!doctype
Categories: Allgemein

Rückwärtsgehen in die Zukunft

Einsteins Relativitätstheorie zu verstehen ist sicher erstrebenswert, hat im realen Leben allerdings kaum praktischen Nutzen. Schlimmer wird es noch, wenn sich das Leben per se nicht in normalen Bahnen bewegen will. Das wissen auch Bnann Watts und Wag Marshall- Page, Sänger und Bassist der Infadels aus London, nach 18 Monaten touren mit Sicherheit.

“Wenn du so lange in einem Tourbus hängst, kommt es regelmäßig vor, dass du aufwachst und weder weißt wo du bist, noch wie spät es ist.” erklärt Wag lachend. Zeit und Raum erweisen sich im Leben eines Musikers des öfteren als ziemlich relativ, ein Naturgesetz, das spätestens seit Spinal Tap zum Allgemeinwissen gehört.

Auf ihrem zweiten Album “Universe In Reverse” setzen die Infadels darüber hinaus einige eherne Gesetze des Musikbiz außer Kraft. Während klassische Rockbands gerne auf Elektronikfachmänner zurückgreifen, um mit Bleeps und Clonks die kreativen Löcher ihres Zweitwerks zu füllen, haben die britischen Elektroclasher auf “Universe In Reverse” die Krümmung des Raumes genutzt und klingen stadionrockiger als je zuvor. Bnann Watts hat für diese popkulturellen Quantensprung eine höchst unwissenschaftliche Erklärung: “Ich habe die meisten Lieder mit der Wandergitarre in der Hand geschrieben, da ist es nicht verwunderlich, wenn am Ende ein klassischerer Rocksound entsteht.”

Entwickelt sich das Universum der Infadels also tatsächlich rückwärts? “Zum Glück nicht,” freut sich Wag, “wenn wir in einem Paralleluniversum existieren würden, wären wir eine zickige Free-Jazz-Band, würden ständig Soli dudeln und uns gegenseitig bis aufs Blut hassen. Das neue Album ist für uns aber die Summe der Gemeinsamkeiten, die wir als Bandmitglieder haben.”

Einige Vorteile hätte so ein umgekehrtes Universum aber doch, wie Bnann zu bedenken gibt: “Vielleicht wären gute Bands in so einer Welt auch automatisch erfolgreich. Oder Politiker würden immer die Wahrheit sagen…” Möglicherweise gäbe es an einem solchen Ort die Infadels aber nicht? Eine Hypothese, der beide Bandmitglieder vehement widersprechen. “Wir können aus Erfahrung sagen, dass wir für normale Jobs alle nicht geeignet sind. Das würde sich sicher auch da nicht ändern.” Fügt Bnann hinzu. Manches ist eben nicht relativ.

Timo Richard

Recent Posts

There is a crack in everything, that’s how the light gets in

“There is a crack in everything, that's how the light gets in”, sang einst der…

2 Jahren ago

Zwischen Pop und Experiment

Seit September veröffentlichen Yule Post und Tom Gatza gemeinsame Singles. Mit BYE erscheint nun die…

2 Jahren ago

Never Mind Modus Mio, Here’s the »NEW SILK«

Spätherbst 2022. Deutschrap TikTok-tänzelt zur zweihundertsten lieblosen Drill-Attrappe. Es wird höchste Zeit für neuen Druck…

2 Jahren ago

No time for losers with toxic desires

Sofia Portanet veröffentlicht am 2. November 2022 ihre neue Single Unstoppable, die dritte Single aus…

2 Jahren ago

Eine Geschichte von der Spannung zwischen Freundschaft und der Sehnsucht nach Intimität, untermauert von euphorischem Techno

Mit ihrer neuen Single “Mess Me Up” erzählt die junge Berlinerin benzii eine Geschichte von…

2 Jahren ago

MS DOCKVILLE 2022 – FESTIVAL FÜR MUSIK & KUNST

Ein Festival ist mehr als nur viele Konzerte – ein Festival ist eine Einladung, sich…

2 Jahren ago