Vorbei die Zeiten, in denen Jens Friebe als Randfigur der deutschensprachigen Pop-Musik wahrgenommen wurde. Mit seinem neuen Album “Das Mit Dem Auto Ist Egal Hauptsache Dir Ist Nichts Passiert” beweist der Wahlberliner nicht nur allerhand Humor, sondern auch ein feines Gespür für zwischenmenschliche Gefühle.
Es ist knapp zwei Jahre her, da drehte das deutsche Feuilleton völlig durch. Der Grund hierfür war ein Album namens “In Hypnose” – geschaffen von einem jungen Künstler namens Jens Friebe. Es füllte laut weit verbreiteter Meinung den luftleeren Raum zwischen Tocotronic und Blumfeld. “Ich empfinde das nicht als eine Bürde. Es funktioniert bei mir wirklich relativ simpel: Kritik macht mich traurig und wenn man mich abfeiert, freue ich mich!”, erklärt der nebenberufliche Musikjournalist und wirkt dabei genauso entspannt, wie man es von ihm erwartet. Grund genug hat er auch: Sein neues Album lässt keinerlei Wünsche offen, verbindet Pop mit Gitarren und humorvoll-intelligente Lyrics mit einer Prise Zynismus.
Du kommst in Interviews immer sehr bescheiden rüber. Nie lässt du dich zu Überheblichkeiten à la Razorlight hinreißen, obwohl du dir das erlauben könntest!
Jens Friebe: Bei Bands wie Razorlight halte ich das für Professionalität. Die wissen, wie das Business funktioniert! (überlegt) Ich meine, wenn eine Band wie U2 erzählt, ihr 13. Album sei das Beste, was sie je gemacht haben und fühle sich an wie ein Debüt, dann glauben die das doch selbst nicht. Aber scheinbar müssen das viele Künstler so machen, denn die Presse widmet sich einem dritten Album nicht mit der gleichen Intensität wie beim ersten Werk. Mir ist das einfach zu blöd, vielleicht weil ich es mir als Journalist ein paar Mal zu oft anhören musste. Was das Batteln und andere Bands fertig machen angeht: Was da in England im Brit-Pop oder so Standard ist, gibt es in Deutschland ja eigentlich nur im HipHop. Und darüber bin ich auch ganz froh!
Kollegen wie Jochen Distelmeyer attestierten dir zuletzt ein überaus beeindruckendes Talent für Pop-Melodien. Dein neues Werk klingt jedoch nicht so zuckersüß wie der Vorgänger und ein geschmäcklerischer Song wie “Bungeeseil” ist auch nicht drauf. Hast du dir das verboten, weil es Diskussionen um dieses Lied gab?
Jens Friebe: Auf den ersten beiden Alben gibt es jeweils einen polarisierenden Song, sage ich mal. Entweder hielten ihn viele für das beste, was ich je geschrieben habe, oder eben für den schlechtesten Track der Platte. Ich habe das beim Songwriting für meinen aktuellen Longplayer allerdings weder versucht zu verhindern, noch herauszufordern.
Wie waren die Arbeiten an “Das Mit Dem Auto Ist Egal Hauptsache Dir Ist Nichts Passiert”? Im Vorfeld war zu hören, du hast dich in den Alpen verschanzt, um Inspiration zu finden.
Jens Friebe: Das stimmt nur zur Hälfte. Der Grund war zumindest nicht irgendein Druck, welcher auf meinen Schultern lastete! Warum auch? Die Kritiken zu den ersten beiden Alben waren ja überwiegend positiv. Da ist es natürlich leichter, an einem neuen Werk zu arbeiten, als mit dem Hintergedanken, dass die Leute die letzten Sachen mies fanden. (überlegt) Bei diesem Ausflug in die Alpen ging es mir vielmehr darum, intensiver an neuen Songs zu schreiben. Leider klappte dieser Klausurzwang nicht wirklich und trotzdem hatte es was Gutes: Ich habe entdeckt, wie viele Sachen ich bereits hatte und “nur” noch zu Ende bringen musste.
