1973 geboren, 1994 mit F.A.B. auf Platte und als ‘Freaks’ debütiert, schließlich 1999 als ‘Reimemonster’ mit Afrob etabliert und dann mit der ersten eigenen EP ‘Asimetrie’ das Bild vervollständigt: Sascha Reimann ist Ferris MC, der Billy Idol des Rap, der Marylin Mongo des HipHop, auch bekannt als Fritz von den Bonzen Bro$ oder Fertich MC. Er war quasi der Gegenentwurf zu den ganzen anderen netten, sauberen Spaßrappern. Oder, wie er es selber sagt, er war der “harte, kiffende Asi-Junkie-Freak-Mongo”!

Doch dieses Image hat sich spätestens mit dem Stück ‘Zur Erinnerung’ im letzten Jahr gewandelt. In dem aus seinem zweiten Album ‘Audiobiographie’ ausgekoppelten Lied schildert er den sozialen Absturz von sich und einem Freund: Tagesheim, Alkohol und andere Drogen, Schule schwänzen, Einbrüche. Während Ferris in der Musik einen Ausweg findet, geht’s mit seinem Freund weiter bergab, bis er schließlich mit 19 Jahren Selbstmord macht. “Eigentlich ging’s mir nur darum, die Geschichte meines Freundes zu erzählen. Das ist dann eben eher sozialkritisch geworden. Aber so ist es gewesen bzw. ist es ja immer noch in bestimmten Gegenden.”

Ferris bewegte sich zwar auch mit ‘Zur Erinnerung’ weiterhin thematisch am Rande der Gesellschaft, aber mit einer anderen Qualität. Er war nicht mehr wie der Glöckner von Notre Dame ein Ausgestoßener, der sich in seinem Horror-Video ‘Im Zeichen Des Freaks’ mit der Rolle abfindet und diese bedient. Ferris wurde zum Beobachter, der die Probleme realistisch beschrieb – und damit die Hörer sehr persönlich berührte. “Es gab da sogar mehr Reaktionen, als ich gedacht hätte. Es ging nicht mal darum, dass sich jemand umgebracht hat. Aber viele Leute haben ähnliche Sachen erlebt. Es hat ihnen gut getan, da zuzuhören und zu sehen, dass es etwas gibt, das sie nachfühlen können. Es hat sie ermutigt, sich um andere zu kümmern oder ihre Trauer zu verarbeiten. Das hat mir die Augen dafür geöffnet, dass ich mehr Musik machen sollte, mit der sich Leute identifizieren können.”

So bestärkt brauchte Ferris gerade mal neun Monate, um ein neues Album einzuspielen. Benannt hat er es nach sich selbst ‘Ferris MC’, da es ihm bei der Vielschichtigkeit der darauf enthaltenen Themen einfach passend erschien. In ‘Was Wäre Wenn…?’ denkt er z.B. darüber nach, wie wohl sein Leben als Millionär, Penner oder Popstar ausgesehen hätte. Seine ‘Traumfrau’ beschreibt er ihm gleichnamigen Track, den (musikalischen) Werdegang arbeitet Ferris mit ‘Grösser Als Gott (HipHop Ist…)’ auf und lobt sich im Crossover-Sound von ‘Besser Als Die Besten’ in typischer HipHop-Manier einfach selbst. Am Stärksten trifft er allerdings mit ‘Spieglein, Spieglein’, das die Probleme mit einem Alkohol-abhängigen Stiefvater abbildet. “In ‘Spieglein, Spieglein’ beschreibe ich meine Geschichte. Allerdings ist sie so clever verpackt, dass ich mit meinem Spiegelbild und deswegen in der Du-Form zu mir rede. Es wird klar, dass es um einen kleinen Jungen geht, der mit einem Stiefvater aufwächst, bis dieser sich umbringt. Ich will den Leuten damit zeigen, dass einen die Vergangenheit immer begleitet, aber sie einen nicht kaputt machen muss. Irgendwann sollte so was verarbeitet werden, um einen normalen Lebensweg einzuschlagen.” Und vielleicht kann ‘Ferris MC’ dabei helfen!

Text: Holger Köhler
Fotos: Marc “Marcnesium” Clausen