Here Is Why stehen zur Hit-Affinität und untermauern ihren Anspruch als neuer Stern am deutschen Pop-Himmel dank eines stilsicheren Debüts – im motor.de-Interview sprechen sie über dessen Entstehung, ihren künstlerischen Anspruch und den Vorzügen von Leipzig gegenüber Berlin.
(Foto: Stanley Pätzold)
Die Sektkorken knallen! Es gibt Momente, wo es durchaus angebracht ist, am hellichten Tage mit Alkohol anzustoßen – an diesem Nachmittag im Leipziger Café Cantona erheben Markus Krasselt und Michael Schiedt, ihres Zeichens fünfzig Prozent der Leipziger Synthie-Pop-Newcomer Here Is Why, die Gläser. Grund ist die Integration ihres ersten Videos “Waiting For The Sun” in die Online-Playlist von MTV. Das alte Sender-Schlachtross spielt zwar längst nicht mehr die wegweisende Rolle von früher, doch die Band entstammt natürlich einer Generation, die damit noch die Hochzeiten der Pop-Musik verbindet. Diese popaffine Sozialisation resultierte schlussendlich auch im ersten Langspieler “HRSY“, dessen hitsichere, aber dennoch vielschichtige Atmosphäre die deutschen Newcomer auf internationalem Niveau präsentiert. Die Platte atmet den Geist vergangener popmusikalischer Glanztage, will aber auch im Hier und Jetzt funktionieren. Nun steht das Quartett aus Leipzig vor seiner ersten Deutschland-Tournee und spricht mit uns bei Sekt und Tee über die Kunst der Reduktion, ihr Verhältnis zur Clubmusik und das eigene Label Riotvan.
motor.de: Euer Album steht in der Tradition des Synthie-Pops der 80er Jahre. Besitzt ihr vielleicht eine früheste Erinnerung an das Genre oder gibt es für euch prägende Bands?
Michael: Also bei mir ist das so. Ich war die Art Kind, die immer vorm Radio saß und die Hitparaden auf Kassette aufgenommen hat. Da hab ich dann ganz genau hingehört (lacht).
Markus: Da kann ich auch mitgehen, insofern dass Michael in den 80ern aufgewachsen ist und ich in den 90ern. Das war dann bei mir eher die Britpop-Schiene.
Michael: Für mich war das eher das kindlich-naive Aufwachsen mit der Musik.
motor.de: Also gab es da keine spezielle Gruppe für euch?
Michael: Ich denke, als Kind ist man eh nicht so selektiv, sondern nimmt das eher einfach so auf. Ich habe das Gefühl, vieles von dem, was ich damals hörte, erst jetzt verstanden zu haben und glaube, ich verarbeite viel von diesem Verständnis auch auf dem Album. Ich würde also nicht sagen, dass es da jetzt eine spezielle Band oder Strömung gab, welche mich beeinflusst hat.
motor.de: “HRSY” lebt auch stark von der Kunst der Reduktion. Wie wichtig war es euch, die vorherrschende atmosphärische Grundstimmung mit möglichst wenig Elementen zu erzeugen?
Michael: Ja, dieses Konzept hat sich im Laufe der Entstehung herauskristallisiert. Es sollte auf einfache Gesangslinien, Bassläufe und Melodien hinauslaufen und um klardefinierte Sounds und simpel arrangierte Songs gehen. Und ich empfinde das schon als ein wichtiges Ausdrucksmittel.
Markus: Das spiegelt sich ja auch in allem anderen, wie Layout und Video wieder. Wir tragen alle nicht so dick auf.
Michael: (lacht)
Markus: Gut, ich bin ja auch nicht so der ruhige Typ.
Michael: Das Album an sich will, dem ersten Eindruck nach, auch nicht viel bedeuten oder versucht, mit opulenten Arrangements zu glänzen, sondern es geht wirklich um den Geist, der in den Songs steckt. Ich war schon immer recht pop-affin und hab dann irgendwann auch gemerkt, dass ich da auch keinen Hehl daraus machen muss. Man möchte ja schließlich auch Leute mit seiner Musik erreichen.
Here Is Why – “Waiting For The Sun”
motor.de: Wie habt ihr denn als Band zusammengefunden?
Michael: Das Album war in dem Sinne eigentlich schon vorhanden und war durch mich entstanden. Ich war auf der Suche nach Leuten, mit denen man die Platte umsetzen kann – vor allem live. Und so haben wir uns gefunden, da wir über die Leipziger Szene auch Kontakt zueinander hatten.
Markus: Ja, und Michaels Idee hat sowohl mich als auch meine Freundin Linda, die Bass spielt, angesprochen. Und vor einem Vierteljahr haben wir dann mit Florian noch ein viertes Mitglied in die Band geholt, gerade um die Songs auch auf der Bühne besser umsetzen zu können.
Michael: Anfangs ging es wirklich nur darum, dass auf die Bühne zu bringen und jetzt ist es wirklich auch so, dass wir uns gemeinsam hinsetzen, eine kollektive Identität entwickeln und die neuen Songs gemeinsam arrangieren. Ein paar davon werden wir auch auf der Tour präsentieren.
motor.de: Mich überraschte, dass ein Sück wie “Mittens” beispielsweise Einflüsse von klassischer House Music erahnen lässt. Ist die Clubkultur für euch im Alltag und beim Entstehungsprozess der Musik wichtig?
