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Kakkmaddafakka im Interview

Als in der Redaktion das erste Mal das aktuelle Kakkmaddafakka-Album lief, muss ich gestehen, habe ich Ozeane gelacht, vergleichbar mit meinem ersten K.I.Z.-Erlebnis im Player. K.I.Z. ist auf all den Wald- und Wiesengigs verblödet. Kakkmaddafakka sind auf "Six Months Is A Long Time" immer noch scheiße lustig. Was die Jungs über Eifersucht, Liebe und die Gerüchteküche der Kleingroßstadt Bergen zu berichten haben, ist an kühler Phantasterei nicht zu überbieten. Wart ihr schonmal in Bergen? Da gibt es einen kleinen Bahnhof, auf dem man nach seiner Gebirgsfahrt von Oslo kommend strandet, draußen ein paar laue Mittsommerecken, Gassen, Kneipen und Eigenheime an Berghängen, ach ja und das Meer spült einen fotogenen Fjörd in die abendrote Bucht. Soweit das Klischee. Aus dieser Stadt kommen die Nordmänner nun angejettet. Findet ihr es auch komisch, bei skandinavischen Bands immer von Nordmännern und Wikingern zu lesen? Wikinger fliegen nicht. Spart euch den Rest. Liebe Leser, lest Texte kritischer. Ihr werdet jetzt nämlich auch nicht von mir hören, dass die Kakkmaddafakka-Brüder Axel (Gitarre, Gesang) und Pål (Cello, Gesang) in Wirklichkeit ganz nette, einfache Jungs, wie du und ich sind. Erstens weiß ich nicht, wer DU bist, und zweitens sind sie alles andere, als die normalen lustigen Labertaschen von Nebenan.

(Fotos: John Sauter)

Axel sitzt auf einer Leder-Couch mit barocken Rundungen im Konferenzraum verspannt vor dem Rechner. Er tippt und tippt und tippt. Emails, Web checken, Kontakte halten. "Hallo?", er blickt kurz auf, "Hi", dann kommt Pål ins Zimmer, hochgewachsen. Hat den gleichen zielstrebigen Blick wie sein Bruder. Er beginnt zu reden, beherrscht den Smalltalk, den man vor Interviews so führt. Axel starrt weiter auf den Bildschirm, tippt, hört aber so aufmerksam zu, dass er immer Ergänzungen zu den Halbsätzen seines Bruders hinzufügt. Tag-Team Kakkmaddafakka. Dann läuft scheppernde Musik aus dem Laptop.

motor.de: Burzum?

Axel: Was, du kennst seine Musik?

motor.de: Natürlich. Ich bin in den Neunzigern mit all den Magazinen aufgewachsen, die Norwegen und Bergen als eine Art Vorhölle stilisiert haben.

Axel: Oh, du kennst dich aus mit Musik. Soll ich dir mal was erzählen?

motor.de: Ja.

Axel: Ein Bekannter von uns, der hat Varg mal zum Karatetraining mitgenommen. Varg muss das Böse in sich haben. Ohne Scheiß. Der hat gekämpft, als wöllte er seinen Gegner töten. Hier hör mal, kennst du den Song?

motor.de: Dunkelheit.

Pål: Ja mann, es geht so atmosphärisch los, und dann dieser Riff. Unglaublich.

motor.de: Ihr hört Black Metal?

Pål: Klar. Gorgoroth, Satyricon.

Axel: Natürlich. Wir kommen aus Norwegen.

motor.de: Aber heute, wisst ihr, das Internet hat das alles ein bisschen kaputtgemacht, ich meine man dachte doch damals "krass, diese Typen" und konnte eine Welle schieben mit Shirts, wo niemand die Band kannte, haha, und heute kennt jeder durch Youtube alles… pff.

Pål: Ja, und diese albernen Bemalungen, du Axel, malt sich Satyr noch an?

Axel: Ich denke nicht.

Pål: Doch.

Axel: Nein.

Pål: Doch, er malt sich noch an.

Axel: OK, aber er macht phantastischen Wein.

motor.de: Wie bitte, er macht Wein?? Kann man den denn kaufen?

Pål: Den kann man im Internet kaufen.
 

motor.de: Das Internet.. Immortal machen so phantastische Musik, aber diese Youtube-Videos. Pandabären in Ritterrüstung.

Pål: Ja!!! Dieses doofe Corpsepaint. Keine Kunst.

motor.de: Das Plattencover von "Six Months Is A Long Time" ist aber sehr künstlerisch, oder?

