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Nach ihrem überragenden Debüt ‘Make Up The Breakdown’ ließen sich Hot Hot Heat beinahe zwei Jahre Zeit, einen Nachfolger aufzunehmen. Jahre, in denen ähnlich klingende Bands wie Franz Ferdinand gewaltig Staub aufwirbelten. So besteht im Vorfeld der Veröffentlichung von ‘Elevator’ nun die Gefahr, dass in gewisser Weise der Bock zum Gärtner gemacht wird und Hot Hot Heat als Nachzügler einer bereits wieder abflauenden Hysterie wahrgenommen werden könnten…
Der neugeschaffene Highspeed-ICE von Berlin nach Hamburg scheint tatsächlich jener Medien-Express zu sein, als der er von der Bahn vorgestellt wurde. Die Abteile rauf und runter ist es überall ein einziges Handyklingeln, Notebooksurren, Konzepte austauschen. Neben uns sitzen zwei altgediente Redakteure vom öffentlich rechtlichen Fernsehen, und wie wir ihrem nicht gerade in Zimmerlautstärke geführten Gespräch so unfreiwillig zuhören, dämmert langsam die Erkenntnis, vielleicht den falschen Job gewählt zu haben. Die beiden sind offensichtlich Veteranen ihrer Zunft, kennen sich seit Jahren, und gehen gerade ihren gemeinsamen Bekanntenkreis durch. Doch was als netter Smalltalk unter alten Kollegen begann, erinnert im weiteren Verlauf immer mehr an das Übergabegespräch beim Chefarzt-Schichtwechsel auf der örtlichen Intensivstation. “Kurt noch mal gesehen? Herzinfarkt, der zweite. Aber er erholt sich. Na, Gott sei dank! Was ist mit Jochen? Krebs. Chemotherapie. Günther? Schlaganfall.” Und so geht es immer weiter. Unser mobiles Reporterpärchen scheint bereits mit Mitte 50 zur uns bislang nicht bekannten, aber offensichtlich existenten Randgruppe der nicht lebensbedrohlich kranken Journalisten zu gehören.
Ist ja auch kein Wunder. Immer im Stress. Stets die Deadline im Nacken. Auch jetzt wieder: Kaum in Hamburg heißt es ab ins Taxi und mit brennenden Reifen zum Molotow-Club. In fünf Minuten sollen hier Hot Hot Heat auf der Bühne stehen. Ohne Verspätungen geht’s eben auch im Highspeed-ICE nicht, sonst wäre man ja nicht bei der Bahn.
Am Club angekommen geht dann erst Mal gar nichts mehr. Das Personal des für diesen Anlass deutlich unterproportionierten Molotow ist sichtlich überfordert angesichts der vielen Leute, die trotz bereits überfülltem Club noch rein wollen. Die so genannte Gästeliste hat der bullige Ordner vor einer Stunde weggeschmissen. Na Bravo!
Irgendwie kommen wir trotzdem rein, kämpfen uns vor und harren der Dinge, pardon: der Kanadier um Sänger Steve Bays, die da kommen. Selbige begeben sich denn auch dankenswerterweise direkt an die Instrumente und bereits mit dem ersten Ton ist das ganze Zugverspätungs-Karzinom-Schlaganfall-Drama wie weggeblasen. Die genialen Zeilen “You are my only girl but you’re not my owner” singen dann schon alle mit. Der Saal lässt sich anstecken von der ungebremsten Euphorie dieser großartigen Band, die uns tanzen und schlicht glücklich sein lässt.
Die besondere Fähigkeit, einen in Sekundenschnelle den Klauen des Alltags entreißen zu können, zeichnete bereits ‘Make Up The Breakdown’ aus. In knapp einer halben Stunde war damals alles gesagt, was es über die Schönheit des Lebens, das unverfälschte Hochgefühl eines reinen unschuldigen Glücksmomentes zu sagen gibt. Danach jedoch war besonders für deutsche Hitzefreudige erstmal Schonkost angesagt: Ganze zwei Konzerte spielten Hot Hot Heat hierzulande. Anschließend hörte man noch von einem Wechsel der Plattenfirma und dann ganz lange gar nichts mehr. Nun aber sind sie zurückgekehrt und man kann sagen: Das Warten hat sich gelohnt.
‘Elevator’, ist ein so gelungenes Album geworden, dass der Platz hier zu schade ist, um ihn mit zwar nahe liegenden, aber alles andere als einfallsreichen Aufzugs-Allegorien zu füllen. Die Band hat behutsam die ‘Make Up The Breakdown’ auszeichnende Energie und Eingängigkeit konserviert, aber darüber hinaus der Versuchung widerstanden, ‘Make Up The Breakdown’ Part II aufzunehmen. Kurzum: Hot Hot Heat sind den besten Weg gegangen – mit vielseitigeren Songs, etwas weniger Keyboards und einer deutlich verbesserten Produktion.
