Eva und Philipp Milner sind Hundreds. Als ewig mysteriöse Geheimtipp-Band irgendwo in den Sphären zwischen Indie und Elektro schwebend, wagten sich die Geschwister aus Hamburg 2014 mit ihrem zweiten Album „Aftermath“ einige Schritte weiter in die Öffentlichkeit. Denn Bekanntheit ist, was man daraus macht. Zu Weihnachten beschenkten die beiden ihre Fans mit vier exquisiten Remixes, unter anderem von Robag Whrume und Brandt Brauer Frick. Ein Gespräch mit Sängerin Eva über Selbstdarstellung, zehn Köpfige Biester und das Spiel des Remixens:
Hallo Eva, ihr hattet sehr lange ziemlichen „Geheimtippstatus“ – welche Vorteile bringt der mit sich?
Eva: Das ist ja immer nur eine Außenbetrachtung, für mich bin ich ja selbst kein Geheimtipp. Für uns war es eher eine große Überraschung, dass das überhaupt jemanden interessiert. Wenn man ein erstes Album macht, dann weiß man noch nicht, was passiert und welche Leute vor einem stehen werden. Das ist ganz spannend und hat sich jetzt geändert.
Hast du dann den Anspruch, jedes Mal aufs Neue zu überraschen?
Natürlich! Die spannendsten Künstler sind ja die, die sich immer weiter verändern, sich dabei aber so treu bleiben, dass du sie immer noch wieder erkennst. Beste Beispiele dafür sind Radiohead oder Björk oder The Notwist. Das wollen wir auf jeden Fall auch machen und nicht einen Sound die nächsten 20 Jahre lang verfolgen.
Seit dem letzten Album seid ihr nicht nur bekannter geworden, sondern tretet nun auch selbst aktiver in die Öffentlichkeit. Warum?
Stimmt. Das war am Anfang gar keine bewusste Entscheidung, dass zum Beispiel Philipp gar nicht so präsent sein sollte, sondern nur auf der Bühne zu sehen war. Das war zum einen dem geschuldet, dass er einfach nicht so gerne Interviews gibt. Irgendwann haben wir dann beschlossen, dass es ganz cool ist, wenn er gar nicht in den Vordergrund tritt. Mit unserem zweiten Album wollten wir dann tatsächlich ein Zeichen setzen und mit unseren Gesichtern und ganz präsent den Leuten entgegen treten und sagen „Hallo, wir sind wieder da und haben euch etwas neues mitgebracht und das wird anders klingen und sich anders anfühlen, schaut uns an und hört uns zu.“
Im neuen Video zu „Ten Headed Beast“ bist du ja richtig in der Hauptrolle zu sehen, so etwas war bei euch früher nicht üblich. Ist das Teil dieser Idee?
Das hat mit dem Lied und dem Text zu tun. Das Lied handelt ja von meiner Innenwelt und von meinem inneren zehnköpfigen Biest, das irgendwie meine Persönlichkeitsanteile darstellt. Deswegen war es total klar, dass es entweder ein richtig guter Schauspieler machen müsste oder eben ich, weil ich ja weiß, von was ich da singe.
Wie genau ist das Zehn-Köpfigen Biest in dir?
Das Bild ist ja diese Hydra aus der griechischen Mythologie. Es ist nunmal einfach so, dass jeder Mensch verschiedene Anteile hat. Damit meine ich jetzt keine Schizophrenie oder nichts klinisches. Das ist einerseits zeitlich bedingt, dass man sich in verschiedenen Phasen einfach verändert, ganz wertfrei, egal ob zum positiven oder zum negativen. Bei mir kommt noch dazu, dass ich extrem sensibel auf Schwingungen reagiere und immer alles wahrnehme und manchmal wird es mir auch einfach zu viel. Wenn jemand mir erzählt was er macht und welche Entscheidungen er getroffen hat, dann wende ich das immer für einen kurzen Moment auf mich an und frage mich, warum habe ich das nicht so gemacht? Ich bin da irgendwie in mir selbst nicht so gefestigt, vielleicht hat diese Durchlässigkeit aber auch etwas Gutes. Es gibt ja im Leben immer irgendwelche Entscheidungspunkte, die dann nicht mehr umkehrbar sind und dann ist es interessant, damit auch zu spielen, um dann wieder bei sich selbst anzukommen.
