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“Vorsicht in den Wind werfen und David Bowie sein” – Interpol im Interview

Warum Paul Banks keinen HipHop macht und das Gras auf der anderen Seite braun ist.

Interpol sind eine Post-Punk und Rock-Band aus New York City. Ihre Musik ist gekennzeichnet von bedrückenden, aber alleweil eindrucksvollen Gitarrenriffs, melodischen Bassläufen und einer unverwechselbaren Baritonstimme. Stets klassisches, hin und wieder teures Beinkleid tragend, gehüllt in Nebel und mit spärlichem Licht im Rücken – charakteristische Aufnahmen der fünf Herren während eines ihrer Konzerte.
Jenseits der Bühne machen sie zunächst einen noch immer sehr verhaltenen, später aber durchaus sympathischen Eindruck. motor.de traf Interpol Drummer Sam Fogarino im Hotel auf Kaffee und Zigaretten. 

motor.de: Interpol sind immer gut angezogen, singen sogar über Kleidung im Song “The Undoing” [“style is worthwhile”, Anm.d.Red]. Woher genau kam die Idee für die Aufmachung und das Auge für Ästhetisches?

Sam: Nun ja, ich denke, die kam aus den Anfangszeiten der Band, vor etwa acht oder zehn Jahren, als wir versucht haben uns in New York City zu etablieren. Dort besteht eine sehr hohe Banddichte. Ich denke, es ist die Mentalität, sich selbst einfach vom Rest der Welt ein wenig abheben zu wollen. Einen gewissen Stil anzunehmen, um sich abzugrenzen. Es war nicht wirklich dafür gedacht, auf der Bühne cool auszusehen. Wir haben uns einfach danach gefühlt. Es war und ist uns wichtig, uns wohlzufühlen in unserer zweiten Haut. Gezielt haben wir darauf, zu zeigen, dass wir hart arbeiten. Das Aussehen der Band an sich war uns damals sehr wichtig, heute ist das anders. An erster Stelle wird immer die Kunst stehen.

motor.de: Lauft ihr in der Freizeit ab und an auch in Schlabbersachen rum?
Sam: Nun ja, im Moment trage ich das, was ich trage, wenn ich es mir gemütlich mache. So richtig denke ich gar nicht darüber nach. Für mich sind es einfach Jeans und ein T-Shirt.

Interpol – “Barricade

motor.de: Manche Teile in “The Undoing” sind auf Spanisch eingesungen. Wie kam es denn dazu?

Sam: Das ist wegen Paul [Banks – Sänger, Anm. d. Red.], er spricht fließend Spanisch. Er hat einige Zeit in Mexico City gelebt und ist dort zur Highschool gegangen. In Madrid hat er auch einige Zeit gewohnt. Ich denke, er hatte immer eine Affinität für diese Sprache und auch für die spanische Kultur. Daher glaube ich, spanisch zu singen ist für ihn eine sehr natürliche Sache. Fast am Ende der Arbeiten zur Platte waren wir gerade über die Welt verteilt und er hat uns eine Mail geschrieben, ob es uns was ausmachen würde, wenn er einige Teile des Songs auf spanisch singen würde. Ich für meinen Teil finde das wunderschön.

motor.de: Euer Bassist Carlos Dengler hat Interpol im nach Beendigung der Aufnahmen zum aktuellen Album verlassen. Was sind denn seine Hinterlassenschaften?

Sam: Carlos war und ist ein ganz großartiger Bassist. Besser als großartig. Er ist einer der besten Musiker, mit denen ich jemals zusammen gespielt habe. Aber er hat die Liebe zum Bassspielen verloren und wollte sich lieber anderen harmonischen Instrumenten, wie beispielsweise dem Keyboard, widmen. Das sind Instrumente, die wunderbar sind, aber in meiner Empfindung werden Gitarre, Bass und Schlagzeug immer das wichtigste bleiben. Ich denke, seine Hinterlassenschaften sind sein großartiges Können und seine Begabung zwischen Rhythmus und Harmonie zu wechseln. Jede Nacht denke ich wieder darüber nach, denn unser neuer Bassist David Pajo spielt Carlos Parts sehr ehrfürchtig.

motor.de: Wie seid ihr denn überhaupt zu den beiden neuen Bandmitgliedern gekommen?

Sam: Das war recht einfach. Brandon Curtis kannten wir schon immer, da haben wir uns gedacht: “Lasst uns doch mal schauen, was der so treibt.” Und David wurde von unserem Tontechniker angeschleppt, der mit den Yeah Yeah Yeahs auf Tour war, wo David mitspielte.

