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In und um Musik geht es sexistisch zu. Das ist wahrscheinlich allen, die sich in den letzten Jahren irgendwie mit Kultur und Musik auseinandergesetzt haben, nicht entgangen. Doch es scheint sich etwas zu verändern; die Musikwelt fängt an zu diskutieren, Debatten ernst zu nehmen und die richtigen Fragen zu stellen. Man könnte fast sagen, es ist liegt ein Wandel oder zumindest die Hoffnung darauf in der Luft. Endlich wird beispielsweise darüber geredet, dass Festival Line-Ups immer noch überwiegend cis männlich sind oder, dass es nicht nur eine einzige sogenannte „Frauenband“ in Rostern braucht.
Doch Künstler*innen dürfen nicht der einzige Fokus sein. Es ist an der Zeit die gesamte Musikindustrie in den Blick zu nehmen. Wie steht es mit der Gendergerechtigkeit hinter den Bühnen? Wie sieht der Lebensalltag von weiblichen, nicht-binären und trans* Veranstalter*innen oder Tontechniker*innen aus? Welche Probleme haben sie, wie sehen ihre feministischen Kämpfe aus?
Ich habe mich im Rahmen einer Abschlussarbeit einer Berufsgruppe gewidmet und mich mit verschiedenen Booker*innen bei großen Festivals und in kleinen Clubs, in selbstständigen Agenturen und im DIY-Bereich über Gender(un-)gerechtigkeiten unterhalten. Natürlich unterschieden sich die Antworten teilweise, dennoch gab es viele Probleme und Themen, die alle erleben. Ehrlich gesagt, ich bewundere alle meine Interviewpartnerinnen für das Ausharren und Austragen dieser Kämpfe, auch wenn sie teilweise unter- oder unbewusst stattfinden.
Ich habe mit Frauen gesprochen, die sich behaupten, obwohl in ihrem Arbeitsumfeld Sexualisierung in all ihren Formen zum Alltag gehört. Obwohl der Einstieg in den Beruf erschwert wird, weil Stellen und Praktika kaum ausgeschrieben, sondern unter der Hand innerhalb von Männerbünden vergeben werden. Trotz eines Raums voller ankumpelnder cis Männer, die über einem Bier den nächsten Deal besprechen, während die Frauen feststellen, dass sie deutlich in der Unterzahl sind. Trotz ökonomischer Abhängigkeiten, die dazu führen, dass sie Sexualisierung und Sexismus nicht offen ansprechen und kritisiert können, weil dann möglicherweise der Deal platzt und es dadurch besonders für die Selbstständigen und kleinen Spielstätten am Ende des Monats eng wird. Trotz der vermeintlich überkommenen, mehrheitsgesellschaftlichen Annahme, dass Frauen und Queers Kindererziehung und Care Arbeit übernehmen, behaupten sie sich in einer Branche, die sich nicht nach 9-to-5 von Montag bis Freitag richtet und in der Elternzeit eher die Ausnahme ist. Und sie bleiben dabei, obwohl Assistent*innen statistisch gesehen meistens weiblich und unterbezahlt sind. Obwohl eingestaubt geglaubte Rock’n’Roll-Attitüden noch längst nicht der Vergangenheit angehören und Machogehabe noch immer glorifiziert wird.
Für mich bleiben am Ende der Arbeit einige Fragen: Wie können wir Räume schaffen, in denen sich besonders Frauen und Queers wohl fühlen, zu denen sie Zugang haben und in denen sie wachsen können? Wie können wir in genderspezifischer und ökonomischer Hinsicht eine sicherere, offenere Musikwelt schaffen? Wie kann die prekäre Situation in Einstiegsleveln, in denen Frauen statistisch gesehen länger bleiben, verändert werden, sodass Arbeit auch als solche bezahlt wird, auch wenn klar ist, dass große persönliche Motivation und Leidenschaft dahinter stehen? Und wie können wir ändern, dass – nicht nur in meiner Studie – alle (verfügbaren) Teilnehmerinnen weiß waren?
Mittlerweile gibt es Stimmen, die unermüdlich diese Problematiken ansprechen. Aber es wird nur etwas passieren, wenn auf Worte auch Taten folgen. Und damit meine ich auch alle cis Männer in und um Musik: Hallo, schön, dass ihr es bis hierhin geschafft habt! Es reicht nicht „auch irgendwie für dieses Genderdings“ zu sein oder sich netter Weise als „Feminist“ zu bezeichnen. Gleichberechtigung fällt nicht vom Himmel, der Abbau von sexistischen Strukturen passiert nicht von heute auf morgen. Es erfordert konstante Selbstreflexion der eigenen Strukturen und Verhalten, um dann die Konsequenzen daraus zu ziehen, anstatt sich nur mit performativer Solidarität zu schmücken und die Anstrengung den Betroffenen zu überlassen. Die politischen Rahmenbedingungen habe ich dabei noch gar nicht angesprochen. Und auch die Wissenschaft muss ihren Teil dazu beitragen und Forschungsdesigns nicht mehr binär in Mann und Frau aufteilen.
Mal ehrlich, viele der Frauen, mit denen ich gesprochen habe, waren – um es im Wortlaut zu lassen – angekotzt. Und doch lag immer ein nicht allzu kleiner Funken Hoffnung in der Luft. Ich habe mit Frauen gesprochen, die selbst das Ruder in die Hand nehmen und aktiv andere Frauen und Queers unterstützen, anlernen, einstellen, sich solidarisieren, Probleme anprangern, und vor allem nicht aufgeben. Das ist oft anstrengend und manchmal überfordernd. Aber zu sehen, dass wir das miteinander angehen, macht Mut weiterzumachen.
Wenn ihr auf der Suche nach Anschluss oder Austausch über dieses oder ähnliche Themen seid, schaut euch im Netz mal um. Es gibt viele Organisationen wie z.B. faemm // Keychange // MusicWomen
Astrid hat Kulturwissenschaften und Popular Music Studies studiert und ihre Abschlussarbeit über „Gendespezifische Diskriminierungsstrukturen in der deutschen Populärmusikindustrie am Beispielbereich Booking“ geschrieben. Diese wird im kommenden Jahrbuch der Gesellschaft für Musikwirtschafts- und Musikkulturforschung veröffentlicht.
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