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José González und Tobias Winterkorn über kreative Freiheit, Inspirationen, endlose Jam-Sessions und die Eigenarten des Musikjournalismus.
Wohnzimmer meets Menge – Junip im Leipziger Centraltheater
Als Junip in diesem Jahr mit ihrer zweiten EP „Rope and Summit“ international auf sich aufmerksam machen, hieß es an jeder Ecke, Junip sei die neue Band von José González. Dabei stimmt das gar nicht: Junip existiert schon seit mehr als zehn Jahren. In dieser Zeit war die Band zwar weitgehend inaktiv, aber nie vollkommen tot. Im Weg standen Junips Durchbruch neben González’ Solo-Karriere auch die ausgefüllten Leben der anderen beiden Bandmitglieder. Seit dem 10. September 2010 steht mit „Fields“ nun das Debütalbum der Schweden in den Plattenregalen. Die Kritiker schlagen Radschläge vor Begeisterung, González und Friends bleiben locker. motor.de traf Tobias Winterkorn und José González kurz vor ihrem ausverkauften Konzert im Leipziger Centraltheater.
motor.de: José, ihr habt zwei Jahre lang an eurem Album „Fields“ gearbeitet. Könnt ihr euch die Songs nach so langer Arbeit noch anhören?
José González: Ja, ich höre sie gerne und mag sie immer noch, aber es macht noch mehr Spaß, sie live zu spielen, als nur zuzuhören.
motor.de: Zehn Jahre habt ihr als Band zusammen gespielt, bevor ihr euer Debüt veröffentlicht habt. Ich weiß, die Frage wird dir sicherlich oft gestellt, aber wieso hat es so lange gedauert?
José: Ich glaube, dafür gibt es viele verschiedene Gründe. Obwohl wir schon vor zwölf Jahren angefangen haben, waren wir die meiste Zeit ziemlich inaktiv. Wir haben um 2000 herum ein bisschen gearbeitet. Da haben wir eine Seven Inch releast und ein Album aufgenommen, das wir aber nie veröffentlichten. Es ist nie wirklich viel passiert mit der Band und dann bin ich an die Uni gegangen, Elias hat sein Kunststudium in Finnland und Norwegen begonnen und Tobias hat als Lehrer gearbeitet. Dann hab ich mit dem Touren angefangen. 2005 haben wir es nochmal probiert. Da hatten wir aber nicht genügend Songs für ein Album und ich bekam plötzlich sehr viel Aufmerksamkeit durch meine Solo-Sachen. Ich bin damals auf Tour gegangen und habe mein zweites Soloalbum veröffentlicht. Und irgendwann dachten wir uns: „Lass uns das jetzt machen, oder einfach aufhören!“
motor.de: Wie habt ihr die Platte entwickelt? Sind auf „Fields“ auch ein paar ganz alte Tracks, die ihr nur auf neue Art aufgenommen habt oder findet sich nur völlig neues Material auf eurem Debüt?
José: Nein.Wir haben uns entschieden, alles hinter uns zu lassen und so zu tun als wären wir eine neue Band. Das sind also alles neue Lieder auf „Fields“. Wir haben uns auch vorgenommen, nicht alles als Trio zu machen. Heute sind wir zum Beispiel fünf Leute auf der Bühne. Wir haben noch einen Basser und einen, der Congas und Percussion spielt. Für mich fühlt es sich also an wie eine neue Band, nur eben mit den gleichen Typen und demselben Namen
motor.de: Wenn man sich „Fields“ anhört, fühlt es sich an, als würde man Junip während eines Jams beiwohnen. Gleichzeitig klingen die Tracks größtenteils sehr strukturiert. Wie habt ihr diese Mischung hinbekommen?
José: Wir haben sehr viel gejammt und alles aufgenommen. Dann haben wir den Kram rausgesucht, der sich interessant angehört hat. Aber wir haben uns auch viel Zeit für die Produktion der meisten Songs genommen. Vielleicht sind ein oder zwei Songs komplett in einer Jam-Session entstanden, aber die meisten Tracks haben wir wieder und wieder aufgenommen und produziert. Ich glaube, deswegen haben viele Songs dieses lineare Feeling.
motor.de: Für dein persönliches Gefühl, die kreative Atmosphäre oder die künstlerische Freiheit – gibt es große Unterschiede zwischen Junip und José Gonzalez solo?
