In einer Welt austauschbarer Popstars, glatt polierter Bands und derVersessenheit auf Ruhm um jeden Preis gibt es nur wenige Künstler, beidenen es sich um richtige Originale handelt; noch weniger Künstlerkönnen den Anspruch erheben, so ziemlich jeden Musiker beeinflusst zuhaben – jedoch niemand anders besitzt den Mythos und die Aura dergrößten weiblichen Ikone und Innovatorin der Popmusik, die dasVereinigte Königreich von Großbritannien hervorgebracht hat, als KateBush. Jetzt, zwölf Jahre nach ihrem letzten Album, ist Kate Bushssehnlich erwartete Rückkehr ins Rampenlicht in greifbare Nähe gerückt.”Aerial”, das am 4. November als Doppelalbum erscheinende Opus magnumder grande dame der britischen Popmusik, ist bereits von all jenen, diees gehört haben, als ihr großartigstes und außergewöhnlichstes Werkbewundert worden; ein Album von einer solchen Tiefe und Reichweite, vonsolcher Emotion und solchem Zauber, dass es ein Leichtes ist, es alseines der wichtigsten Alben des Jahres 2005 zu bezeichnen
Alleindie Ankündigung eines neuen Albums von Kate Bush hat allerorten fürSchlagzeilen gesorgt und große Begeisterung ausgelöst. Kein Wunder,denn “die ungewöhnlichste Solokünstlerin, die England jemalshervorgebracht hat” (NME) war nie wirklich verschwunden aus demGedächtnis der Menschen und das nicht aufgrund gelegentlicher Auftrittein der Öffentlichkeit, sondern vor allem wegen ihres nachhaltigenEinflusses auf die Musikszene. In ihrer nun fast 30-jährigen Karriere,in der weltweit etliche Millionen ihrer Alben verkauft wurden, ist sievon allen möglichen Künstlern als Quelle der Inspiration bezeichnetworden, von PJ Harvey und Coldplay bis Outkast und Björk, um nur einigezu nennen. Kate Bush genießt in der Kultur der populären Künstewahrlich einen unvergleichlichen Stellenwert. Wann immer in der letztenDekade neue Sängerinnen auftauchten, die mit ihrer Stimmeexperimentierten und ungewöhnliche musikalische Wege beschritten wieetwa Tori Amos, Heather Nova oder Alison Goldfrapp, unweigerlich fielder Name Kate Bush. Die Coverversion des Kate-Bush-Klassikers “HoundsOf Love” von den Futureheads sorgte jüngst noch für Applaus aus derIndie-Szene.
Die zierliche Engländerin mit der hohen Elfenstimmerepräsentiert exquisite, originelle Popmusik mit einem unerschöpflichscheinenden Füllhorn an musikalischen Einflüssen und Stilelementen.Berief sich Kate Bush zu Beginn ihrer Karriere noch auf klassischeMusik, auf Rock und Punk sowie explizit auf Billie Holiday, Roxy Musicund David Bowie, so griff sie in der Folgezeit für die Kreation ihrerpoetischen Pop-Partituren auf immer ungewöhnlichere Klänge undInspirationsquellen zurück. Sie verwendete exotische Sounds undRhythmen aus Asien, Afrika und Australien, benutzte Folkelemente ausEngland, Skandinavien und Südosteuropa, arbeitete mit modernsterStudiotechnik und schuf unorthodoxe Verbindungen von Pop, Soul,Theatermusik und psychedelischem Rock. Aber bei aller Komplexität undKunstfertigkeit gelang es ihr immer, Songs zu kreieren, die nicht nurihr Auditorium verzauberten, sondern auch erstklassige Hits von enormerLangzeitwirkung abgaben.
In der Tat gelten viele Songs von KateBush heute als Klassiker. Völlig zu Recht erhielt dieAusnahmekünstlerin denn auch Anfang dieses Jahrzehnts zwei renommierteMusikpreise, den Classic Songwriter Award des Magazins Q und einen IvorNovello Award für ihre herausragenden Leistungen als Songwriterin.Einen Brit-Award für ihr Lebenswerk lehnte sie jedoch aus gutem Grundab: die Geschichte von Kate Bush ist schließlich noch lange nicht zuEnde erzählt, was sie mit “Aerial” nachdrücklich unter Beweis stellt.
KateBush wurde am 30. Juli 1958 im englischen Plumstead als Tochter einesArztes geboren und wuchs in einem musischen Elternhaus auf. Als Kindspielte sie Geige, später Klavier. Erste Songs komponierte sie mitzwölf. Einige Jahre später nahm ein Freund der Familie diverse dieserSongs auf Tonband auf und spielte sie David Gilmour vor. Der Gitarristvon Pink Floyd erkannte sofort das große Talent des Teenagers. Stattjedoch wie üblich ein einfaches Demoband zu produzieren, stellte ereinen Produzenten an, mietete ein Studio und ein 30 Mann starkesOrchester und spielte mit Kate Bush drei ihrer Songs ein, darunter dieBallade “The Man With The Child In His Eyes”. Diese Aufnahme, für dieKate nur einen Take brauchte, fand sich später auf ihrem Debütalbum.