Doch so gut ihr Gespür für Timing im Bezug auf das Songwriting ist, so ungünstig war es in gewisser Weise für die eventuellen Erfolgsaussichten der Canada-Four. Während ‘Make Up The Breakdown’ im ‘Jahr eins nach den Strokes’ zwar theoretisch alle Eigenschaften mitbrachte, die Band als ‘next big thing’ zu etablieren, ließen die Strukturen der alten Plattenfirma ‘Sub Pop’ indes eine die entsprechenden Voraussetzungen schaffende Werbekampagne nicht zu – die erwähnte weitestgehende Live-Abstinenz in Europa tat ihr übriges. Und während Hot Hot Heat nun über ein Jahr am Nachfolger werkelten, tauchten stilistisch ähnliche Bands wie Franz Ferdinand oder Bloc Party auf, und machten Achtziger-New-Wave beeinflussten Indie-Pop zu einem Massenphänomen. All das ficht Steve Bays jedoch nicht an: “Eine Menge Bands, die ähnlich klingen wie wir und teilweise später kamen, sind durch die Decke gegangen. Aber wir sind nicht neidisch oder fühlen uns zu kurz gekommen. Es ist ja schließlich auch bei weitem nicht so, dass wir keinen Erfolg gehabt hätten. Vielleicht ist es sogar ganz gut, wenn man uns nicht als Teil eines eventuell nur kurzlebigen Trends sieht, wir fühlen uns da ohnehin nicht so zugehörig und ziehen es vor, langsam zu wachsen.”
Wir sitzen im Konferenzzimmer der Plattenfirma und Bays sowie Bassist Dustin Hawthorne haben hervorragende Laune. Das gestrige Konzert geriet – nach einer eineinhalbjährigen Durststrecke mit nur neun Gigs – formidabel und brachte den endgültigen Beweis, dass der neue Mann an der Gitarre Luke Paquin sich perfekt eingefügt hat. Der Wechsel wurde nötig, nachdem Paquin-Vorgänger Dante De Caro zwar gerne an neuen Songs arbeitete, aber “sich mit sämtlichen anderen Belangen, die das Spielen in einer Band mit sich bringt – wie auf Tour gehen, Interviews geben oder Fotos machen – nicht arrangieren wollte.” Bereits auf ‘Elevator’ wurden nun sämtliche Gitarrenspuren von Drummer Paul Hawley, Bays sowie Produzent Dave Sardy eingespielt.
Trotz der Besetzungsproblematik ist die Band mit ‘Elevator’ so zufrieden wie man eben sein kann: “Es gibt eine ganze Menge Gründe, warum es so schwer ist, ein gutes zweites Album zu machen”, findet Bays. “Die Leute mögen dein Debüt, weil du etwas Frisches und Neues anzubieten hast. Wenn du dann beim zweiten Mal genau dasselbe noch einmal machst, ist dieser Überraschungseffekt aber dahin. Also haben wir die Dinge genommen, die uns an ‘Make Up The Breakdown’ gefallen haben – die Hooks, die Energie – und sie mit unserer gewachsenen Erfahrung und einigen anderen Einflüssen kombiniert. Zu ‘Make Up The Breakdown’ konnte man sofort einen unmittelbaren Zugang kriegen, jetzt dauert es ein bisschen länger und der Eindruck ist dafür nachhaltiger und tiefgründiger. Das hoffen wir jedenfalls.” Hawthorne fügt hinzu, dass “der Unterschied zwischen den beiden Alben sich natürlich auch aus der Tatsache erklärt, dass wir diesmal erheblich mehr Zeit und auch technische Möglichkeiten hatten als beim ersten Mal. Damals hatten wir ein extrem kleines Budget nur sechs Tage Zeit. Jetzt hat allein die Vorproduktion und das Songwriting mehrere Monate in Anspruch genommen.”
Und nach all der miefigen Studioluft verspüren Hot Hot Heat nun das dringende Bedürfnis ihre Begeisterung für die neuen Songs mit der Welt zu teilen. Ihre Heimat Victoria im kanadischen British Columbia werden die vier also so bald nicht mehr zu Gesicht bekommen, denn endlich begibt sich die Band auf eine Tour, die diesen Namen auch verdient. “Wir sehen uns in erster Linie als Live-Band. Wir wollen die Leute unterhalten, und danach richten wir auch unser Songwriting aus. Deshalb können wir die Reaktion der Leute bei den anstehenden Konzerten kaum erwarten.” Man sollte sich also nicht wundern, wenn man in diesem Frühjahr verstärkt alltagsgeplagte Großstädter mit einem entrückten Grinsen und vom Tanzen müden Beinen aus den Indie-Clubs der Republik kommen sieht – diese waren dann wahrscheinlich auf einem Hot Hot Heat-Konzert.
Text: Torsten Groß
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