Hip Hop Open 2013 – Oder: Wie ein Jugendtraum Wirklichkeit wurde, um sich dann als erlebte Enttäuschung zu entpuppen.
Beginnen wir nach einem pathetischen Vorwort mit nackten Tatsachen. Nackt, so hätten es sich bestimmt einige gewünscht aufzutreten, an diesem heißen Stuttgarter Vormittag. Die Sonne schien zu Beginn des Wochenendes bereits um 10.30 Uhr so erbarmungslos, dass sich ein komplettes Entblättern sicher gelohnt hätte. Pünktlich zur Mittagszeit also, ging es mit der S-Bahn durch die Schwabenmetropole. Bereits an der Zielhaltestelle ließ sich die Stimmung des Open Airs einfangen: Kids wurden von der Polizei in aller Öffentlickeit gefilzt – einige haben sich den Auftakt des Tages sicher anders vorgestellt (dazu später noch mehr).
Am Eingang denn angekommen, flugs den Fotopass mit VIP-Zugang abgeholt und rein in das Getümmel. Erste Verwirrungen ergaben sich bereits, nachdem mir beim Betreten des Geländes der Eintritt zum VIP-Bereich verwehrt wurde: »Kein Eintritt für Fotografen, Ausnahmen gibt es keine!« Wie bitte? Wozu habe ich einen Fotopass? Das sorgte für erstes Achselzucken, die Laune blieb dennoch konstant; Der Wu-Tang Clan sollte ja noch kommen und schließlich durch ihren Auftritt für ausreichende Kompensation sorgen. Keine tollen Nahaufnahmen von Musikern, sondern nur unscharfe Bilder von der Bühne und den Besuchern. Was soll´s. Watsky schoss während dessen, bereits mit verbalen Maschinengewehrsalven um sich. Der »Pophopper« legt ein souveränes, wenn auch nicht sonderlich denkwürdiges Set hin. Zu seiner Verteidigung muss gesagt werden, dass ich nur die letzten Songs mitbekommen habe. Die Performance zuvor war sicher der Killer (zwinker, zwinker). Während das YouTube-Wunder wieder seine Sachen packte, spielten bereits die nächsten Künstler auf der kleinen Bühne. Hierbei ein Lob an die Veranstalter für den Spielplan, es blieb stets ausreichend Zeit, sich jeden Künstler -ob kleine Bühne oder Center-Stage- zumindest für ca. 20-30 Minuten anzusehen.
Die Folgen des schönen, heißen Wetters waren zu diesem Zeitpunkt noch milde wahrzunehmen: Menschen tummelten sich unter den wenigen Schattenplätzen, die durch ein paar Bäume gegeben waren. Erfreulich war auch, dass Mixery doch tatsächlich das Wasser á 0,4L für 2€ anbot. Leider währte die Freude nicht lange, denn das kühle Nass war bereits um 15 Uhr komplett ausverkauft. An dieser Stelle möchte ich dem Hauptsponsor einfach vorwerfen, beabsichtigt weniger Wasser als vielmehr eklige Biermischgetränke vorrätig gehabt zu haben. Das trug schließlich dazu bei, dass sich wohl einige aus Verzweiflung, doch Alkoholika einflößten. Bei einer solchen Hitze ist das natürlich nicht ganz ungefährlich und so wunderte es nicht, dass Leute reihenweise umfiehlen und das Rote Kreuz im Dauereinsatz war. Entsprechend waren auch die einzigen Wasserstellen auf dem Gelände dauerbelegt. Ohne diese hätte die Veranstaltung wahrscheinlich in einem Massen-Kollaps geendet. Nachdem es sich hier um ein Hip-Hop-Festival handelte gab es natürlich ausreichend Konsumenten eines wohlbekannten Wunderkrauts, welches in schattigen Plätzchen geraucht wurde. Sehr verwunderlich hingegen war folgendes Szenario: Polizisten hatten in kleiner Anzahl, Zugang zum Gelände, jedoch verhielten sie sich friedlich und freundlich, sahen, hörten und rochen nichts. Ob bewusst oder unbewusst, sei dahingestellt. Umso seltsamer erschien es aufgrund dessen, dass Ordner unauffällig patroulierten, um nach Grasrauchern Ausschau zu halten. Sobald einer entdeckt wurde, beschlagnahmten die unangenehmen Herren die Ausweise der vorgeführten Personen und steckten die Kräuterstengel in Plastiktüten. Die Betroffenen wurden aufgefordert, den Ordnern zu folgen. Das sorgte bei einigen Besuchern für Kopfschütteln. Statt ein paar Kiffern auf den Zahn zu fühlen, hätte sich das Veranstaltungsteam unterdessen, getrost um mehr Wasserquellen sorgen können. Eindeutig seltsam!
Leider kann ich zum Ordnungpersonal nicht viel gutes sagen: Sonnenbrandopfer wurden von Schattenplätzen verscheucht, weil man zwingend sieben Meter Abstand für die Feuerwehr einhalten müsse (WTF?). Von den Absperrgittern, die teils auch Schatten spendeten, wurde man ebenfalls sehr euphorisch verjagt. In Anbetracht der Wetter- und Wasserversorgungssituation, hätte getrost geistesgegenwärtiger reagiert werden können. Nennen wir es insgesamt menschliches Versagen und hoffen, dass die Veranstalter daraus eine Lehre gezogen haben.
