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Kommerzieller Suizid – Kashmir im Interview

Seit fast 20 Jahren gibt es Kashmir inzwischen, in ihrem Heimatland Dänemark sind sie Superstars. Und bei uns?

Gleich mehrere Grammys und goldene Schallplatten stehen bei Kashmir zu Hause in den Regalen. Daneben ihre fünf Alben. Die Dänen haben sich immer Zeit gelassen, deshalb auch die schmale Ausbeute in fast zwanzig Jahren Bandgeschichte. Grund genug, Keyboarder Hendrik Lindstrand und Sänger Kasper Eistrup auf den Zahn zu fühlen.

motor.de: In Dänemark seid ihr Superstars, in Deutschland habt ihr noch immer die Rolle als Geheimtipp inne.

Hendrik: Unsere Karriere zu erklären ist schon etwas schwierig für uns. In Dänemark sind wir sehr populär, haben viele Fans und spielen vor tausenden Menschen. Wir finden es aber sehr inspirierend, dass wir außerhalb der nordischen Länder als Indie-Act wahrgenommen werden. Wir haben tolle Erfahrungen gesammelt, als wir zum Beispiel in Deutschland durch kleinere Clubs getourt sind. Ich denke schon, dass wir eine sehr loyale Fanbase in den meisten europäischen Ländern haben, aber eben nicht so groß wie in unserem Heimatland.

Kasper: Wir sind vielleicht bei MTV oder ähnlichen Formaten nicht sehr präsent, aber es ist uns möglich in ganz Europa auf Tour zu gehen und dort in relativ großen Venues zu spielen. Klar fänden wir es super, wenn wir überall vor 6000 Menschen spielen würden und Unmengen an Alben verkaufen würden, aber daran arbeiten wir. Bei uns dauert alles immer seine Zeit. Wir nehmen uns Pausen voneinander, von der Band und der Musik. Deshalb haben wir auch fünf Jahre gebraucht, bis wir “Trespassers” gemacht haben. Wir müssen neue Energie tanken, neue Perspektiven für uns finden – dann können wir uns wieder treffen und ein neues Album aufnehmen. Das ist eigentlich kommerzieller Suizid. Wenn wir alle 1 ½ Jahre ein Album veröffentlicht hätten, würde wir stetig Alben verkaufen und in der Presse präsent sein, so ist es jedes Mal wie ein Neustart für uns.

motor.de: Vor wie vielen Menschen spielt ihr in Dänemark?

Hendrik: Das kommt darauf an. Im April werden wir auf eine Clubtour gehen. In Kopenhagen haben wir das Vega, in das 1500 Leute passen, innerhalb von vier Minuten ausverkauft. Inzwischen sind drei Konzerte hintereinander dort ausverkauft.

motor.de: Nächste Jahr feiert ihr als Band euer 20 Jähriges bestehen. Plant ihr etwas Besonderes zu diesem Anlass?

Kasper: (singt) “It was 20 years ago today…” (Sgt Peppers Lonely Heart Club Band- The Beatles)
Hendrik: (lacht) Vielleicht eine “Greatest Hits Farewell Tour”
Kasper: Wir haben bisher nichts geplant. Für uns fühlt es sich auch noch gar nicht so lange an und wir fühlen uns auch nicht alt. Als wir damals begannen, waren wir 16 Jahre alt. Wir waren im Grunde noch Kinder. Und jetzt, 20 Jahre später gibt es uns noch immer. Wie ich vorhin schon erwähnt habe, wir brauchen die langen Pausen zwischen unsere Alben, vielleicht fühlt sich die gemeinsame Zeit deshalb nicht so langen an. Aber ich glaube, dass das uns als Band auch gerettet hat.

motor.de: Wenn ihr zurückblickt: was war der Beste und was der Schlimmste Moment für Kashmir?

Kasper:
Es sind so viele großartige Sachen passiert, aber was mir spontan einfällt, ist unser Konzert im Flugzeug, das wir im Rahmen unserer Banddokumentation “Rocket Brother” gespielt haben. Eine halbe Stunde haben wir 10 000 Meter über dem Boden ein Konzert gegeben, dass war so surreal. Die Besucher haben von den Sitzreihen zu uns aufgeschaut, in jeder zweiten Reihe hatten wir Lautsprecher angebraucht, es war unglaublich laut. Während des letzten Songs haben wir dann schon angefangen zu sinken und das war wirklich ein ganz merkwürdiges Gefühl. Eine wirklich außergewöhnliche Erfahrung.
(überlegt)
Ich glaube, das Schlimmste, was wir erlebt haben, war unsere Tour durch Großbritannien, die so genannte “Toilettentour”. Die Venues sind schlecht, das Essen ist britisch, die Menschen ebenfalls – wir mögen wirklich viel an England, aber das Essen und die Venues sind der letzte Mist. Von den Busfahrern ganz zu schweigen. Besonders der, den wir hatten. Betrunken, auf der anderen Seite der Straße fahren, das ist echt kein Spaß. Uns ging es echt schlecht während den Fahrten.
Hendrik: Wir kamen auch damals gerade aus Japan und die Erfahrungen die wir dort gemacht haben, machte die Zeit in Großbritannien noch schlimmer. Dort sind wir am Flughafen angekommen und wurden von Fans empfangen, das gleiche wie beim Hotel dort.
Kasper: Auch die Konzerte waren eine ganz neue Erfahrung für uns. Die Japaner stehen ganz ruhig während den Liedern vor der Bühne und sagen kein Wort. Sobald du aufhörst zu spielen, wirst du von tosendem Applaus übermannt. Wenn du dann aber auch nur Danke sagst, herrscht innerhalb einer Sekunde wieder absolute Ruhe. Verrückt. Das war eine komplett andere und neue Welt für uns.

motor.de: Wie würdet ihr den Entwicklungsprozess eurer Musik beschreiben?

Kasper:
Wir blicken auf eine lange Zeit zurück und bei jedem Album lernen wir alles auf ein Neues – Songs zu schreiben, die Musik dazu zu machen. Wir wollen uns nicht zurücklehnen und den sicheren Weg gehen und noch mal “Zitilites” oder “No Balance Palace” aufnehmen. Wir suchen aber immer das Risiko, erschaffen etwas Neues und hoffen, dass die Fans das mögen. Wir arbeiten immer wieder mit neuen Produzenten, weil wir bisher nicht den perfekten Kreativkopf gefunden haben. Aber inzwischen finde ich das auch sehr gut, weil es so leichter ist, immer wieder einen neuen Weg einzuschlagen.

“Trespassers” steht ab dem 5. März in den Läden, im Mai kommt die Band auf Tour.

Kati Weilhammer

Kashmir – Trespassers

VÖ: 05.03.10

Label: AR-EXPRESS (Sony BMG)

Tracklist:
01. Mouthful Of Wasps
02. Intruder
03. Mantaray
04. Pallas Athena
05. Still Boy
06. Bewildered In The City
07. Pursuit Of Misery
08. Time Has Deserted Us
09. Danger Bear
10. The Indian (That Dwells Inside This Chest)

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