José: Ich habe das Gefühl, dass mit Junip alles ein wenig freier ist. Mit meinem Solo-Kram war ich immer sehr eingeschränkt. Da war eben nur ich selbst und die Gitarre. Mit Junip haben wir uns ein bisschen gefühlt, als wäre alles möglich. Schon allein der Fakt, dass ich Congas, Synthies und Bass gespielt habe, hat in mir so etwas wie einen kreativen Boost verursacht..
motor.de: Inwiefern inspiriert ihr euch gegenseitig?
José: Wir haben alles zusammen geschrieben. Rumhängen, Schreiben und Aufnehmen, das ist alles Inspiration.
Junip – Always
motor.de: Im Gegensatz zu deinen Bandkollegen ist dein Name schon ziemlich bekannt. Aber was ist mit den anderen Menschen hinter Junip? Tobias, ich habe gehört, dass du eine recht laute Vergangenheit hast. Vor längerer Zeit hast du in deiner Hardcore-Band namens Ultimate Concern gesungen. Spielen diese Hintergründe eine Rolle?
Tobias: Auch wenn ich glaube, dass die Hardcore-Bewegung für uns heute – für mich in meinen Mitt-Dreißigern und José in seinen frühen Dreißigern – keine Rolle mehr spielt, war das ein toller Weg, zueinander zu finden. Die Hardcore-Szene war sehr sehr groß in Schweden. Vor allem in West-Schweden, wo wir beide herkommen. Für mich war das einfach schön, viele Leute kennen zu lernen. Es kamen immer viele Menschen zu den Shows und es gab viele Fanzines. Das war immer eine großartige Abhäng-Zeit. Außerdem war es einfach, Shows zu spielen, denn die meisten Menschen, die in Hardcore-Bands gespielt haben, konnten gar keine Musik machen. (lacht)
motor.de: Irgendjemand hat mal gesagt: “Es sind die schlechten Zeiten im Leben, in denen die besten Songs entstehen.” Wie sieht es da mit euch aus? Die guten oder die schlechten Zeiten – was inspiriert euch mehr? Ist es überhaupt möglich, das so zu trennen?
José: Ich glaube, das ist Geschmackssache. Was ist schon ein guter Song? Ein Lied wie „Love Will Tear Us Apart“ ist bestimmt nicht in der besten Zeit eines Lebens entstanden. Für uns ist es aber nicht wichtig, schlechte Erfahrungen zu machen, um Musik zu schaffen.
Tobias: Nein, nein. Wir jammen viel zusammen und ich glaube nicht, dass irgendeine Stimmung unsere Sounds beeinflusst. Wenn ich mich schlecht fühle und Elias und José gut drauf sind, bin ich mir ziemlich sicher, dass mein Gefühl sich nicht auf unseren Sound auswirkt.
José: Ich glaube, das spielt eine Rolle, wenn du Lyrics schreibst. Außerdem kommt es auch darauf an, in welchem Stil du deine Lieder schreiben willst. Wenn du einen Heartbreak-Song komponierst, dann fällt dir das Schreiben vielleicht leichter, wenn du dich mitten in der Krise befindest. Aber wenn du ganz einfach Folk machen möchtes, ist es wahrscheinlich sehr schwierig, wenn du dabei todtraurig bist.
motor.de: Was tut ihr gegen unkreative Momente? Habt ihr überhaupt welche?
Tobias: Ohja. Wir haben ziemlich viele unkreative Phasen. Dann nehmen wir uns meistens ein paar Tage frei. (lachen)
José: Wenn wir an etwas arbeiten, lassen wir es manchmal einfach liegen und tun etwas völlig anderes. Und wenn es mit den Lyrics nicht klappt, gehe ich meistens auf irgendwelche Webseiten und suche nach Gedichten, lese und lese oder sehe mir einen Film an. Spazieren gehen funktioniert auch meistens ganz gut.
motor.de: Gibt es auch irgendwelche speziellen Bands oder Künstler, die euch inspirieren?