Jens Friebe – Lawinenhund
Einige von diesen Skizzen entstanden durch die vielen Tätigkeiten, welche Friebe neben der Musik verfolgt. So schreibt er nicht nur für diverse Zeitungen, verfasst eigene Kolumnen und veröffentlichte diese sogar jüngst in einem Sammelband – Jens Friebe ist obendrein auch gern gesehener Gast bei der Berliner Veranstaltungsreihe “Bunny Lectures”. Hier entstand für das aktuelle Album neben “Neues Gesicht” auch ein zweiter Song namens “Frau Baron”: “Die ‘Bunny Lectures’ sind eine Mischung aus Talkshow und buntem Abend, bei dem es immer um ein Thema geht. Für ‘Frau Baron’ war ‘Adel’ auf der Tagesordnung und der Song beinhaltet eine Art Rollenspiel: Es geht um das Jus primae noctis. Dieses mittelalterliche Gesetz besagt, dass nach der Hochzeit einer Leibeigenen nicht der angetraute Mann das Vorrecht auf die erste Nacht hat, sondern der Gutsbesitzer. Damit habe ich dann gendermäßig ein bisschen gespielt und aus dem Großgrundbesitzer eine Großgrundbesitzerin gemacht. Das ist das Tolle daran, auf Zuruf zu arbeiten: Man entdeckt oft Dinge, welche einem sonst vielleicht nicht eingefallen wären.”
Es sind diese textlichen Kniffe, die das neue Jens Friebe-Album so toll und unwiderstehlich machen. Trotz eines gewissen Zeitdrucks bei den Aufnahmen klingen die Songs durchdachter als bei den Vorgängern. “Es ist manchmal gar nicht schlecht, wenn ich die Deadline wahrnehme”, erklärt der schlaksige Songwriter und nimmt einen tiefen Schluck aus der Mineralwasserflasche. Wenn es drauf ankommt, erwachen eben die künstlerischen Fähigkeiten. Große Freude bereitete ihm bei “Das Mit Dem Auto Ist Egal Hauptsache Dir Ist Nichts Passiert” auch die intensive Auseinandersetzung mit dem unkonventionellen Titel: “Ich hatte schon bei meinen ersten Songs vieles über Wortspiele funktionieren lassen: ‘Ihr müsst mich feiern wie ich fall’ oder ‘Nenn mich Lawinenhund, ich suche Leben’. Das habe ich mir dann ein wenig verboten und hinterrücks hat sich dann eine neue Mechanik eingeschlichen, nämlich die der poetisierten Alltagsphrase, siehe ‘Erschreckend Aktuell’ und ‘Du freust dich ja gar nicht’. Ich hatte diesen Spruch schon Jahre mit mir herumgetragen und dachte immer, irgendwann schreibe ich den Song dazu.”
Tatsächlich, auch diesen Anspruch hat er mit Bravour gemeistert. Und man fragt sich: Wie macht er das bloß? Weil er vielleicht doch intelligenter ist und mehr Mut als andere Acts besitzet? Fest steht: Seine Songs finden das Besondere im Einfachen, und davon jede Menge!
Text: Marcus Willfroth
Jens Friebe auf Tour:
09.10.2007 Braunschweig – Merz
10.10.2007 Stuttgart – Schocke
11.10.2007 Erfurt – Museumskeller
12.10.2007 Leipzig – Ilses Erika
13.10.2007 Berlin – Festsaal Kreuzberg
15.10.2007 Köln – Gebäude 9
16.10.2007 Mannheim – Alte Feuerwache
18.10.2007 Frankfurt – Das Bett
19.10.2007 Kaiserslautern – Kammgarn
20.10.2007 Potsdam – Spartakus
08.11.2007 Bremen – Stauerei
09.11.2007 Hamburg – Uebel&Gefährlich
10.11.2007 Hannover – Indiego Glocksee
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