Es gibt Länder, die sind stolz auf ihr Bier. Es gibt Länder, die sind stolz auf ihr Königshaus und es gibt Länder, die sind stolz auf ihre Literatur. Zu letzterem zählt definitiv Irland und wenn man die Poetik in Imelda Mays neuem Album hört, so sieht man das irische Literatur weit über die geschriebenen Meisterwerke hinausgeht, denn gesungen formen sich die Worte ebenso zu wundervollen Figuren zusammen. Zwei Figuren und wo wir sie in der irischen Literatur schon einmal gelesen haben:

“Twas 11 past the hour / Darkness in the air”

Wenn die dunkle Melodie anspielt und Imeldas mystische Stimme einsetzt, könnte man beinahe denken es handele sich bei dieser unglücklichen Liebesgeschichte um einen Nick Cave Song. Die Lyrics sind von der Art, die man liest und wo man nach wenigen Zeilen fühlt, wie ein tiefer Atem durch einen zieht, denn irgendwie sind sie zu schön, zu traurig, um wirklich greifbar zu sein. Einer der Meister dieses Gefühl ist Imeldas Landsmann Wiliam Butler Yeats, der 1923 den ersten von bis dato vier Literaturnobelpreisen nach Irland brachte.

Besonders Yeats „When you are old“ spiegelt die sinkende Liebe von „11 past the hour“ wider. Es ist wirklich einfach ein Liebeslied oder Liebesgedicht zu verhunzen. Gefühlt wurde jedes Wort schonmal gesagt, die Liebe wirkt abgenutzt und rennt doch vor allen Methapern weg, doch wenn Yeats sagt:

„But one man loved the pilgrim soul in you, /

And loved the sorrows of your changing face“

Yeats – “When you are old”

Dann wirkt es wie wenn May singt:

„Dance with me darling/

Forget the world/

I’ll hold you in my arms/

As we twirl around/

Hide your innocence/

In all your sins“

Imelda May – “11 past the hour”

und die Worte wirken so frisch als wären sie gerade das erste Mal gesprochen worden – eben so wie jede Liebe sich wie die erste anfühlt und alles alte nur ein notwendiger Weg war. Und wenn sie doch enden muss, dann hat man wenigstens bezaubernde Zeilen wie die von Yeats und May.

“He said / ‘Let’s go down to Mexico'”

Der vierte Track des Albums “Different Kinds of Love” erzählt über einer Gitarrenmelodie hinweg, die Geschichte einer Liebe und zelebriert den Umbruch und die Veränderungen im Leben und der Liebe. Die Erzählstimme klingt reif und doch erinnern ihre Erkenntnisse an den Prozess den Eveline in der gleichnamigen Kurzgeschichte von James Joyce nach Abklingen der Geschichte wohl durchmachen muss. „Eveline“ ist die dritte Geschichte in Joyces frühem Kurzgeschichten Band „Dubliners“, welcher grob das Gerüst für sein erstes Mammutwerk „Ullysses“, das jeder vorgibt gelesen zu haben, bildet.  In „Eveline“ geht es um ein junges Mädchen, dass eigentlich mit ihrem Liebhaber auf ein Schiff gehen möchte, um nach Buenos Aires abzuhauen. Im letzten Moment kann sie sich nicht von ihrer Stadt, ihrem verwitweten sowie gewaltvollen Vater losreisen und lässt ihren Geliebten ziehen – halb aus Angst vor der Veränderung, halb aus Angst, das er sie einschränkt.

„All the seas of the world tumbled about her heart. He was drawing her into them: he would drown her.“

James Joyce – “Dubliners”

Wenn Eveline nun also „Different Kinds of Love“ von Imelda May hören würde, dann müsste sie sich besser fühlen, denn diese singt darin:

„She told me leaves always change colour

That’s the way it’s meant to be

And so we learn from every lover that we cover

while we drift like circles in the sea.“

Imelda May – “Different Kinds of Love”

Irische Liebe vergeht nicht

Für so ziemlich jeden anderen Song aus Imelda Mays neuem Album “11 past the hour”, das diesen Freitag erscheint, könnte man eine Parallele in die irische Literatur ziehen – und das heißt vor allem eins: das ihre Lieder absolut großartig sind!


Imelda May könnt ihr hier auf Instagram folgen und hier geht es zu ihrem Spotify Account.

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