José: Ja, sehr viele verschiedene.
Tobias: Sehr interessant ist, dass sich unsere Musikgeschmäcker alle in eine ähnliche Richtung entwickelt haben, obwohl wir so lange voneinander getrennt waren. Wir haben uns da überhaupt nicht auseinander entwickelt. Wenn José mir neue Musik vorstellt, die ihm gefällt, mag ich die meistens auch.
motor.de: Eure EP „Rope and Summit“ hat unter anderem bei Pitchfork ziemlich gut abgeschnitten. Legt ihr Wert auf solche Dinge?
Tobias (zögernd): Wenn ich eine Rezension lese, die gut für mich ist, bin ich nicht traurig darüber. Natürlich fühlt sich das toll an. Aber das Wichtigste ist, dass wir stolz auf unsere Musik sind. Also sollte es uns eigentlich nicht interessieren, was wir lesen. Aber ich muss ehrlich sein, natürlich macht es mich sehr sehr glücklich, so etwas auf Pitchfork zu lesen. (lacht)
José: Es ist immer nur der Geschmack einer einzelnen Person, der in einer Rezension eine Rolle spielt. Wenn dieser Mensch etwas Gutes schreibt, freue ich mich und wenn er etwas Schlechtes schreibt, denke ich mir eben „Geschmäcker sind verschieden“. Ich finde nicht, dass man sich über so etwas zu viele Gedanken machen sollte.
Tobias: Ja, das ist das merkwürdige an Journalisten. Die beschreiben immer nur ihren eigenen Musikgeschmack. Es ist klar, dass man nie objektiv sein kann, aber ich finde, jeder Musikjournalist sollte über seine Rezension schreiben „Dies ist mein Geschmack!“ Außerdem sollte es eine Website geben, auf der man selbst die Rezensionen der anderen rezensieren kann. (lacht)
motor.de: Eure EP „Rope and Summit“ konnte sich jeder kostenlos im Netz herunterladen. Warum habt ihr euch diesen Weg ausgesucht? Seid ihr Freunde von freier Musik?
José: Ich denke, ein Aspekt ist, dass wir eine „neue“ Band sind. Das war ein guter Weg, unsere Musik bekannt zu machen. Aber es waren unsere Labels, die sich dazu entschieden haben. Wir freuen uns, damit so viele Menschen wie möglich erreicht zu haben.
Tobias: Ich glaube, das war so etwas wie ein Neuanfang für Junip. Wir wussten, dass wir ein Album herausbringen werden und wollten die Menschen irgendwie auf uns aufmerksam machen. Es wäre einfach nicht richtig gewesen, die Leute dafür zahlen zu lassen. Wir hoffen einfach, dass man das zu schätzen weiß und später auch für unsere Musik zahlt, wenn sie gefällt. Man kann kostenlose Songs ja auf vielfältige Weise nutzen und hoffentlich zahlt sich das am Ende irgendwie aus.
José: Ich glaube auch, dass wir uns gerade mitten im Umbruch befinden, was Technik und Musik angeht. Man sollte Downloads und freie Musik einfach so nutzen, dass man ein paar Songs kostenlos abgibt und einige verkauft. Wir werden schon sehen, was dann daraus wird.
motor.de: Was können wir von Junip in naher Zukunft erwarten? Sind schon neue Junip-Songs Arbeit?
José und Tobias: Yeah! (lachen)
Tobias: Wir sitzen schon an neuen Liedern. Die sind zwar noch nicht fertig und es sind auch nicht viele, aber wir wollen innerhalb der nächsten drei Jahre ein paar neue EPs und ein zweites Album veröffentlichen.
José: Vielleicht auch in den nächsten zwei Jahren. Du Pessimist! (lacht)
Tobias (lachend): Ja, vielleicht auch schon in zwei Jahren. Wenn wir aber sagen, unsere neue Platte kommt in drei Jahren und wir sind schon nach zwei Jahren damit fertig, dann sind wir sicher.
Text: Lydia Meyer
Bilder: Alex Beyer
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