Die neue Scheibe von Herrenmagazin fällt deutlich direkter aus, als seine Vorgänger, knüpft aber mit den düster-intelligenten noch immer noch an die laute Vergangenheit des Vierers an. Kurz vor Veröffentlichung sprach motor.de mit einem redseligen Deniz Jaspersen über Waschbären, Traurigkeit und Wasserrutschen.

(Foto: Nina Stiller)

motor.de: Kannst du erklären, wie es zum Titel der Platte, „Das Ergebnis wäre Stille“, gekommen ist?

Deniz: Ja, ich bin sehr froh, dass alle immer fragen, weil wir endlich mal eine Geschichte haben, die wahr und auch noch sehr gut ist und zwar ist der Titel während der Aufnahmen der Demos entstanden. Paul hat mich ein einziges Mal in die Regie geschickt um da auf Aufnahme zu drücken – was eigentlich eine einfache Aufgabe ist, weil man nur die Space-Taste betätigen muss – aber ich habe es trotzdem irgendwie falsch gemacht. Dann kam eine Fehlermeldung: „Wollen Sie das wirklich ausführen? Das Ergebnis wäre Stille.“ Und das fanden wir sofort gut und haben das dann auch gleich genommen.

motor.de: Im Vergleich zu den vorherigen Alben fällt vor allem auf, dass eure Musik klarer und reduzierter geworden ist. Wie ist es dazu gekommen? War das eine bewusste Entscheidung?

Deniz: Das war schon ein Stück weit eine bewusste Entscheidung. Eigentlich hat das ja auch schon vorher angefangen. Bei den Demos der letzten Platte „Das wird alles einmal dir gehören“ gab es schon sehr viel Gerede mit der Plattenfirma, die meinte: „So, das ist noch nicht richtig gut, das könnt ihr besser.“ Da ist man natürlich erst mal beleidigt. Aber ich habe mich auch mit anderen Leuten – also Musikern, deren Meinung ich respektiere – darüber unterhalten und habe denen Sachen vorgespielt, und dann gab es offene Gespräche wo sie gesagt haben: „Ja das ist nicht gut, das ist gut“. Ich hatte große Lust mich dann tatsächlich mit meinen Schwächen auseinanderzusetzen, daran zu arbeiten und mein Songwriting zu verbessern. Dabei kam eben heraus, dass wir uns reduziert haben, dass wir den Instrumenten gegenseitig mehr Platz gelassen haben, mehr Ruhe an den Tag legen und vor allem die Herausforderung annehmen, eine Platte zu machen die ruhig ist – aber trotzdem nicht an Intensität einbüßt. Es ist glaube ich leichter einen Rocksong zu spielen und die Leute platt zu ballern, als ein ruhiges Lied zu machen, das aber trotzdem den ganzen Raum ausfüllt und bei dem jeder zuhören möchte. Das ist gar nicht so einfach, vor allem für so eine Band wie uns, die ja aus dem Punkrock kommt und auch Mechanismen entwickelt hat, die sich als funktional erwiesen haben. Aus diesen Fußstapfen herauszutreten und sich mal ein bisschen was zu trauen, das haben wir versucht.

motor.de: Durch die Reduktion stehen die Texte mehr im Mittelpunkt. Eure Texte sind eher diffus, in dem Sinne, dass man immer etwas Neues in ihnen findet und als Hörer dazu angeregt wird, sich selbst dazu Gedanken zu machen. Wollt ihr eure Hörer intellektuell fordern?

Deniz: Ich glaube nicht, dass ich sagen würde, dass ich intellektuell herausfordere, sondern eher interpretativ. Die Texte die wir schreiben sind sehr bildhaft. Aber trotzdem gibt es immer einen konkreten roten Faden. Es wäre mir nichtig, sich im Bedeutungsallerlei zu verlieren oder im metaphorischen Nebel, mein Anspruch ist ein anderer. Aber man kann mich bei jedem Lied fragen, worum es geht. Es ist nicht so, dass ich mich hinsetze und zu Beginn geht es um Treue und später geht es dann um Waschbären. Ich bin jetzt auch nicht so ein Typ, der Unkonkretes abfeiert. Ich finde, immer wenn Leuten nichts einfällt, dann fangen sie an zu labern. Und ich mag es nicht wenn Leute labern, ich will das Leute mir auch sagen können, worum es geht.

motor.de: Nun ist es ja schon das dritte Album und immer der Inhalt immer noch düster, die Songs tragen solch deprimierende Titel wie „Landminen“, „Regen“ oder „In toten Hügeln“. Habt ihr keine Lust, auch einfach mal ein schönes, fröhliches Liebeslied oder ähnliches zu schreiben?

Deniz: Ja, vielleicht! Wenn es mir gut geht, da bin ich draußen im Garten oder im Park, treffe mich mit meinen Freunden oder bin auf Tour. Aber in den Momenten wo es einem schlecht geht, das sind die Momente wo man sich inspiriert fühlt und man das auch als Ventil nutzt. Das ist einfach unsere Art zu schreiben. Der zweite Grund ist, dass du irgendwann auch lernst, was du kannst. Ich glaube ich kann dir eher aus dem Stehgreif eine Ode an den Tod oder ans Verderben runter schreiben, als dass man mir vier positive Zeilen rausbrechen könnte. Und vielleicht ist das die nächste Aufgabe für das nächste Album, mal wegzugehen aus diesen düsteren Gefilden und sich den positiveren Themen anzunehmen.

motor.de: Eine letzte Frage: Auf dem Albumcover ist ein etwas trist aussehender Rutschenturm zu sehen. Was genau hat es damit auf sich?

Deniz: Ja, so Wasserrutschen! Die Fotos hat ein Kumpel von unserem Designer, Merten Kaatz gemacht. Der hat uns das vorgeschlagen und das hat uns sofort gefallen, weil das gut zu Herrenmagazin passt, so eine Tristesse in einem spaßigen Umfeld. Der Verfall des Vergnügens ist etwas, das uns gut trifft. Wir sind ja auch keine Typen, die den ganzen Tag rumheulen, wir sind ja eine sehr aktive Band, wir reden und lachen viel miteinander und haben Spaß. Aber gleichzeitig hat unsere Musik doch immer so eine hoffnungsvolle Traurigkeit. Ich finde das Bild passt sehr gut dazu, weil es eben so etwas Graues hat, aber trotzdem einen Vergnügungspark darstellt. Und das passt sehr gut zu Herrenmagazin.

Text + Interview: Janna Fleddermann