Pål: Es ist ein wunderschönes Bild von William Hodges. Eine Malerei, mit der er seine Tochter Anna Hogdes porträtiert hat. Sie sieht darauf unglaublich hip aus. Deswegen haben wir das Bild ausgesucht.

motor.de: Ich hätte nicht erwartet, solch große Freunde der Kunstgeschichte vor mir zu haben…

Pål: Wir machen ja auch Kunst.

Axel: Ja. Wir nennen uns nur nicht Künstler, aber wir machen Kunst.

Pål: Ich für meinen Teil liebe es, abends zu malen.

motor.de: Welcher Art sind diese Bilder?

Pål: Ich male figurative Bilder.

motor.de: Ich hätte dich als Abstrakten eingeschätzt.

Pål: Es kann auch etwas abstrakter werden, ja. Ich versuche aber darauf zu achten, dass es immer ETWAS ist. Komplett abstrakt wird es nie. Mich ermüden diese ganzen Abstrakten. Es ist nicht so, dass ich sie nicht mag, aber…

motor.de: Welche Maler gefallen euch denn?

Pål: Ich mag Edvard Munch sehr.

Axel: Picasso. Weil er immer irgendetwas Figuratives in seinen abstrakten Werken hatte. Er hat immer etwas gesagt mit seinen Bildern.

motor.de: Schmiert auch bei euch der Alkohol den kreativen Prozess?

Pål: Nein, er spielt nicht so eine starke Rolle, aber wenn du einen kleinen Hangover hast, ist es schon einfacher, wieder besser drauf zu sein..

motor.de: Ihr geht also in der Regel klar ins Studio? Das hätte ich nicht gedacht.

Axel: Doch, das tun wir. Du kannst nicht betrunken aufnehmen. Das wird beschissene Musik.

motor.de: Wie kommt ihr denn zu solchen epischen, jahrzehntumwälzenden und die ganze Indierockindustrie alt aussehen lassenden Zeilen im Stile von „I’m just a jealous Motherfucker alone“?

Pål: "Someone New" ist ein universaler Song, ein allumfassender Song darüber allein zu sein. Oder wenn du ein Hund bist… und dein Besitzer legt sich einen neuen Hund zu, auch dann würdest du singen: „You got someone new – uhuhuhu“. Das ist ja kein großes, intellektuelles Ding, selbst Hunde können das fühlen.

motor.de: Geht ihr eigentlich mit ernster Miene ins Studio, um euch voll auf die Musik zu konzentrieren?

Axel: Ja.

Pål: Natürlich.

motor.de: Ihr blödelt also nicht die ganze Zeit rum?

Axel: OK, das tun wir.

Pål: Ja. Aber die Musik ist sehr ernsthaft. Wir versuchen so gute Musik zu machen, wie wir können.

motor.de: Wo hört man eure Musik am besten. Im Bett, im Auto oder einfach in einem Feld voller Blumen und Liebe?

Axel: Äh…

Pål: Wo immer du unsere Musik hören willst, ist unsere Musik gut. Ich liebe es zum Beispiel, Musik in der Dusche zu hören.

motor.de: Und du singst in der Dusche.

Pål: Selbstverständlich.

motor.de: Inklusive Tanz-Moves?

Pål: Nein, ich tanze nie in der Dusche, das ist mir zu gefährlich. Wir haben schon ganz viele Verletzungen, wir skaten nämlich [beide stehen auf und zeigen mir verschiedenste Narben an ihren Armen und Beinen, von Metalschrauben in Körpern ist die Rede und dann deutet Axel mit zwei Fingern auf ein knorpelartiges Kissen an der linken Seite seines Beckens in Höhe des iliac crest, das ich anfassen SOLL]

motor.de: Alter (!!!???!!), was ist das??!

Axel: Ein Schutzschild. Das hat mein Körper gebildet, weil ich immer wieder auf die selbe Stelle gekracht bin. Fass es ruhig an. Fühl mal.

motor.de: Das bewegt sich..

Axel: Ja, abgefahren, was?

motor.de: Tragt ihr denn harte und blutige Kämpfe aus, wenn es um's Songwriting geht?

Pål: Nicht blutig. Aber wir kämpfen.

Axel: Oft.

motor.de: Wer gewinnt diese Kämpfe?

Pål: Die Band.

Axel: Der Song.

Pål: Die Band, äh, der Song.

Axel: Die Band.


Pål: Also, es ist so, dass…

Axel: Wir haben unsere Band Kakkmaddafakka genannt, denkst du wir geben auf irgendetwas einen Fick?

motor.de: DAS weiß ich nicht.