Michael: Vielleicht nicht die Claubtauglichkeit an sich, aber der Einfluss der Club-Musik ist in jedem Fall erkennbar. Wir haben ja auch alle damit zu tun, Markus ist beispielsweise DJ.
Markus: Und Michael veröffentlicht auch auf entsprechenden Labels elektronische Musik zusammen mit Filburt. Wir sind daher auch regelmäßig in der Club-Landschaft unterwegs.
Michael: Eine gewisse Tanzbarkeit in den Songs ist ja auch vorhanden.
Markus: Wenngleich es keine einfache Funktionalität ist, wie bei den meisten Dance-Tracks.
motor.de: Mit nur acht Songs ist euer Debüt-Album ja verhältnismäßig kurz ausgefallen. War das eine bewusste Entscheidung?
Michael: Das hat vielleicht auch was mit dieser Reduktion zu tun (lacht).
Markus: Es gab aber eigentlich mehr Lieder.
Michael: Es ist dann, letztendlich, auf diese Form hinausgelaufen. Wir selber bezeichnen das Stück unter der Hand ja auch als Mini-Album.
Markus: So fühlte sich das auch einfach besser an, auch in der Reihenfolge.
Michael: Und es bleibt trotzdem unser Baby.
motor.de: Mit Riotvan habt ihr dann zeitgleich ein eigenes Label gegründet? Kam das automatisch oder ist es am Ende dann doch eher ein praktisches Mittel zum Zweck gewesen?
Markus: Es war von allem etwas. Die Idee dazu hatten wir schon länger, aber der Fakt, dass wir mit Here Is Why eine Platte machen wollten, hat den Prozess dann natürlich beschleunigt. Die Möglichkeiten hätten es sicher auch woanders gegeben, aber es war für uns dann am Ende auch wichtiger und interessanter, die Fäden selbst in der Hand zu halten. Wir wissen noch nicht, was da jetzt in Zukunft passieren wird, aber wir sind sehr daran gelegen, dass etwas passieren wird.
Here Is Why – “Heaven Does Know”
motor.de: Glaubt ihr, es ist auf Dauer der einfachere Weg für neue Bands, Booking und Label-Aktivitäten selber zu handhaben? Oder ist ein größeres Label für euch auch reizvoll?
Michael: Also, es ist in jedem Fall eine ganze Menge Arbeit. Und wenn wir nicht zusammenwären, würden wir es auch nicht schaffen.
Markus: Gerade unser Booking würde ich wirklich zu gerne abgeben. Aber was die Label-Betreuung angeht, das ist an sich schon gut, das selber in der Hand zu haben.
motor.de: Wie würdet ihr in dem Kontext auch die heimische Musikszene in Leipzig bezeichnen? Seht ihr da als Label auch eine gewisse Verpflichtung, die dortige Szene zu fördern?
Markus: Also, in Leipzig speziell geht einiges und es gibt hier auch viele versteckte Perlen, von denen noch nicht jeder etwas mitbekommen hat. Da tut sich musikalisch und bei den kulturellen Einrichtungen schon etwas, ja. Aber wir sehen uns da nicht gegenüber der Stadt verpflichtet. Wenn also eine Band aus New York kommen sollte …
Michael: (lacht) … falls sie kommt!
Markus: … dann ist das für uns in jedem Fall interessant.
Michael: Die Musikszene in Leipzig ist in jedem Fall interessant und wir haben den Plan, noch mit anderen Bands vor Ort zu arbeiten. Ich würde also nicht sagen, dass Riotvan jetzt das Aushängeschild der Szene sein muss, aber in jedem Fall ein Repräsentant von ihr sein kann. Wir haben uns auch schon lokale Künstler als Remixer für unsere erste Single ins Boot geholt [Beispielsweise in Form dieses kostenlosen Marbert Rocel-Remixes, Anm. d. Red.]
Markus: Es ist für mich auch gar nicht interessant nach Berlin zu ziehen. Es ist einfach entspannter, nicht permanent diesem Berliner Truble ausgesetzt zu sein. Ich meine, die Stadt ist echt super, ich fahr da gern mal hin.
Michael: Wir wollten ursprünglich auch so ein Lied wie Kraftklub machen (lacht).
motor.de: Jetzt steht die erste kleinere Tour zum Album an. Vielleicht als abschließenden Appetitanreger: Was erwartet die Besucher auf der anstehenden Konzertreise? Plant ihr irgendwelche Gimmicks?
Michael: Reduktion. Ein ehrliches und gutes Live-Set. Es geht um die Songs und den Geist des Albums und den wollen wir einfach präsentieren. Wir konzentrieren uns auf die Musik und wollen nicht davon ablenken.
Markus: Gerade, weil die Industrie ja immer meint, man müsse als Künstler eine spezielle Rolle erfüllen. Wr hätten uns ja ansonsten auch wie Hurts anziehen können. Es gab sogar wirklich Leute, die meinten, wir sollten das tun.
Michael: Man muss dazu auch sagen, dass das Album zwar jetzt diesen 80s-Sound hat, aber das auf längere Sicht am Ende nur eine Facette sein wird. Bei den neuen Songs auf Tour werden die Leute auch merken, dass sich das weiter entwickeln wird.
Norman Fleischer
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