Über einen kleinen, liebenswerten Independent-Film, der nicht nur wegen seiner Buntheit auf den Frühling einstimmt.
Das erste, was an Andrew Bujalskis Film Beeswax auffällt, ist seine Buntheit. Gleich zu Beginn ist Jeannie in ihrem Second-Hand-Laden zu sehen, der ein sorgfältig arrangierter Wildwuchs so ziemlicher aller Farben ist. Das zweite, was einem an Beeswax auffällt: wie Jeannie, ein wenig später, ihre gelähmten Beine aus dem Rollstuhl aufs Bett hievt. Auch hier staunt man, weil man bei solchen Bildern gewohnt ist, dass es um Mitleid geht, um Problembewusstsein. Jeannie sitzt aber nur im Rollstuhl, sonst nichts.
Credit: Ethan Vogt. Courtesy of The Cinema Guild. Credit: Ethan Vogt. Courtesy of The Cinema Guild.
Der Rollstuhl von Jeannie ist das Inbild der Qualität von Beeswax. Der Film geht mit der Behinderung seiner Protagonistin auf eine Weise um, die mit normal erschöpfend beschrieben ist: Sie bewegt sich in ihm über Feldwege, mal sitzt Ex- und womöglich Wieder-Freund Merrill darin wie ein Kind, das spielt. In einer anderen Szene braucht Jeannie eine Weile, ehe sie im Rollstuhl sitzend, die Kofferraumklappe eines Kombis zu greifen kriegt und schließen kann. Das ist so gefilmt, dass man nicht viel sieht von den Anstrengungen, Jeannie ist verdeckt von Auto und Kofferraumklappe.So ist der Film: Man muss sich in Beeswax bewusst machen, was man nicht sieht, um zu schätzen, was man sieht. Dass, wie im Falle von Jeannies Rollstuhl, eine Abweichung von den Bildern, die man aus dem Kino kennt, ohne jeden Gestus des Besonderen inszeniert ist. Jeannies Behinderung wird weder betont noch ignoriert, es ist, wie es ist – ein lapidar wirkendes Urteil, das Resultat einer Genauigkeit, mit der Bujalski sein Generationenportrait im texanischen Austin entfaltet.
Im Zentrum von Beeswax stehen Jeannie und ihre Zwillingsschwester Lauren (Tilly und Maggie Hatcher), drumherum passiert: nicht viel. Jeannie sorgt sich, dass ihre Partnerin Amanda (Anne Dodge) sie verklagen könnte, Lauren sucht, nach einer nicht geglückten Beziehung, nach einem Job weit weg. Bujalski verkneift sich jede Dramatisierung von Konflikten, ihm ist an den Schattierungen von ähnlichen Lebensmodellen gelegen. Dabei verzichtet Beeswax auf jede Sentimentalität, mit der man das Leben der thirtysomethings an der Grenze zu den Anforderungen des Erwachsenseins aufladen könnte.
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Es ist die aufreizende Beiläufigkeit, die den Film sympathisch macht. Anders als Selbstverortungen eines ähnlichen Milieus (gebildet, alternativ, spätjugendlich) in so genannten Berlin-Filmen, geht Beeswax jene Eitelkeit ab, die den eigenen Lebensentwurf für ein Zeichen größtmöglicher Individualität nimmt. Die Menschen, die Jeannie, Lauren und Merrill gern zuschauen, sind vermutlich vor allem Menschen, die wie Jeannie, Lauren und Merrill sind. Daraus erwächst durchaus ein leises Unbehagen, weil das Strahlen, das von diesem Film und seinen Farben ausgeht, begrenzt bleibt auf eine gesellschaftliche Gruppe, die im Konsens mit sich selbst lebt. Es gibt eine nette Elterngeneration, aber keine Kinder in Beeswax, die Figuren sind wohlhabende Weiße, die sonst keine Probleme haben. Folgerichtig ist die schwangere Amanda das einzige Außen dieses Films, mit der Jeannies Kommunikation nicht gelingt und also bei den Anwälten landet.
Das kann man zur Kenntnis nehmen, ohne diese Genügsamkeit als größeren Mangel zu begreifen: Beeswax ist ein kleiner, liebenswerter amerikanischer Indepent-Film, der, auf 16mm und mit Laien gedreht, nicht nur wegen seiner Buntheit auf die Jahreszeit einstimmt, die irgendwann auch bei uns auf den Winter folgen wird.
Matthias Dell
Der Text ist im Original bei derFreitag erschienen.
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