That’s Entertainment: Peter Maffay, Bushido, Sido und ein bunter Strauß an überaus bemerkenswerten Themen.

Pack schlägt sich, Pack verträgt sich.

Es ist – das muss man unumwunden zugeben – eine Geschichte mit höherem Unterhaltungswert als eine Seifenoper – auch, wenn die abgehandelten Topoi nahezu Lindenstraßen-tauglich anmuten: Hass, Versöhnung, Streit und Trennung in piefigem Ambiente; angereichert mit den immergültigen Sozialarbeits-Verweisen in die Welt da draußen: Jugendgewalt, Integration, Schwulen-Bashing. Wer will, kann auch Plagiate und Hitler entdecken. Wow, alles dabei. Und um Musik gehts auch noch irgendwie.

Jetzt hat er also hingeschmissen, via Bild-Zeitung, wie sich das gehört, wenn man in Deutschland auch noch vom Dämlichsten verstanden werden will. “Darum habe ich mit Bushido gebrochen” heißt das dann im Bild-Interview-Headline-Slang. Peter Maffay wird gern als “Altrocker” bezeichnet und man muss anmerken, dass dieser Status nur bei Menschen, die – sagen wir mal – Scorpions und Nena gut finden, ernsthaft positiv besetzt ist. Schon leicht jenseits dieser Linie werden eher die faulen Tomaten rausgekramt, wie vor Jahren die etwas unglückliche Idee bewies, Maffay ausgerechnet vor den Rolling Stones auftreten zu lassen. Seinen Ruhm verdankt der Schlagersänger dem Überziehen einer Lederjacke und dem Betteln um einen echten Osthit. “Über sieben Brücken musst du gehen” stammt bekanntermaßen von Karat, die – das muss Wessis natürlich erzählt werden – schon damals, Ende der Siebziger, vom Rest der Musikszene des kleinen Landes gern als staatstragende Weichspüler-Heinis taxiert wurden.

Mal ohne Lederjacke – den Rocker erkennt man jetzt an den Tattoos!

Bushido – wir erinnern uns: Bambi für gelungene Integration – gilt erstaunlicherweise bei vielen immer noch als harter Junge, obwohl er ja nun schon seit Jahren jede Gelegenheit ergreift, um sich peinlich zu machen. Auf seiner Uncoolnes-Liste ganz oben stehen immerhin ein grauenhaftes Duett mit Karel Gott (dem man ob seiner offensichtlichen Senilität nicht mal einen Vorwurf machen möchte) und ein ebenso kreuzbraver wie sturzlangweiliger Biopic-Film über sein Leben, von dem man sich schon fragt, wer sich jenseits der achten Klasse dafür überhaupt interessiert. Sympathisch ist der – nach Fachkriterien nicht wirklich gute – Rapper ohnehin nicht, gehört er doch zu jenen Popstars, die gerne Anwaltskanzleien mit Abmahnschreiben gegen Tauschbörsen-Kids aufmarschieren lassen (350 Euro ist die Abmahngebühr für einen einzelnen Titel, 700 für ein Album), wobei er pikanterweise auch noch “die Verletzung des Markennamens Bushido” monieren lässt, so als ob er sich diesen nicht selbst aus dem fernöstlichen Kulturkreis ausgeliehen hätte. Blöd natürlich, dass sogar ein Gericht ihm attestierte, es mit dem geistigen Eigentum selbst nicht besonders genau zu nehmen. In Serie hatte er sich für seine Songs ungefragt und ohne Bezahlung bei der französischen Gruftie-Band Dark Sanctuary bedient.

Fast könnte man da tatsächlich vergessen, dass Bushido sich seinen Namen in der Szene des Kiddies-Rap mit unverhohlenem Schwulenhass gemacht hat – was, wenn man anfängt darüber nachzudenken, auf eine fast schon Freud’sche Weise mit den ebenfalls reichlich vorhandenen Arschfick-Texten korrespondiert. Es ist jedenfalls nicht verfehlt festzustellen, dass es vor allem sein Erfolg auf den Schulhöfen des Landes war, der deutschen HipHop erst wirklich gossenfähig gemacht und den Boden für ganze Kohorten von noch viel ekelerregenderen – und, nebenbei bemerkt, musikalisch und sprachhandwerklich noch unterirdischeren – Rappern bereitet hat. So gesehen, muss man der Bambi-Jury fast schon dankbar für die ganz offensichtlich hirnverbrannte Idee sein, ausgerechnet dieser sich selbst als ideologiefreien Geschäftsmann des deutschen HipHop verkaufenden Dumpfbacke einen Preis zu verleihen und damit den inzwischen gern unter den Teppich gekehrten sturzreaktionären Gedankenmüll wieder in Erinnerung zu rufen.

Muss man nicht sehen – außer als abschreckendes Beispiel für Unterirdischkeit. 

Immerhin gab es Empörung, auch wenn diese sich wiederum – abgesehen vom diesbezüglich verlässlich wetternden und immerhin in der Sache nicht völlig unbeleckten Grünen-Politiker Volker Beck – eher als Mischung aus Realsatire und Heuchelei gab. Heino (Heino!) zeigte sich bestürzt. Peter Plate von der Schwulenkultband Rosenstolz erklärte seinen Protest – wohlgemerkt während seines Auftritts auf ebenjener Verleihung. Dass es allerdings auch keine besonders gute Idee ist, die subkulturelle Themenwelt von HipHop in Boulevardmagazinen zu diskutieren, zeigte sich spätestens bei Markus Lanz: Auftritt Maffay, Bushido und Sido. Der ist auch ein deutschlandweit bekannter “Rapper” und hat ironischerweise gerade seinen ersten halbwegs guten Song überhaupt abgeliefert: ausgerechnet eine Adaption des Ton Steine Scherben-Klassikers “Wir müssen hier raus!”, was altgediente Rio Reiser-Fans natürlich in Scharen auf die Palme bringt. Auch Sido ist ein weltanschaulich und satirisch eher schlichtes Gemüt, “Ihr Österreicher habt uns mal einen rübergeschickt, der uns Ordnung beigebracht hat!” entblödete er sich kürzlich nicht auf einer Gala im Nachbarland im Scherz von sich zu geben, wo er in der Jury einer Casting-Show des ORF sitzt. Autsch.

Mit diesen beiden – eben erst nach langer ausgiebig öffentlich gehegter Feindschaft auf wundersame Weise zum Duo inklusive per – *tusch* – Kultur Spiegel-Titel kommunizierter Angel-Session vereint; eine Storyline, die man sonst nur aus Wrestling-Sendungen der Achtziger kennt – tat sich Maffay also zusammen. Das Ergebnis war ein – es wundert selbstredend nicht – bestürzend einfältiger Jammerlappen-Song, den man seinen Kindern noch viel weniger vorspielen möchte als alle Alben von Bushido. Aber es geht hier ja nicht um die Kunst, sondern um Sozialarbeit und ja – das muss denn auch angemerkt werden – “Tabaluga” ist eine gute Sache, jedenfalls solange man sie sich nicht selbst anschauen oder -hören muss. Erstaunlicherweise hat allerdings Bushido nun nicht alle seine bösen Videos aus dem Internet gelöscht und auch seine alten Alben nicht aus den Läden verbannt, wo sich sicher immer noch der eine oder andere Pre-Teenager findet, der bereit ist, etwas Taschengeld auszugeben. Was für eine Enttäuschung! (Sagten wir schon „Seifenoper“?)

Augsburg