Interpols neuer Bassist David Pajo

motor.de: Schreibt ihr Songs eigentlich lieber über eigene Erfahrungen, oder versetzt ihr euch in die Gefühle anderer?
Sam:
Also, wenn ich jetzt mal von mir und dem was meine Aufgabe in der Band ist ausgehe, ist in jedem Stück eines Songs ein kleines Stück Gefühl von mir eingeschlossen. Ich denke, alle haben irgendwo eine seelische Verbindung zu jedem einzelnen Song, auch dann wenn es durch etwas anderes beeinflusst wurde.

motor.de: Ist es hin und wieder seltsam für dich, die eigenen Songs im Radio oder gar an völlig unpassenden Stellen zu hören?
Sam:
Einmal lief ein Song von uns in einem ziemlich schäbigen Klamottenladen in New York. Ich ging rein, und es kam so ganz schlimme Mainstream-Dance-Musik, und das nächste, was sie in den Plattenspieler warfen, war Interpol. (lacht) Das war ziemlich bizarr.

motor.de: Apropos bizarr: Euer Frontmann ist großer HipHop Fan und war auch mal DJ in dem Bereich, betitelt als Fancypants.
Sam:
Das ist einfach Paul, der sich selbst widerspricht und mit dem Namen über sich selbst Witze macht. Aber ja, dieser Typ ist ein ziemlicher HipHop Fan, und das schon seit ich ihn kenne.

motor.de: Warum spielt er dann lieber in einer Rockband?
Sam:
Ich glaube, er mag einfach die natürliche Form dieser Musik. Ich denke nicht, dass er großes Verlangen danach hat, die Band liegen zu lassen und … MC Banks zu sein … Banksypants. (lacht)


Paul Banks

motor.de: Hast du eigentlich eine immerwährende Top 5 in Sachen Bands oder Songs?
Sam:
Das ist immer anders. Ich höre mich immer nach neuer Musik um. Aber so grundsätzliche Dauerrenner sind die Pixies, Sonic Youth, sogar Led Zeppelin. Es kommt immer drauf an. Ich denke, in meinen Top 5 wäre auf jeden Fall auch David Bowie.

motor.de: Warum hebst du David Bowie so hervor?
Sam:
Weil David Bowie ein Chamäleon ist. Immer, wenn es seine alte Haut abwirft, ist er genauso brillant wie er es davor auch war. Er kann sich total verändern, auch seinen Style und bleibt dabei genauso gut wie davor. Das ist erstaunlich. Nicht viele Menschen können das. Von abgespaced über den jungen Amerikaner zu “lass uns tanzen!”. Das ist verrückt. Das ist einfach großartig.

motor.de: Warum macht ihr das nicht auch?
Sam:
Da hätte ich richtig Bock drauf. Genauso wie es The Clash gemacht haben. Einfach alle Vorsicht in den Wind werfen. Ich denke sogar, unsere Band hätte das Zeug dazu. Der Hintergrund eines jeden Mitglieds ist so unterschiedlich. Aber sowas braucht Zeit.

motor.de: Inwiefern bist du denn mit Musik aufgewachsen?
Sam:
Meine Mutter hat immer Klavier gespielt, ich war einfach immer umgeben von Musik. Ich hatte schon immer eine Gitarre und ein Klavier. Ich hab mich dann allerdings für Schlagzeug entschieden, einfach aufgrund des körperlichen Anspruchs. Außerdem ist es als Drummer leichter eine Band zu finden als mit jedem anderen Instrument.

Interpol – “Lights”

motor.de: Wenn du dir für eine Session ein paar Musiker aussuchen dürftest, wen würdest du wählen?
Sam:
Josh Homme von Queens Of The Stoneage, David Sims von The Jesus Lizard am Bass, Brandon [Curtis] am Keyboard und Dale Crover von den Melvins hinter dem Schlagzeug. Wo ich da noch reinpasse ist eine gute Frage. (nimmt einen großen Schluck aus seiner Kaffeetasse) Ich glaube, es wäre lustig… wenn ich die Cowbell schlagen würde. (lacht)
Aber weißt du Josh Homme, mann. Der ist unglaublich. Immer wenn ich mir irgendwas von ihm anhöre, habe ich das Gefühl, er übertrifft sich immer wieder aufs Neue. Er hat so viele Gesichter. Seine Stimme ist einfach schön. Er hat etwas sehr einzigartiges.

motor.de: Zwei kurze Dinge am Ende: Warum ist das Gras auf der anderen Seite immer grüner als auf der eigenen?
Sam:
Ist es nicht, es ist braun. Das ist eine Illusion. Wir idealisieren die Dinge, die wir nicht haben und wenn wir sie bekommen, stellen wir fest, dass es ganz anders ist, als gedacht. Das Gras dort ist genauso braun wie hier, wo du jetzt stehst.

motor.de: Eine letzte Sache, die du der Welt mitteilen willst?
Sam:
Leute, steht endlich auf, wir ersaufen! (lacht)

Für weitere Eindrücke des Konzerts vom 20. November in Berlin geht’s »hier lang.

Interview: Elli Eberhardt
Fotos: Ulrike Chemnitz

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