Der Titeltrack des neuen Jens Lekman-Albums erzählt die Geschichte einer Scheinehe. Im motor.de-Interview fragten wir beim schüchternen Schweden nach, warum dem so ist und erfuhren, weswegen er manchmal lieber die Koffer packt als sich mit Menschen auseinanderzusetzen.

(Fotos: Kristin Lidell) 

Das vorabendliche Konzert steckt Jens Lekman noch ordentlich in den Knochen: “Seit Tagen schleppe ich eine leichte Erkältung mit mir herum, pumpe mich mit Medikamenten voll und trotzdem geht der raue Hals nicht weg – was wirklich stark auf der Stimme lastet”, gibt sich der lange Zeit wie vom Erdboden verschluckte Songwriter kleinlaut zur Begrüßung und natürlich passt dieser Einstieg bestens zu seiner zerbrechlich-zierlichen Gestalt.

Jens Lekman war nie Freund großer Worte, mit Journalisten schien es ihm stets ein Graus und doch zeigten sich sämtliche Kritiker von seinen Alben bislang begeistert – das letzte ist inzwischen fünf Jahre alt und freilich ist der Grund für die Reise nach Deutschland ein neues Lebenszeichen namens “I Know What Love Isn’t”: Der Titel bestimmt das Programm, denn nur kurz hineingehört, merkt man sofort, dass hier jemand eine ganze Menge Beziehungsarbeit leistete und dies mit viel Selbstvertrauen überstand – “na ja, ganz so ist es nicht”, korrigiert er den ersten Eindruck, “ich gehöre wohl zu der Sorte Mensch, die gut-gelaunte Songs nur schreiben können, wenn es ihnen gut geht. Läuft es mal nicht, male ich die Dinge halt dunkelgrau.” Nicht ohne Humor sind Lekman wundervoll zynische Bilder über die Liebe gelungen, mit Akustikgitarren weich gezeichnet und ordentlich Popappeal abgerundet.

Kein klassisches Trennungsalbum, wohl gemerkt, besticht die Platte eher durch eine ungeheure Leichtfüßigkeit und liefert nur einen kleinen Abriss dessen, was der Macher seit 2007 alles durchmachen musste: Beziehung futsch, Ausreise nach Australien, Party hard bis zum Morgengrauen und Phasen, in denen die eigene Musik so weit weg war, wie die schwedische Heimat selbst. Und doch er hat sich aufgerappelt, Zuversicht gefunden, ist zurückgekehrt – ohne Groll in sich.

Auf die Fragen, wie das alles geschehen konnte, was eine Scheinehe damit zutun hat und warum er kein Interesse mehr an der Musik hatte, nun aber doch “I Know What Love Isn’t” erscheint, antwortet Jens Lekman im motor.de-Interview offen und ehrlich.

Jens Lekman – “I Know What Love Isn’t”

motor.de: Die Musikwelt hat dich wieder – hättest du nach deinem umjubelten “Night Falls Over Kortedala” gedacht, dass es fünf Jahre bis zum nächsten Album dauert?

Jens Lekman: Auf keinen Fall. Ich hatte damals einen guten Run, die Songs gelangen mir erstaunlich flüssig und alles schein daraufhin zu deuten, dass bereits ein Jahr später die nächste Platte kommt. Wie gesagt, Demos gab es genug.

motor.de: Eine gescheiterte Beziehung hat dich zurückgeworfen und alles stillgelegt?

Jens Lekman: Richtig, ich saß irgendwann da, hörte mir die Sachen an und musste ehrlich feststellen: Dieses hypothetische Album könnte gut werden, sagt aber nichts über mein aktuelles Leben aus und genau darum ging es mir immer – der Selbstbezug ist ein wichtiger Teil meiner Arbeit.

motor.de: Im Anschluss hast du dann mehr oder weniger deine Koffer gepackt und bist nach Australien ausgewandert. Weiter weg ging wohl nicht?

Jens Lekman: (lacht) Dort wohnen eine Menge meiner Freunde und ich glaube behaupten zu können, wir Schweden wollen ein komplett anderes Klima, wenn wir auswandern. Es war wirklich toll, ich ging viel aus und bekam den Kopf frei. Songs zu schreiben, klappte zwar nicht, weil sie weiterhin nur aus der Perspektive eines Verlasseneren entstanden wären, aber die neue Umgebung half mir sehr. Abzuhauen war die beste Option.

motor.de: Man ließt im Pressetext zu “I Know What Love Isn’t” sogar, dass du zeitweise keine Gitarre mehr in der Hand hattest.

