Wenn ein großer Rockstar greifbar wird: Der Nachbericht zum einzigen Deutschlandkonzert Julian Casablancas’.

Elektronische Klänge, dunstartiger Nebel und ein gut gelaunter Julian Casablancas: Der Sänger der Strokes ist am dem Abend des 03. Dezembers frohen Mutes, wirkt trotz Lederbekleidung von Schulter bis zum großen Zeh nicht abgehoben, schüttelt fleißig Hände und erscheint nicht zuletzt wegen dem maximal 500 Leute fassenden Club erstaunlich nah und greifbar. Immer wieder parolisierte “Julian!”-Rufe kontert der 31-jährige US-Amerikaner lässig mit: “Und was ist dein Name?“.

Los geht es mit “Ludlow Street”, bei dem sich sofort ein schwerer Soundbrei auf das Publikum legt. Ob das nun von der Location abhängt oder von dem unkoordinierten Gewusel an den Instrumenten, bleibt offen. Als er mit seiner Live-Band im Rücken daraufhin seine drei besten Ässer “River Of Breaklights”, “Out Of The Blue” und “11th Dimenson” gleich zu Beginn ausspielt, scheinen die Fans etwas ratlos. Verwirrte Blicke mit einem unsichtbaren Fragezeichen, was bei gerade einmal acht Songs seines Debüts “Phrazes For The Young” noch Großes kommen mag. Doch die Zuschauer haben nicht mit der Raffinesse von Herrn Casablancas gerechnet.

Ein paar Songs und auch B-Seiten später fährt der Sänger mit einem Urgestein eines Strokes Songs auf: “I’ll Try Anything Once”, entgegen vieler Annahmen keine verquere Entstellung des Songs “You Only Live Once”, sondern die Demo-Version des eben genannten Titels (erschienen auf der EP “Heart In A Cage”). Das Publikum wandelt sich für einige Momente in eine homogene, einstimmige Masse, die jede Zeile aus dem letzten Winkel des Gedächtnisses kramt und mit vollem Herzen den Background-Chor mimt. Der Höhepunkt des Abends! Endlich kommt die Stimme von Mr. Casablancas ohne den jeden schönen Ton zerschmetternden Brei daher, eine Ballade – Julian und eine Gitarre. Ein echter Rockstar ist nur dann einer, wenn er die Regler im richtigen Moment auch mal herunter zu schrauben weiß.

Allen Erwartungen entgegen scheint Julian Casablancas doch nicht so groß zu sein, wie er sich hinter seiner Sonnenbrille gibt: ein kleines Konzert mit überteuertem Preis, überwiegend waberndem Soundbrei und trotzdem – etliche Gäste scheuten nicht einmal die Anreise aus Bulgarien oder Italien. Gelohnt hat es sich, nicht zuletzt, weil Julians Stimme an diesem Abend kaum schlagbar war. Live wirken die Stücke seiner Solo-Platte nicht ganz so klar, aber etwaige Unannehmlichkeiten verwischt der Strokes-Sänger durch verschmitzte Raffinesse, Witz und Charme und hinterlässt dem Publikum nach knapp einer Stunde Action einen Hauch federleichter Melancholie in der Luft.

Elli Eberhardt