Von den “Goonies” bis zum aktuellen “Milk” war es ein weiter Weg. Im motor.de-Interview spricht Josh Brolin über seine aktuelle Kinopräsenz.

Josh Brolin 1985 in “The Goonies”

Seinen ersten Leinwandauftritt hatte er 1985 in „Die Goonies“, doch es dauerte eine ganze Weile, bis Josh Brolin tatsächlich der Durchbruch gelang. Lange wurde er eher als Sohn von James Brolin („Hotel“), Schwiegersohn von Barbra Streisand oder Ehemann von Diane Lane wahrgenommen als für Filme wie „Flirting With Disaster“, „Mimic“ oder „Hollow Man“. Doch im letzten Jahr platzte endlich der Knoten, mit der Hauptrolle im Oscar-Gewinner „No Country For Old Men“, Auftritten in „American Gangster“, „In the Valley of Elah“ und „Planet Terror“ sowie einer Tour de Force als George W. Bush in Oliver Stones „W.“ (in Deutschland auf DVD erschienen). Nun ist Brolin erstmals für einen Oscar nominiert: für seine Nebenrolle in Gus van Sants Meisterwerk „Milk“, das ab heute in den Kinos zu sehen ist und die Lebensgeschichte des Schwulen-Aktivisten Harvey Milk erzählt.

Josh, Sie spielen in „Milk“ den einzigen Unsympathen, der schließlich dem Helden Harvey Milk zum Verhängnis wird. Fühlte es sich seltsam an, als einziger nicht dazuzugehören?

Brolin: Sicher, irgendwie schon, schließlich fühlte ich mich aufgrund meiner Rolle tatsächlich ein wenig ausgeschlossen. Alle anderen in dieser Geschichte bilden eine Einheit, waren einander verbunden durch ihre Homosexualität und ihren gemeinsamen Kampf. Für Harvey und seine Wegbegleiter war das damals schließlich durchaus eine fantastische Zeit. Natürlich mussten sie gegen viele Hindernisse angehen. Aber jedes Hindernis, das sie gemeinsam niederrissen, sorgte natürlich auch für Euphorie! Jenseits der Charaktere, die wir verkörpert haben, waren aber alle unglaublich nett zu mir, nicht zuletzt Sean Penn.

Josh Brolin und Sean Penn in “Milk”


Pünktlich zur Premiere von „Milk“ stimmte eine Mehrheit der kalifornischen Bevölkerung für eine Abschaffung der erst kurz zuvor eingeführten Homo-Ehe. Hat Sie das überrascht?

Brolin: Ich war geschockt! Damit hätte ich in Kalifornien nie gerechnet. Ich begreife gar nicht, dass Schwule und Lesben in einem Bundesstaat wie Massachusetts heiraten dürfen, aber ausgerechnet die Kalifornier sich da so altmodisch zeigen.

Haben Sie irgendeine Gemeinsamkeit gesehen zwischen diesem Dan White in „Milk“ und George W. Bush, den Sie davor gespielt haben?

Brolin: Da sehe ich absolut gar keine Parallelen! Bush hat eine unerschütterliche Weltanschauung, aber überhaupt keinen Sinn dafür, sich und andere zu hinterfragen. „Psycho Babble“ hat er so etwas ja immer abschätzig genannt. In „W.“ war deswegen überhaupt kein Platz für Freud, für tatsächliche Psychologisierungen. Dan dagegen war ein emotional wirklich hochgradig gestörter Mann, der mit aller Kraft versucht hat, mit seinem Leben und den Umständen klarzukommen. Er war eine gequälte Seele, was ich von Bush nicht unbedingt sagen würde.

Josh Brolin als Bush in “W. – Ein missverstandenes Leben”

Anders als einige „Milk“-Kollegen konnten Sie den Mann, den Sie darstellen, nicht kennen lernen; Dan White hat sich vor vielen Jahren umgebracht. Wie haben Sie sich auf die Rolle vorbereitet?

Brolin: Ich habe mir alle Videoaufnahmen angesehen, die es von Dan gibt. Einige dieser Aufnahmen haben wir für den Film geradezu nachgestellt, was eine ganz andere Herangehensweise war als etwa bei „W.“. Außerdem hatte ich das Glück, einige Leute zu sprechen, die ihm früher nahe standen. Ich kann nicht verraten, wen ich getroffen habe, aber ich hatte das große Glück, eine Tonbandaufnahme seines Geständnisses vorgespielt zu bekommen, die der Öffentlichkeit eigentlich nicht zugänglich ist. Für mich war das unglaublich aufschlussreich! Ich will nicht sagen, dass ich Mitleid mit ihm hatte, schließlich ist es entsetzlich, was er getan hat. Aber letzten Endes habe ich ihn als sehr traurige Gestalt empfunden.

Sind Sie froh, dass Sie nach all den Jahren endlich echte Aufmerksamkeit für Ihre Arbeit als Schauspieler bekommen?

Brolin: Was für eine Frage! Natürlich freue ich mich, dass ich zuletzt wirklich schöne Rollen spielen durfte, die auch vielen Zuschauern gefallen zu scheinen. Doch für mich gibt es da kein „endlich“. Kürzlich fragte mich jemand, ob ich mir wünschen würde, das alles sei früher passiert. Aber weder könnte ich sagen, was „das“ eigentlich sein soll, noch glaube ich, dass mein Timing besonders schlecht gewesen ist. Zum Glück bin ich ein Vater, der gerne Zeit mit seinen Kindern verbringt, deswegen habe ich es nie als schlimm empfunden, häufig nur kleinere Rollen oder auch mal gar nicht zu spielen. Jetzt ist mein Sohn im College, meine Tochter in ein paar Jahren ebenfalls, deswegen ist der Zeitpunkt nun perfekt, auch ein bisschen mehr Auswahl zu haben und größere Rollen zu spielen. Aber glauben Sie übrigens nicht, dass ich nun plötzlich auch mehr Geld habe als früher. Dazu drehe ich leider viel zu oft mit wahren Künstlern, die leider als letztes ans Geld denken (lacht).

Josh Brolin-Interview zu “No Country For Old Men”

Sie selbst haben auch Regie-Pläne, nicht wahr?

Brolin: Oh ja. Ich habe einen Kurzfilm namens „X“ inszeniert, aus dem ich demnächst einen langen Spielfilm machen möchte. Einen Produzenten habe ich schon, aber ich arbeite noch am Drehbuch. Das wird eine sehr skurrile Road Movie-Geschichte über einen Mann, der aus dem Knast kommt und versuchen will, seiner ermordeten Frau doch noch eine ordentliche Beerdigung zukommen zu lassen. Der Kurzfilm war nicht wirklich gut, ich musste ihn extrem billig drehen. Aber die Grundidee ist echt klasse, deswegen bin ich sehr gespannt was daraus wird. Mein Kumpel Robert Rodriguez sagt immer zu mir: “Denk gar nicht drüber nach, mach es einfach!”

Interviewer: Patrick Heidmann