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Kauft nicht bei Majors?

Nervt noch mehr als DRM-CDs und Abmahnanwälte: gesperrte Videos auf YouTube. Da ist der Boykottaufruf schnell gemacht, der Beifall gewiss. 

Es ist nicht mehr nur ein bisschen lästig, sondern erweist sich als echtes Frustpotenzial: Wer in Deutschland Musikvideos sehen will – und das tut man heutzutage vornehmlich auf den einschlägigen Clipkanälen – wird immer öfter abschlägig beschieden. „Not available“, weil der „content“ irgendjemandem gehören soll, der einen eigentlich nicht so besonders interessiert. Es gibt dabei natürlich nicht den einen Schuldigen. Die Gemengelage der Interessen in Sachen Videoportale ist kompliziert und wenn das Sprichwort „Pack schlägt sich, Pack verträgt sich“ irgendwo passt, dann hier. Selbst, wer die entsprechenden Meldungen aufmerksam verfolgt, hat kaum eine Chance mitzubekommen, wer gerade wen verklagt, oder ob doch vielleicht gerade eine neue strategische Kooperation verkündet wurde und wo die nun eigentlich Gültigkeit hat. In Deutschland spielt dann auch noch die GEMA (nicht) mit, deren Politik des Allesverhinderns selbst die gutwilligsten Urheberrechts-Anerkenner in den Wahnsinn treibt.


Achtung: Dieser Klick lohnt sich nicht. Der “content” ist sowieso nicht “available”.

Hängen bleibt der Frust aber vor allem an den „Majors“. Also an Sony-Warner-Universal-EMI, denen man ja schon seit jeher gern unterstellt, dass sie eigentlich prinzipiell gegen ihre Kunden agieren, wenn sie meinen, diese schadeten ihren Interessen. Und den Interessen der Musikindustrie nicht zu schaden, fällt verdammt schwer, wenn schon das Anschauen eines Videos auf YouTube in deren Unerwünschtheitsraster fällt. Auf YouTube wird die für die meisten Musiknutzer nur selten persönlich relevante Restriktionspolitik der Majors auffälliger als je zuvor – und nervt viel direkter.

Mal eben einen Blur-Clip anschauen, der früher auf MTV hoch und runter lief? Fehlanzeige: „This video contains content from EMI. It is not available in your country.“ Oder das neue Video von Neil Young, das dessen in Kürze erscheinendes neues Album bewerben soll und dessen Link natürlich auch per offiziellem Facebook-Account gepostet wird? „This video contains content from WMG. It is not available in your country.“ Der Sinn dieser Politik erschließt sich auch dem sonst einsichtigen Kunden kaum. Irgendwann neigen dann selbst Sanftmütige zur Empörung und verkünden per Twitter oder Facebook den Boykott.

Es ist ein bewährtes Mittel, schändliches Tun von Konzernen mit einem Boykott von deren Produkten zu geißeln und sie so im besten Fall zur Einsicht zu zwingen. Aber funktioniert das auch bei Musikkonzernen? Nicht wirklich. Denn einerseits kann man eben nicht einfach den Anbieter wechseln wie bei Benzin oder Babybrei. Das neue Album von – bleiben wir mal dabei – Neil Young gibt’s eben legal nur bei Warner. Andererseits: Den Boykott gibt es schon seit Jahren, er ist massiv und heißt – zumindest im inzwischen sattsam bekannten Duktus der Majors – „Musikpiraterie“. Dass die Kunden der Industrie in Scharen davonlaufen, hat die Situation zumindest bisher nicht eben verbessert, eher die Paranoia noch verschärft. Der Dumme ist am Ende überdies auch immer der Künstler, den man ja vielleicht nicht unbedingt treffen will. Was bringt so ein Privatboykott also?


Sid, der Liedermacher, darf sich breiter Zustimmung sicher sein: “Fuck Sony Entertainment!”

Man steht auf der richtigen Seite: So wie man eben gegen Atomkraft ist, gegen Internetsperren, gegen Käfigeier, gegen die FDP und gegen Sarrazin. Der erklärte Boykott der Musikindustrie hat das Potenzial, so etwas wie einen weiteren Grundkonsens im sozialen Umfeld zu bilden. Dabei spielt das Detail der tatsächlichen Durchführung nur eine untergeordnete Rolle, wichtig ist vor allem die öffentliche Stellungnahme, die allemal für massenweise „I like“-Bekundungen taugt. Jede davon ist wiederum erstmal nur eine Positionierung, die für sich allein besehen natürlich nichts bewirkt. Aber sie kommunizieren einen Imageschaden, der sich zu all den anderen dazugesellt, die die Musikindustrie eh schon plagen. Für alle anderen Branchen wäre das ein Alarmsignal.

Augsburg

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