Die Frage, was wir eigentlich auf dem Highfield wollen, kam uns Tage vor dem Festival immer wieder in die Gedanken geflattert. Die Headliner überzeugen nicht, die anderen Bands wirken alle wahllos durcheinander gewürfelt. Ja, was will das Highfield denn eigentlich sein: Hiphop, Elektro-Pop, Hardcore, Britpop, Alternative?

Die Veranstalter vom Highfield konnten sich in diesem Jahr absolut nicht festlegen. Vielfalt ist die eine Sache, aber wahlloses Genre-Durcheinander die andere. Mal abgesehen davon ist uns unverständlich, wieso auf diesem Festival jedes dritte Jahr die gleichen Headliner spielen. Oder Headliner, die seit fünf Jahren keine Musik mehr veröffentlicht haben. Warum wir trotzdem hingefahren sind? Manchmal haben die Veranstalter auch einen guten Tag und schenken uns Bands wie The Maccabees, The Shins, Kraftklub, Refused und The Black Keys, um nur einige zu nennen. Und weil wir das Highfield trotz seiner Makel ins Herz geschlossen haben und eben auch hin und wieder härtere Klänge auf unsere Trommelfelle los lassen wollen.

Freitag

Mit runtergelassenem Fenster und Sonne auf den Knien machen wir uns mit gemischten Gefühlen auf den Weg zum Highfield-Festival in der Nähe von Leipzig. Das Wetter ist auf unserer Seite, auch sonst ist alles erstaunlich entspannt und gut organisiert. Während Timid Tiger das Festival eröffnen, gönnen wir uns erst mal ein kühles Bier und drücken währenddessen Felix Brummer von Kraftklub unsere Buntstifte in die Hand und lassen ihn zeichnen. Etwas matt von was auch immer sitzt der Frontmann mit Sonnenbrille vor uns, das T-Shirt auf links, trotz allem nicht um typische Sprüche verlegen. Die Maccabees verpassen wir zur Hälfte, macht ja nichts, immerhin können wir uns selbst im zweiten Teil noch locker in das vordere Feld des Publikums drängeln.


Ein bisschen Mitwippen zu den überraschenderweise meist älteren Songs der Band, dann ging es nach kurzer Pause mit Kraftklub weiter. Gespannt waren wir allemal, schließlich liegt das Highfield ja quasi in der Heimat der fünf Sachsen. Was soll man sagen: Alle wollen Kraftklub sehen. Und immerhin trugen sie ihre Shirts nun richtig herum.


Es ist allerdings schon etwas undankbar, dass The Shins direkt nach Kraftklub spielen. Der Andrang hält sich in Grenzen, die Konzerte überschneiden sich. Wirklich Bock auf ruhige Klänge hat der größte Teil der Festivalbesucher  gerade nicht so. “Scheiß in die Disko” schwirrt uns noch so lange im Kopf, bis James Mercer Songs von “Wincing The Night Away” auspackt. Zuletzt spielten The Shins vor fünf Jahren auf dem Highfield, ebenfalls am Freitag. Die Bandmitglieder wurden ausgetauscht, der Sound und die Songs sind immer noch genauso großartig wie zuvor. Macht also alles nichts. Wir tänzeln mit James Mercer und feiern den schönen Weltschmerz.

K.I.Z. zu mögen, ist ja so eine Sache. Nun, Humor muss man schon haben, ein bisschen Grips gehört auch dazu. Wir gönnen jedem seinen Geschmackskonservatismus. Aber mit K.I.Z. ist das eben wie mit Frittenbude: “Hallo Hallo Deutschland, du fühlst dich immer noch so deutsch an!” und das Publikum huldigt währenddessen die deutsche Nationalmannschaft. Passt super, finden wir. Häää wie, das hast du nicht verstanden?

Die niedlichen Wombats in ihren Röhrenjeans und zu großen weißen T-Shirts läuten am Indie-Britpop-Gitarren-Irgendwas-Freitag die Nacht ein und bringen uns schon mal in Tanzstimmung für Bonaparte. Bonaparte wiederum bringen uns direkt in Stimmung, zum Bierstand zu wechseln. Nee, wart mal, waren da grad Brüste auf der Bühne? Penis? Gute Show und jede Menge Kostüme und Zirkus um das Energiebündel Tobias Jundt. Ob man die Musik mögen muss, wissen wir nicht, aber so eine Diskokugel auf dem Kopf und einen Mann mit 25 Unterhosen (und später keiner) finden wir doch ziemlich großartig. Und immerhin haben Bonaparte erst am Freitag ein neues Album veröffentlicht, was man von den Sportfreunden Stiller als Headliner nicht behaupten kann.


Samstag

Wir starten mit Veto in den Highfield-Samstag. Wieder eine Band, die nicht zu dem eigentlich Hardcore-lastigen Line-up des Tages passt. Veto packen ihre Synthies auf die Bühne und stampfen einen Beat aus dem Boden, dass einem die Lust auf Geschrei und Geschrammel vergeht. Uns hat’s sehr gut gefallen, warum die Band so früh und vor allem am gleichen Tag wie Bands wie Touché Amoré, Social Distortion und den H-Blockx spielen sollte, wissen wir nicht. Und wer braucht eigentlich noch die H-Blockx?

Vom Meckern können wir heute gar nicht genug bekommen: Me First & The Gimme Gimmes haben an diesem Abend auch die Bühne betreten. Hey, nichts gegen Coverbands, die ihr Können auf Instrumenten durch drei Akkorde und einen schnöden Punkrock-Sound definieren. Ist schön sowas, auf dem Abiball oder beim Fasching. Oder beim Dorffest. Als dann auch noch “Country Roads” verpunkrockt wird, trinken wir schlussendlich so viel Bier, wie man auch im heimischen Dorfbierzelt nötig hätte.