Jens Lekman: Ja, das fiel mir auch überhaupt nicht schwer – es ist eine Leidenschaft und wenn du nicht dafür brennst, solltest du nichts erzwingen.

motor.de: In einem Vorab-Interview mit Pitchfork stand, dass du in Australien ebenfalls vor dem Altar stehen gelassen wurdest – klingt nach History repeating.

Jens Lekman: Bist du dir sicher, dass du ein Interview mit mir und nicht mit eurem deutschen Torwart Jens Lehmann gelesen hast? (schaut verdutzt)

motor.de: “All the crab doesn’t work out, so we quit” – worum geht es da?

Jens Lekman: Jetzt weiß ich, was du meinst. (erleichtert) Nach einer Weile in Sydney bekam ich erste Brief von der dortigen Einwanderungsbehörde und die fingen an Stress zu machen, was ich vor habe und wie lange mein Aufenthalt noch gehen soll? Damit das aufhört und ich schnellstmöglich ein dauerhaftes Visum bekomme, kam uns der Gedanken, mir eine Scheinehe aufzuhalsen.

motor.de: Wirklich?

Jens Lekman: Es ist nicht so einfach dort als Ausländer offiziell einen Fuß in die Tür zu bekommen und deswegen der waghalsige Plan. Wie verrückt er war, fiel mir auf, als es plötzlich konkret wurde und wir den Termin beim Standesamt hatten: Zwei Jahre musst du die Scheinehe vortäuschen und ich hätte das im Leben nicht geschafft – also beendete ich die Farce und packte meine Sachen Richtung Schweden.

motor.de: Hast du deine Rückkehr irgendwann bereut oder ist Schweden für die Entstehung von “I Know What Love Isn’t” am Ende wichtiger als Australien?

Jens Lekman: Die Umgebung war vertraut und doch neu für mich. Lange genug ging mein Ausflug ja und doch: Ohne mein heimisches Umfeld hätte es wohl noch länger gedauert, bis alles fertig gewesen wäre. So ging es aber ruckzuck und derzeit drängt nichts in mir, Skandinavien erneut zu verlasen: Es ist anders, aber sehr schön.

motor.de: Die Frage sei erlaubt: Wie viel Sarkasmus steckt in den einzelnen Songs?

Jens Lekman: (Lacht) Oh, ganz schön viel, würde ich meinen. Allerdings mache ich mich nicht lustig, sondern betrachte eher die negativen Seiten mit Humor. Das gab es auf meinen Platten ja schon, nur dieses Mal richte ich den Blick auf ein spezielleres Feld: Das Miteinander oder die Liebe, wie man mir unterstellen darf.

motor.de: Trotz aller Gnadenlosigkeit, mit der in manchen Beiträgen darüber gesungen wird, hält sich die Musik recht poppig oben auf.

Jens Lekman: Eine dunkle Endzeitstimmung, wie Leonard Cohen sie auf “Songs Of Love And Hate” erzeugt, liegt mir einfach nicht. (Überlegt lange) Es dauerte eine Weile, bis mir das Essentielle an meiner Situation auffiel – nämlich, die Dinge einfach zu halten: Mach keine großen Sachen, treib Sport oder so und betrachte das Ganze als Herausforderung zur seichten Unterhaltung.

motor.de: Und jetzt ist alles gut?

Jens Lekman:
(nickt) Das Album ist durchzogen von Bildern und alle zeigen, dass es mir wieder besser geht. Ich bin froh keine Platten in den vergangenen Jahren veröffentlicht zu haben, sie wären mit ziemlicher Sicherheit schlecht gewesen – “I Know What Love Isn’t” hingegen ist das, was mir vor Augen schwebte. Was mich glücklich macht und doch muss ich mich jetzt verabschieden, der Hals, die Stimme, du weißt schon.

Text & Interview: Marcus Willfroth

Jens Lekman – Live 2012: 

26.09.2012 Berlin – Postbahnhof
01.12.2012 Frankfurt am Main – Zoom
03.12.2012 München – Freiheiz