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Paula

Nach langer, intensiver Aufbauarbeit könnte die Zeit endlich reif sein. Gestatten: Mit Liebe gezüchteter Fuldaer Deutschpunk oder einfach nur “Kafkas”.

Seit 14 Jahren machen die Kafkas nun schon zusammen Musik – ein gutes Fundament, um jetzt den Schritt zu tun, der sie berühmt machen soll. Mit dem fünften Album namens „Paula“ orientieren sich die Hessen stärker in Richtung Pop.

„Klatscht in die Hände, der Alptraum ist zu Ende!“
, so der Refrain-Text des Openers der neuen Platte. Welcher Alptraum? Der Alptraum nicht das zu ernten, was man mühsam gesät hat? Zumindest arbeiten die Kafkas nicht erst seit gestern daran, sich im deutschen Sprachraum zu etablieren. Mit mindestens 50 bis 80 Konzerten pro Jahr spielten sie sich schon in die Herzen vieler Deutschpunk-Freunde, von einem homogenen Fankreis kann jedoch nicht die rede sein: „Unser Publikum ist generell sehr bunt gemischt. Es ist keine spezielle Szene oder Altersgruppe, die unsere Musik zu mögen scheint“, so Frontmann Markus Gabi Kafka. Nach 14 Jahren Bandgeschichte unter Umständen nicht verwunderlich. Sind doch die Teenies, die 1995 zu ihrem Album „Hypochonder“ Pogo tanzten nun im besten “Elternalter” und neue Hörer könn(t)en nachrücken. Ihr altes Publikum scheint, laut Frontmann Markus, schon mal nicht unzufrieden mit der weniger punkigen „Paula-Platte“: „Viele gestanden sogar, eigentlich auch ganz gerne mal Pop zu hören.“

Wenn auch die Klänge etwas glatter geworden sind, so hat sich nichts am Profil der Kafkas geändert. Ihr Motto “We support a vegan/vegetarian lifestyle and we HATE rascism, fascism and sexism!!!” ist immer noch aktuell und prangt ganz vorne auf der Homepage ihres selbstgeführten Labels „Domcore“. Entsprechend ist die radikale vegane bzw. vegetarische Einstellung mit dem dazugehörigen Idealismus noch nicht verblasst: Sänger Markus gibt nach wie vor vegane Kochkurse an der Volkshochschule. Die davon ausgehenden Songs wie „Vegetarier können nicht tanzen“ oder „Ihr Blut ist unser Geschäft“ tun ihr Übriges.

Auch mit anderen politischen Aussagen wie: „Warum kann die Welt keine Scheibe sein. Wir wohn‘ oben, ihr wohnt unten. Könnten glücklich sein. Ich will nicht viel nur eine andere Welt.“ erinnern sie an ihre Punkwurzeln, sind jedoch nicht mehr so provokant wie früher. „Unsere Inhalte sind vielen von unserer Hörerschaft wichtig und da haben wir uns vielleicht etwas verbreitert, aber nicht abgewendet von unseren Standpunkten.“ Mit dieser Haltung in Kombination mit dem Sound reihen sich die „Punkrocker ohne Nietenlederjacke“, wie sie schon früher genannt wurden, hinter Bands wie Kettcar, Tomte oder Muff Potter ein.

Auch die Selbstironie hat die Band nicht verloren. In ihrem aktuellen Video zu „Klatscht in die Hände!“ wird nicht nur die Volksrepublik China auf die Schippe genommen: „Ich hatte in der Vergangenheit einfach keinen Zugang zu Musikvideos gefunden“, so Markus. „Ich hatte Bedenken, dass es so ein Klischee-Video werden könnte […], als wäre man von Dieter Bohlen höchstpersönlich gecastet worden.“

Die Kafkas sind jedoch alles andere als eine Castingband. Selbständig bauten sie ihr eigenes Plattenlabel auf und produzierten das massentauglichere „Paula“ komplett in Eigenregie. Lediglich das Booking gab die Band an „Proton“ ab. „In erster Linie lag das daran, dass ich mich einfach nicht mehr um alles alleine und gleichzeitig kümmern kann. Ich möchte zwischendurch auch mal Musik machen und nicht nur irgendwelche Päckchen packen und Buchhaltung machen!“
Und das ist auch gut so. Mit dem neuen Album rühren sie mit tatkräftiger Unterstützung zahlreicher Promo-Partner die Werbetrommel und wollen nach 14jährigem Bestehen nun die Früchte ihrer langen Aufbauarbeit ernten.

Florian Kroha

VÖ: 16.04.2010

Label: Domcore

Tracklist:
01. Klatscht In Die Hände!
02. Deine Lippen Schweigen
03. 90 Minuten
04. Leben Ist Gut
05. Wenn Es Eine Hölle Gibt
06. Ich Will Kein Kumpel Von Euch Sein
07. … Wenn Ich Mal Ein Tattoo Habe
08. Die Götter Versagen
09. Hell Oder Dunkel
10. Der Kuchen Ist Gegessen
11. Zwei Hände Reichen Nicht
12. Warum Kann Die Welt Keine Scheibe Sein?
13. Irgendwas Ging Schief
14. 2000 Hände
15. Nur Noch Eine Raste

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