Dasaufwendige Demo führte zu einem Vertrag mit EMI, die der erst16-jährigen reichlich Zeit ließ, ihre künstlerischen Fähigkeiten inverschiedenen Bereichen auszuprobieren. Sie nahm Gesangsunterricht undlernte Tanz und Pantomime. Im Sommer 1977 entstand dann das Debütalbum”The Kick Inside”. Gleich die erste Single, “Wuthering Heights”,inspiriert von Emily Brontës gleichnamigem Roman, eroberte Anfang 1978Platz eins der britischen Charts und löste eine beispiellose Medien-und Publikumseuphorie aus. Selten zuvor hatte ein Newcomer in so kurzerZeit so schnell Erfolg und Anerkennung gefunden wie Kate Bush mit ihrerbetörenden Popmusik, die so märchenhaft wirkte wie ihre Schöpferinselbst.
Nach ihrem zweiten Album “Lionheart” (1978) und ihrerersten und bis dato einzigen Tournee (1979) setzte sie mit ihremdritten Werk “Never For Ever” (1980) erneut künstlerische undkommerzielle Maßstäbe. Als erste britische Sängerin schaffte Kate Bushden direkten Sprung auf die Pole Position der UK-Albumcharts und dieSingles “Babooshka”, “Army Dreamers” und “December Will Be Magic”beherrschten europaweit die Charts.
Auf der Suche nach weiterenmusikalischen Herausforderungen und studiotechnischer Perfektion ließsich Kate Bush immer mehr Zeit zwischen ihren Produktionen.Konsequenterweise richtete sie sich im Anschluss an das mit innovativenelektronischen Experimenten auftrumpfende Album “The Dreaming” (1982)ein eigenes hochmodernes Studio ein. Hier entstand in dreijährigerArbeit “Hounds Of Love” (1985), das von vielen Kritikern als ihrMeisterwerk bezeichnet wird. Neben dem elegischen Songzyklus “The NinthWave”, der die zweite Albumhälfte einnimmt, offenbarte sie einmal mehrihr künstlerisches Genie in Songs mit ungewöhnlichen Arrangements undunwiderstehlichen Melodien wie “Running Up That Hill”, ihrem größtenSingleerfolg seit “Wuthering Heights”.
Im Anschluss an “HoundsOf Love”, das ebenfalls Platz eins in den britischen Albumchartserreichte, veröffentlichte Kate Bush mit “The Whole Story” (1986) einBest-Of-Album, sang mit Peter Gabriel das Duett “Don’t Give Up” fürdessen Album “So” und schrieb Songs für Filmsoundtracks, darunter “ThisWoman’s Work” für die Komödie “She’s Having A Baby” von John Hughes.Die ergreifende Ballade fand sich auf Kate Bushs sechstem Studioalbum”The Sensual World” (1989) wieder, auf dem unter anderen dasbulgarische Vokaltrio Bulgarka sowie David Gilmour und Nigel Kennedymitwirkten. Kate Bushs bislang letztes Studioalbum “The Red Shoes”(1993), eingespielt mit illustren Gästen wie Prince, Eric Clapton, GaryBrooker und Jeff Beck, erwies sich erneut als phantasievolles Opus mitüberraschend eingängigen Poptiteln, märchenhaften Hymnen und diversenmusikalischen Elementen keltischen, südamerikanischen undosteuropäischen Ursprungs. Nach der Geburt ihres Sohnes Bertie 1999 zogsie sich noch stärker ins Privatleben zurück. Im Dezember letztenJahres tauchten die ersten Gerüchte auf, dass Kate Bush auf dem bestenWege sei, endlich ihr achtes Studiowerk “Aerial” zu vollenden. Jetzthat das Warten ein Ende.
Die erste Single vom Album “Aerial” istdas hypnotische “King Of The Mountain”. Von den ersten elektronischenPulsschlägen bis zu seinem bombastischen Höhepunkt baut sich dieserSong zu einem Kunstwerk auf, wie es wahrlich nur von Kate Bush stammenkann. Ihre sofort erkennbare Stimme, der sich kreisende Dub-Rhythmusund die beschwörend mysteriösen Lyrics verleihen “King Of The Mountain”majestätische Kraft. Komponiert und produziert von Kate persönlich,aufgenommen in ihrem eigenen Studio, wird die Single “King Of TheMountain”, aber vor allem das neue Doppelalbum “Aerial” die Legionenihrer Fans in Verzückung versetzen. Kate Bush hat sich endlich wiedereingefunden in die zeitgenössische Musikszene, und ist doch so zeitlosgeblieben wie eh und je – beste Gelegenheit jedenfalls für eine neueGeneration von Musikliebhabern in aller Welt, eine der faszinierendstenKünstlerinnen unserer Zeit zu entdecken.
EMI September 2005
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