Highlights des Open Airs waren unumstritten nationale Künstler wie Blumentopf, Megaloh, Marteria und die Beginner, welche allesamt ein so unglaubliches Program hinlegten, dass selbst die letzte dehydrierte Alkopop-Leiche noch einmal zum Leben erwacht sein dürfte, um das Tanzbein zu schwingen. Bei Megaloh wurde selbst ein Sepalot im Publikum gesichtet. Die Menge gröhlte trotz Staubwolke, jedes Lied aus einer Kehle mit. Marteria war mein persönliches Highlight, zumal ich kein großer Fan bin – er hat es geschafft mich positiv zu überraschen. Für Fans ließ er jedenfalls keine Wünsche offen, alle Hits wurden gespielt. Zwischendurch verdingte sich der Rostocker als Marsimoto, was noch einmal ordentlich für grüne Stimmung und Wolkenbäder sorgte. Letztere färbten sich nicht lila, sondern -richtig- grün. Vor mir kollabierte ein Typ, wahrscheinlich ebenfalls eine Folge der Getränkeauswahl. Dann kamen, außer Plan, Genetikk mit ins Boot, die nur spielten, weil der Clan sich verspätete und Ferris MC bei einem Beginnerlied einen Gastauftritt hatte. Ferris´Konzert hätte sich sonst mit dem von Eisfeldt und Denyo überschnitten. Zum Auftritt der genetischen Lückenfüller kann nichts Weltbewegendes gesagt werden, außer dass sie ihrer Aufgabe als solcher gerecht wurden. Zeit verging, berauschend geht anders. Nach langem warten, kam der eigentliche Headliner des Spektakels auf die Bühne. Das Bewusstsein, wer hier am sehnsüchtigsten erwartet wurde, manifestierte sich im frenetischen Gejaule und Gesinge der Menge. Die Stimmung war bei untergehender Sonne und sinkenden Temperaturen sehr ausgelassen und alle schienen selig darüber, die alten Deutsch-Hip-Hop-Größen, die »Beginner« auf der Bühne zu haben. Insgesamt ein sehr gelungener Auftritt mit Gastvocals von Ferris MC und einem bombastischen 20-sekündigen Reimfeuerwerk seitens Marteria. Da blieb selbst den Beginnern die Spucke weg. Einzig seltsame Aktion war ein Song, dessen Inhalt einem im Hip-Hop sehr beliebten Schuhs geschuldet war. Wen interessiert, um welchen Schuh es sich hierbei handelt, dem sei diesbezüglich das genaue Anschauen alter und neuer Beginner-Videos ans Herz gelegt. Ich möchte hier nicht auch noch Schleichwerbung dafür machen.
Kommen wir zum unangenehmsten Teil des schweisstreibenden Tages – nämlich zum Wu Tang Clan. Kackfotos: Okay, kann passieren. Arschloch-Ordner: Sind austauschbar. Scheiß-Sponsor: Eine Rüge und dann bitte trotzdem Geld ins Festival reinpumpen für 2014. Was sich jedoch hier abspielte, war weitaus schlimmer, als ich es jetzt darstellen kann. Nach geschlagenen 2,5 Stunden Verspätung kommt ein Trupp Menschen auf die Bühne, der sich scheinbar seit dem Erstlingswerk »36 Chambers« nicht mehr zusammen im Proberaum befand. Während ein Part gerappt wurde, ging der Chor teils versetzt mit. Eine Entschuldigung für die Verspätung gab es ebenfalls nicht. Die Mikros waren teilweise wohl gar nicht an, oder so leise, dass man sich als passionierter Fan gut und gerne Daheim in den (kühlen) eigenen vier Wänden, die Platte mit den Instrumentals hätte reinziehen können. Es waren ca. 10 Leute auf der Bühne, nur 3-4 MCs wurden jedoch audiovisuell wahrgenommen. Statt ganze Lieder zu spielen, die ja – immerhin – anfangs durch die Bank aus dem ersten Album waren, wurde jedes nur angerissen. Method Man hüpfte, wie auf einer Überdosis Colanüssen, ständig in der Gegend herum und faselte laufend etwas von Wu Tang. Ja, wir wissen, dass ihr das seid! Zwei Flaschen Trost-Schampus goss RZA auch in die ohnehin schon vor Schweiß und Bier klebende Menge. Nach einer geschlagenen halben Stunde und vielen langen Gesichtern im Publikum, verschwand der Clan, wie er gekommen war – Sang und klanglos. Wer ein Handbuch zu »Wie verkacke ich es mir, als Legende zu sterben« schreiben möchte, der sollte sich den Wu Tang Clan live ansehen. Da bedarf es nicht mehr weiterer Worte. »Clan in the front, let´ya feet stomp…« …ja, am Besten allen Herren dieser Gilde einfach in den Arsch – verdient hätten sie es. Ganz schwache Nummer. Fazit: Mehr Wasser, weniger Arschloch-Ordner und keinesfalls mehr überhebliche Rap-Legenden einladen, die sich schon seit Jahrzehnten auf ihren dicken Eiern ausruhen. Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass ich das jemals sagen würde, aber selbst Jay-Z legt bessere Konzerte hin. Es gibt eben Millionäre, die noch wissen, wo ihr Geld herkommt. Aus!
Chris Grimm
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