Die motor.de-Redaktion zeigt sich positiv überrascht von “Grau”: jona:S überzeugen mit Deutsch-Pop abseits von Befindlichkeits-fixierter Deutschtümelei und dicker Hose.

Dass HipHop nicht zwangsläufig “dicke Hose” bedeutet, wird leider noch immer manchmal verkannt. Über diese simple Erkenntnis hinaus, setzt sich elektronisch geprägte Pop-Musik mit emotional aufgeladenem Sprechgesang jedoch inzwischen auch als essenzieller Bestandteil der Rap-Kultur durch. Die Grenzen zwischen Indie-Pop, gefühlvollem Songwriting und “klassischem” HipHop-Sound verwischen dabei zusehends.

So tritt Clueso schon seit einigen Jahren den Beweis an, dass Texte, die vom Niveau her nicht unter jede Euro-Palette passen, durchaus mit Attitüde und Musik des HipHop Hand in Hand gehen können. Zusätzlich betreibt die Audiolith-Clique um Bands wie Egotronic oder Frittenbude seit einigen Jahren deutschlandweit ihr politisch gefärbtes Party-Unternehmen, welches ebenfalls auf den Crossover von HipHop, Electro und schmissiger Indie-Rock-Tanzbarkeit setzt. Es ist also durchaus nachvollziehbar, warum die junge Gießener (inzwischen: Kölner) Band jona:S an einem gewissen Punkt beschlossen hat, die Ausrichtung auf puristischen Rap aufzugeben und den eindringlich-gefühlvollen Texten ein etwas bunteres Pop-Kleid zu schneidern.

jona:S – “Grau”

Das Ergebnis hat inhaltlich sicher immer noch viel mit den Alltagsbeobachtungen klassischer Rap-Musik zu tun, klingt jedoch von Output zu Output tanzbarer und vielfältiger. Die jüngste EP trägt den Namen “Grau” und umreißt mit der Schlüsselzeile “Schwarz und weiß sind grau und alle anderen Farben auch” gleich einmal, worum es sich in der Musik von jona:S dreht: Darum, den Sinn zu finden, der einer übersättigten Generation zusehends abhanden kommt. Das Diktat der farblichen Tristesse zu überwinden und Musik dazu zu benutzen, alles ein wenig bunter, ertragbarer, schöner zu machen. Tanzen, um zu vergessen, was einen sonst an der Bewegung hemmt. “Die Welt sollte sich bunter gestalten und ihre Farben nicht für sich behalten“, meinten Frittenbude einst zum selben Thema. Die Party-Fixierung von diesen liegt jona:S jedoch etwas fern. Hier regieren melancholische, deskriptive Texte, die mit normativem Anspruch nicht viel am Hut haben.

jona:S – “Grau” (Raffi Balboa Remix) präsentiert von motor.de

Musikalisch wird das Ganze dann auch noch delikat serviert und von einem starken Produzenten-Team, unter anderem mit dem von Marteria-Produktionen bekannten Robert Koch, äußerst ansprechend präsentiert. Wenn jona:S diesen Weg konsequent verfolgen und sich vor allem auch weiterhin mit niveauvoller Textarbeit vom sonstigen, anbiedernden Befindlichkeits-Einheits-Brei abheben, könnte ihnen ein Platz in der ersten Liga deutschsprachiger Pop-Musik winken.

VÖ: 17.06.11

Label: R.D.S.

Tracklist:

01. Grau
02. Allein, zu zwei, zu dritt…
03. Einsatz
04. Geh Nicht
05. Grau (Robot Koch Remix)
06. Mehr, Mehr (Raffi Balboa Remix)