Pål: Wir geben einen Fick auf Sachen, die wichtig sind. Auf unwichtige Sachen geben wir dann keinen Fick.

motor.de: Das klingt einleuchtend. Wer ist denn der größte Fickgeber, der nervigste Band-Dude – der, der immer Pupsgeruch im Tourbus verbreitet, schnarcht und übellaunig ist?

Axel: Jeder von uns nervt.

motor.de: Mögt ihr es denn zu touren?

Pål: Ja, sehr.

motor.de: Logisch. Was war das krasseste Live-Erlebnis?

Axel: Life?

motor.de: Live.

Axel: Du meinst in Real-Life?

motor.de: Nein, auf der Bühne, aber erzähl mir doch lieber das andere.

Axel: Das weiß ich nicht.

Pål: Doch!! Wir haben einmal fast Tony Hawk getroffen.

Axel: Ja!

Pål: Wir hatten ein Radiointerview und hatten danach zwei Tickets, um Tony Hawk zu treffen. Er ist ein sehr großes Idol von uns. Aber wir mussten dann gleich weiter in eine andere Stadt, noch ein Interview geben. Verdammt. Es war trotzdem großartig, dass wir ihn FAST getroffen hätten.

Axel: Ja, großartig. Wir sind echte Skate-Junks. Wir nehmen unsere Boards auch mit, wenn wir auf Tour sind. Und wenn wir mal eine Stunde nichts zu tun haben, geht’s los.

motor.de: Hier in Berlin auch schon?

Pål: Nein.

Axel: Ich war mit dem Board schon hier unterwegs.

Pål: Ich habe es definitiv vor, hier gibt es ja viele schöne Spots. Hier gleich um die Ecke ist doch einer, Alex, oder? Da vorn, wo die Straße sich aufteilt und dazwischen Platz ist.

Axel: Ja, dort ist es super.

motor.de: Sagt mal, Bergen ist doch nicht groß, lasst ihr euch eigentlich stark von Kumpels aus anderen Bands beeinflussen? Andere Medien feiern euch ja als Verkünder einer neuen skandinavischen Indiewelle..

Axel: Nein, das ist Quatsch.

Pål: Nein, wir machen Musik, die keiner macht. Hast du unser Album gehört??

motor.de: Was denkst du denn, dass ich zum Interview komme, und euer Album nicht gehört habe?

Alex: Viele machen das.

motor.de: Ich nicht.

Alex: Gut.

Pål: Wir sind schon irgendwie Teil des Bergen-Movements. Aber unsere Musik unterscheidet sich schon sehr von dem, was die anderen Bands tun.

motor.de: Was sagt ihr Menschen, die eure Musik nicht mögen?

Pål: Wenn ihr unsere Musik nicht mögt, dann hört sie bitte nicht.

Alex: Es gibt bei Youtube Leute, die uns als schwul bezeichnen. Ich bin nicht schwul, aber na und? Ich sehe das nicht als Beleidigung. Was ist bitte schlimm daran. Aber wenn das deren Art ist, uns zu beleidigen. Bitte. Denkt, was ihr wollt.

motor.de: Ihr lest wirklich Youtube-Comments?

Alex: Natürlich.

Pål: Ich finde aber nicht, dass es so viele Hater gibt, die positiven Feedbacks überwiegen ja. Wir haben ganz andere Probleme.

motor.de: Welches Verhältnis hat man als Skater zu den Cops?

Pål: Kein Gutes.

Axel: Wir mögen die Polizei nicht. In Norwegen ist die Polizei ein echtes Problem. Das liegt zum großen Teil daran, dass jeder Trottel Polizist werden kann und auch daran, dass sie nicht gut bezahlt werden. Polizist zu sein ist also kein echter Status. Sie sind dementsprechend mies drauf.

Pål: Dazu kommen eine Reihe an Pseudocops. Ja, die sind noch mehr Scum. Private Sicherheitsdienste in Uniform. Echt unangenehm. Überall Uniformen, das ist beängstigend.

Axel: Die nerven nur. Soviele Leute sitzen wegen irgendeinem sinnlosen Scheiß im Knast.

Pål: Und wenn es wirklich drauf ankommt, versagen die Sicherheitskräfte. Der 22. Juli war ein schlimmer Tag, und nach der Untersuchung hat sich rausgestellt, dass die Polizei keinen schlechteren Job hätte machen können.

Axel: Als sie vor Ort ankamen, hatten sie ja nichtmal ein richtiges Boot, um auf die Insel zu gelangen. Sie hatten keinen Helikopter.

Pål: Das Fernsehen hatte einen Helikopter..

John Sauter

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