Angenommen du hättest die eine oder andere Entscheidung anders getroffen, gäbe es neben der Musik noch etwas ganz anderes, das du gerne machen würdest?
Mein Traum als Teenie war immer, Entwicklungshilfe zu machen. Ich habe ja auch Sozialarbeit studiert und viel in dem Bereich gearbeitet. Zu Beginn vor allem mit Junkies und bin schnell zu dem Punkt gekommen, an dem mir das zu krass wurde und bin dann schnell zu Kindern gekommen, weil ich mir dachte, da kann man noch etwas retten, da kann ich etwas bewegen und wenn die ein Scheiß-Elternhaus haben, dann gibt es da ja auch genug zu kämpfen. Mit Anfang 20 wurde mir dann aber klar, dass es das nicht ist. Ich hätte jetzt total bock, Kinderfilme zu synchronisieren. Vielleicht mache ich bald eine Sprecherausbildung.
Ihr habt gerade vier Remixe mit Brandt Brauer Frick, The/Das, Christian Löffler und Robag Wruhme veröffentlich. Was passiert mit Musik, in dem Moment, in dem sie geremixed wird?
Die Leute die das machen, kennen im besten Fall das Lied. Du gibst ihnen die Spuren und es entsteht eine Art Spiel. Das ist sehr spannend. Im besten Fall gefällt es dir dann am Ende und du denkst „geil, ist eigentlich noch bisschen fetter als mein Ding.“ Die Remixe sind echt schön deep und düster geworden.
Aber kann es nicht auch passieren, dass einem das Resultat wirklich gar nicht gefällt?
Naja, es kann passieren, dass man sich missverstanden fühlt. Es kann aber auch etwas Positives passieren, wenn man plötzlich durch jemand anderen nochmal eine ganz neue Perspektive auf den Song bekommt. Das wird ja mittlerweile sehr viel gemacht, besonders in der Elektroszene, in der wir ja ein bisschen am Rand dabei sind. In der Indie-Szene dagegen versackt so etwas auch manchmal. In der Elektro-Szene ist dieses Austauschen und Abändern viel normaler, da gibt es in dieser Hinsicht eine andere Offenheit.
Letzte Frage, wie war 2014 für dich?
Richtig wild! Ich bin gerade zu Philipp ins Haus aufs Land gezogen und das war ganz gut. Ich bin ziemlich froh, vom unterwegs sein in die Ruhe der ländlichen Umgebung gehen zu können. Ich gehe viel mit dem Hund und merke dann, dass in mir so eine Membran ist, die dann einfach schwingen kann. In Hamburg kriege ich das nicht hin und in Berlin schon gar nicht. Ein bisschen Ödnis ist manchmal auch ganz schöpferisch.
Im Februar starten Hundreds ihre Tour. An folgenden Terminen könnt ihr die beiden sympathischen Geschwister erwischen:
04.02.2015 – Konstanz, Kulturladen
05.02.2015 – Freiburg, Schmitz Katze
07.02.2015 – Ulm, Roxy
08.02.2015 – Trier, Kasino am Kornmarkt
13.02.2015 – Rostock, Heiligen-Geist-Kirche
14.02.2015 – Kassel, Schlachthof
17.02.2015 – Nürnberg, Neues Museum
18.02.2015 – Dresden, Schauburg
20.02.2015 – Berlin, HAU 1
21.02.2015 – Berlin, HAU 1
05.03.2015 – Loerrach, Between The Beats Festival
24.04.2015 – Dingolfing, RedBox Festival
13.05.2015 – Frankfurt, Women Of The World Festival
(Titelfoto: Konrad Schmidt)
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