(Foto: Studiocanal Germany)

Mit dem Charakter des Llewyn Davis (gespielt von Oscar Isaac) haben die Gebrüder Coen erneut einen tragischen Antihelden geschaffen. Einen Antihelden, der einerseits zu bedauern, andererseits aber genauso zu bewundern ist. Als Zuschauer verspürt man das unerträgliche Verlangen, der Hauptperson zu helfen, sie einmal in den Arm zu nehmen und mit vereinten Kräften alles nochmal, ein letztes Mal, zu versuchen und vielleicht besser zu machen.

Die Regisseure richten den filmischen Fokus diesmal auf das Leben eines Musikers, seines Zeichens Folk-Sänger und Überlebenskünstler. Getrieben von einer inneren Unruhe und dem festen Glauben an den großen Durchbruch, taumelt der Amerikaner durch das raue New Yorker Nachtleben der sechziger Jahre. Eine Szenerie, die alsbald zur hämischen Metapher seines ganzen Lebens wird. Ohne festen Wohnsitz, Job oder Geld – von einer Lebensgefährtin ganz zu schweigen, hetzt er kompromisslos und ohne Rücksicht auf Verluste seinem (Wunsch-)Traum hinterher. Wie besessen, fast in Trance und ohne zu bemerken, dass ihn das Leben bereits überholt hat, findet er sich schließlich in der Gosse liegend wieder. Als er die alles rettende Reißleine ziehen will, ist es bereits zu spät. Was bleibt, ist ein gebrochener Idealist, verbittert und alleine, der nichts anderes kann, als eben das: Musik zu machen!

Die Coens greifen in ihrem neuen Film einmal mehr ein Thema auf, das aktueller und gesellschaftskritischer nicht sein könnte. Denn wann, wenn nicht jetzt und in den letzten Jahren, war das Gejammer der gesamten Musikindustrie lauter? Zurecht, denn die kläglichen Verkaufszahlen von Tonträgern lassen nicht gerade optimistisch in die musikalische Zukunft blicken. Man beklagt sich also über nicht erwähnenswerte Spotify-Tantiemen, über sinkende oder quasi nichtexistente Tonträgerabsätze und vor allem darüber, dass dies ein neues, dem Internet geschuldetes Problem sei. Damit haben sie Recht. Teilweise zumindest. Denn der von vielen älteren Zeitgenossen gern verwendete Terminus „früher war alles besser“ stimmt in diesem Fall nur bedingt. Die Schwierigkeiten haben sich verändert und im Laufe der Zeit logischerweise auch verlagert. Doch das Grundproblem ist immer noch das gleiche: Es geht um die (oft nichtvorhandene) Wertschätzung von Musik und um diesen einen Moment des Glücks, gesehen, gehört und unter den hunderttausend guten Musikern da draußen, entdeckt zu werden!

Inside Llewyn Davis – Offizieller Trailer – Studiocanal Germany

Hier setzt der Film Inside Llewyn Davis an und spinnt das Rad der beinharten Musikindustrie am Beispiel eines Folk-Musikers, der sich nicht nur einmal anhören muss, dass er ein nichtsnutziger Loser ist und nicht nur keine „Musik“ mache, sondern auch kein lukratives und somit Unterstützens wertes Projekt sei. Innerhalb von Sekunden sieht man, wie ein Lebenskonzept in tausend Scherben zerbricht, während nebenan Bob Dylan seine ersten Songs spielt. Man sieht, wie ein Mensch beinahe zugrunde geht und sich dennoch wieder aufrichtet und weitermacht. Einfach weil er es liebt oder schlicht und ergreifend nicht anders (und in seinem Fall auch nichts anderes) kann. Und das war wohl schon immer so mit der Musik. Man hasst und liebt sie, ohne eigentlich zu wissen, warum. Eine Tatsache, die sich wohl nie ändern wird.

Inside Llewyn Davis ist ein Film für Musikliebhaber und Melancholiker. Ein Film, der vermutlich nicht jeden ansprechen wird, der aber vor allem den Musikern da draußen zeigt, dass Musik machen nie einfach war. Eine bittere, auf die Leinwand gebrachte Erkenntnis, die zwar nicht neu, aber auf eine sehr tröstliche, mit guter Musik untermalte und in alter Coen-Manier sehr skurrile Art und Weise dargestellt wird. Eine Erkenntnis, die sich im Kollektiv vermutlich leichter ertragen lässt und mich etwas pathetisch sagen lässt: Macht weiter und lasst euch nicht entmutigen! Immerhin tut ihr das, was ihr gerne macht. Wie viele Menschen können das heutzutage schon von sich behaupten?

Der Film ist ab 5.12 in den deutschen Kinos.

(Mariella Gittler / Marc Augustat)