Wenigstens sind wir jetzt gut drauf und bereit für Frittenbude. Tanzen, tanzen, tanzen, bis der einheitliche Beat und die Delfine, die den Pandas die Hand reichen, langweilig werden. Wir wechseln die Bühne zu den Beatsteaks. Und obwohl man an dieser Band absolut nicht vorbei kommt und wahrscheinlich mehr als jeder Zweite die Berliner schon auf seiner Konzert-Liste abhaken kann, war es ein solides Konzert. Macht echt Spaß, wenn man Bock drauf hat. Da können wir es gerade so verzeihen, dass die Beatsteaks schon wieder auf dem Highfield headlinen.

Sonntag

Wenn man am Morgen schon um halb sieben im Zelt erwacht, ist das niemals gut. Es sind geschätzte 380 Grad im Zelt. Draußen ist es nicht besser, der Schlund lächzt nach Wasser und der Körper nach Schatten. Wir schmelzen. Nicht nur die Haut brennt, auch das Gehirn arbeitet nur noch im lahmsten Tempo. Bis zur Mittagszeit vergingen die Minuten endlos langsam, und so freuen wir uns auf die Show von Polar Bear Club, um im letzten Fleck Schatten des Festivalgeländes weiter zu atmen. Wobei das mit dem Atmen mit staubbedeckten Bronchien eher schwierig war. Den Sänger von Polar Bear Club beeindruckt das alles wenig, wie ein wilder Flummi jagt der schmächtige Jimmy Stadt über die Bühne und zeigt der kleinen Menge an in den Schatten gedrägten Zuschauern, dass er derbe Bock hat auszurasten.

Wach gerüttelt von Polar Bear Club machen wir uns triefend auf dem Weg zum Lotsenzelt, wo die Subways exklusiv ein paar Songs akustisch zum Besten geben und dabei das Projekt 24/5 unterstützten, für welches sie hinterher in brütender Hitze dem Müll auf dem Zeltplatz den Kampf angesagt haben.



Genauso sympathisch und konstant gut sind die Subways auch während ihres Auftritts auf der großen Bühne. Standard-Repertoire eben, die gefühlt hundertste Show der Subways auf dem Highfield. Wie immer gut, aber einfach schon ein paar Mal zu oft gesehen und jetzt auch nicht der größte Anreiz, sich den diesjährigen Sonnenstich abzuholen.


Wirklich gelangweilt waren wir aber eigentlich von den Kilians, deren Frontmann sich die ganze Zeit selbst feiert und im Endeffekt eine eher mittelmäßig bis überhaupt nicht interessante Show abliefert. Mit dem Abgang der Nachmittagsbands schwindet bei uns auch die restliche Motivation und so hilft es nur, sich den gesamten restlichen Tag ununterbrochen unter die Gartenschlauchduschen zu stellen und zu hoffen, dass sich die Sonne jetzt wirklich mal bald dem Horizont nähert.

Kurz nochmal unter die Dusche gesprungen und die Kamera gezückt, dann ging’s auf zu Casper. Trotz allem Für und Wider gegenüber seiner Musik waren wir ziemlich gespannt auf den jungen Herren, der Unmengen an Bashing und einen riesigen Hype weg stecken musste. Der erste oberflächliche Gedanke um sein schreckliches Batik-Shirt verflüchtigt sich aber schon bei den ersten Tönen. Es ist so leicht, wie es klingt: Wir müssen Casper einfach lieben.

Die Mischung aus Hiphop und Hardcore bricht der anfänglichen Distanz das Genick, der tätowierte Bärtige zieht uns direkt während des ersten Songs die verstaubten Schuhe aus. Gegenargumente gibt es nicht: “Guten Morgen, Hitzeschlag”, auch der Mann im Batik-Shirt leidet und lässt sich davon überhaupt nicht beeindrucken. Hitzefrei? Is’ nich. Und wenn man das bisschen Rap nicht mag, dann ist es auch egal, wahlweise können wir nämlich statt zum Beat zu wippen auch den Mittelfinger zeigen oder im Pogo den Dreck aufwirbeln. Als am Ende noch Felix Brummer von Kraftklub die Bühne stürmt, ist auch der letzte Gegner überzeugt: Wir lassen das Shirt durchgehen. Auf jeden Fall ein Highlight des Festivals.



Je nach Geschmack konnte das Casper-Konzert nur noch von den Black Keys getoppt werden. Gitarre und Drums in Reinform – zwei Musiker, die ihre Instrumente unglaublich gut beherrschen und deren Show bis auf kleine Schwierigkeiten mit den Boxen überhaupt nicht zu kritisieren ist. Zwar sind sie wortkarg, aber dafür haben sie perfektes Timing, geben die perfekte Show, ein perfektes Alles.





Alles andere als wortkarg gibt sich Brian Fallon von The Gaslight Anthem. Schön war’s, dass er über die Songs erzählt hat, interessiert hat es allerdings keinen und das Publikum forderte Songs statt Laberei. Lag wohl an mangelnden Englischkenntnissen. Placebo lassen wir uns im Tausch gegen alle Gaslight-Klassiker nur zu gern entgehen. Ob die Band um Brian Molko überhaupt spielen würde, war ohnehin unklar. Gerüchte kursierten, dass der Sänger krank sei und nach dem abgebrochenen Konzert auf dem Frequency womöglich gar nicht erscheinen würde. Die Ängste waren allerdings unbegründet, die Band steht trotzdem auf der Bühne. Schön für Fans und Anhänger düsterer Klänge, für uns sind Placebo eher der Rausschmeißer. Aber irgendwann muss das Festivalgelände eben auch geräumt werden, nützt ja alles nichts.

Bericht und Fotos: Elisabeth Eberhardt