unterstellt weder Frei.Wild noch den Onkelz eine durch und durch rechte Kapelle zu sein, sondern bemerkt schlichtweg, dass rechtskonservativ nun mal der kleine Bruder von rechtsextrem ist. Schön, dass nicht nur sie, sondern auch Visions, Festivalguide, TätowierMagazin und Jägermeister ganz klar Stellung gegen völkisches Gedankengut beziehen. Eine konsequente und notwendige Entscheidung, auf die man von Seiten der With-Full-Force-Veranstaltern bedauernswerterweise vergeblich gewartet hat.

Man muss sicherlich differenzieren, denn Frei.Wild ist keine Rechts-Rock-Band vom Kaliber Skrewdriver, sondern vielmehr Vertreter einer gemäßigte Stammtischrechten, die beim Schützenfest im Bierzelt funktioniert, deren Parolen die Dorfjugend völlig ungeniert mitgrölen kann, ohne dabei Zensur fürchten zu müssen. Nicht gänzlich rechts, aber eben ein bisschen. Patriotismus und Heimatliebe heißen die Zauberworte. Man lasse sich nicht instrumentalisieren so Burger, doch dann reibt sich doch glatt jemand wie Patrick Schröder von der NPD die Hände und verkündet frohen Mutes, wie sehr man von Frei.Wild profitiere. Geht man gar zugunsten von Frei.Wild tatsächlich davon aus, dass es doch nicht so gemeint war und alles nicht so heiß gegessen wie gekocht wird, so drängt sich dennoch unweigerlich die Frage auf: Was soll dieser patriotische Schwachsinn, diese verblödende Grenzwertigkeit? Ähnliches Niveau wie die aktuelle Werbekampagne der Bundeswehr, die mit ihrem „Wir. Dienen. Deutschland.“-Slogan ein ähnlich stumpfes Klientel anspricht. Meine Güte, wir leben im 21. Jahrhundert.

Unabhängig von einem klaren Urteil über das Ausmaß der politischen Gesinnung der Band, die den Begriff der Freiheit in einem so fragwürdigen Kontext verwendet, sei auf deren PR-Kalkül hingewiesen. Man muss sich die Frage stellen, warum spielt eine Band mit etwaigen Thematiken? Selbst als reine Form der Aufmerksamkeitsökonomie könnte jene Strategie kaum unethischer sein. Frei.Wild transportiert einen überaus bedenklichen Grenzbereich in den Mainstream und lebt gleichzeitig von der Aufmerksamkeit, die sie aufgrund dieser Gratwanderung stetig generiert. Die Glaubwürdigkeit ihrer Imageaufpolierungsmaßnahmen entspricht dabei etwa der eines Ted Nugent für die nächste PETA-Kampagne.

Man wünscht sich, dass die Ablehnung der Konsumenten angesichts einer skandalträchtigen Tiefkühl-Lasagne auch im kulturellen Sektor ebenso eindeutig ausfällt. Entgegen aller Behauptungen das Frei.Wild stamme vom Rind, liegt auf der Hand, dass hier ordentlich Pferd beigemengt wurde. Gut, dass ich Vegetarier bin.

Matthias Ziegenhain