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Interview

Gesellschaftskritische, politische und persönliche Texte: Ein Gespräch mit der Rapperin Lena Stoehrfaktor

Welche Bedeutung haben Worte in unserer Zeit? Wie direkt sollte Musik vermittelt werden und wie wichtig ist es politische und gesellschaftliche Probleme in Texten zu äußern? Lena Stoehrfaktor, die ihre Musik als konfrontativen Conscious Rap bezeichnet, erzählt von ihrer Ansicht über ihre Musik und die Wichtigkeit sie zu machen.

motor.de: Als du mit deiner Musik angefangen hast, wusstest du schon in welche Richtung sie für dich gehen sollte? 

Lena: Ich wusste, dass ich Dinge ansprechen möchte. Mir war wichtig, direkte Musik zu machen.  In erster Linie ging es mir nicht so um die Ästhetik, sondern mehr darum, meine Meinung zu sagen. Ich wollte natürlich, dass es gut klingt, aber das war nicht das wichtigste für mich. Hip-Hop war für mich von Anfang an klar und daraus entstand dann konfrontativer Conciousrap.  Meine Meinung zu sagen ist mir schon immer wichtig gewesen. Probleme, die wir in unserer Gesellschaft haben, sollten nicht einfach so stehen gelassen werden. 

motor.de: Hattest du denn damals schon solche Gedanken? 

Lena: Ja ich hatte schon solche Gedanken.  In mir war oft das Gefühl, das meine Meinung nicht gehört wird und nicht nachgefragt wurde, was ich dazu denke. Als ich dann angefangen habe zu rappen kam in mir sehr schnell ein Gefühl von innerer Befreiung auf.  Da mich politische Themen schon immer interessiert haben, fing ich an, darüber zu schreiben. Aber nicht nur politische Themen, sondern auch persönliche Themen wollte ich in meinen Tracks ansprechen. Ich störe mich oft an Dingen, die in der Gesellschaft nicht gut laufen. 

motor.de: Hörst du denn persönlich auch Musik, die ein politisches Statement hat? 

Lena: Ja schon, aber auch andere Sachen. Also nicht nur Musik, die eine politische Message hat. Was mir sehr wichtig ist, dass Musik wichtige Themen anspricht. Das berührt mich immer sehr. Außerdem finde ich schön, wenn sie vom Herzen kommt. Wenn es bei Musik über Gefühle geht, höre ich sie sehr gerne. So etwas finde ich gut und wichtig, da unsere Welt mehr emphatische Menschen braucht.  

motor.de: Was hast du in letzter Zeit am meisten gehört, was dich immer wieder inspiriert und bewegt? 

Lena: MC Caro.  Das ist ein geiles Album. King Caro. Ich lasse mich davon inspirieren. Die machen was anderes als ich, aber trotzdem inspiriert es mich sehr. Manchmal gefällt mir eine Attitüde von jemanden.  Ich mag es, wenn es künstlerisch originell ist, vor allem in einer Zeit, in der es viele Kopien gibt. 

motor.de: Und welche Bedeutung hat Musik eigentlich für dich? 

Lena: Musik ist alles für mich. Musik ist das wichtigste in meinem Leben. Sie hat mich immer begleitet. Ich überlebe teilweise nicht ohne Musik Hören (lacht). Vor allem, wenn ich irgendwo unterwegs bin und ich mich nicht ausliefern lassen möchte von Strapazen auf der Straße. Meistens suche ich mir schon ein Album raus, bevor ich losgehe, welches ich dann auf dem Weg hören. Das tut mir immer sehr gut. 

motor.de: Hast du denn mal darüber nachgedacht, dass wir mit künstlerischen Ausdrucksformen auf politischer und gesellschaftlicher Ebene etwas bewegen können? 

Lena: Ich glaube schon, aber minimal. Es ist ein Zusammenspiel, aber ich glaube schon, dass Musik Menschen zum Nachdenken anregen kann und in irgendeiner Weise sensibilisiert. Wenn der Mainstream auf einmal eine Musik hört, die voll tiefgründig ist und empathisch, dann würde sich schon was verändern, denke ich.  Texte gehen nicht an den Menschen einfach vorbei. Rio Reiser zum Beispiel ist schon sehr bekannt, denn er hat viele Menschen sehr geprägt.  Mucke kann der Soundtrack sein. Ich glaube schon, dass die Menschen, die meine Musik hören meist korrekte Leute sind. Es sind Personen, die sich Gedanken machen, aber höchstwahrscheinlich auch schon vorher Gedanken gemacht haben. Wir führen so viele Diskussionen über Geschmack und Ästhetik und dabei sollen wir aber auch einsehen, dass manche Dinge einfach nicht gut sind.  Außerdem glaube ich, dass der Kapitalismus zu wenig hinterfragt wird und dass Menschen sich einfach zu viel gönnen.  Es gibt so viele Diskussionen über Geschmack und Ästhetik, und währenddessen gibt es kaum Diskussionen über Kapitalismuskritik. Meiner Meinung nach müssen wir nicht immer konsumieren. In solchen Fällen merkt Mensch einfach, dass Kapitalismus etwas mit uns macht. Oft ist mir begegnet, dass es als zu elitär abgestempelt wurde, wenn ich etwas hinterfrage. Wir sollten eher noch mehr anfangen, das System kritisch zu hinterfragen. 

motor.de: Würdest du denn sagen, dass du eine schöne Begegnung auf einer Demo oder einem Konzert hattest, die dich inspiriert und dir gezeigt hat, dass deine kritischen Gedanken über unser System bei Menschen ankommt und etwas bewegt? 

Lena: Ja sehr oft sogar. Viele Menschen meinten, dass es sie voll berührt.  Eine Sache ist mir aufgefallen und voll in meinem Kopf hängen geblieben. Ich hatte mal mit einem Menschen eine Diskussion und habe dann daraufhin einen Text geschrieben.  Der Typ hat sich dann echt ertappt gefühlt. Ich habe in dem Moment an ihn gedacht und er hat sich dann darin sofort wiedererkannt. Das finde ich echt cool, dass es möglich ist so zu kommunizieren und Menschen sich durch so etwas angesprochen fühlen. 

motor.de: Dankeschön für deine Zeit und deine Worte in unserem Gespräch.

 

Am 22.04.2022 erscheint ihre neue EP ESSENZ!

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Isabella Neugebauer Da Silva Sarmento

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