Bloc Party machen Pause und Kele Okereke nutzt die Zeit, um ohne Band sein Glück zu suchen. Der Schatz am Ende des Regenbogens heißt ‘The Boxer’ und klingt als ob der Sänger viel Zeit am Computer verbracht hat.
Es war eigentlich nur eine Frage der Zeit, wann sich Bloc Party-Sänger Kele Okereke auf Solopfade begeben würde. Noch bevor sich seine Hauptband im Herbst 2009 in den wohlverdienten Urlaub verabschiedete, hatte er heimlich still und leise die Linie für seinen ersten musikalischen Alleingang ausgearbeitet. Als Bloc Party dann die berühmte Kreativpause einläuteten, war Okereke schon unterwegs nach New York, um dort mit Spank Rocks XXXChange ‘The Boxer’ aufzunehmen, ein Album, das der allwissende NME als die Bloc Party-Fanseele verstörendes Mysterium ankündigte.
Tatsächlich ist der computergetriebene Club-Pop auf Okerekes Solodebüt ein offensichtlicher Befreiungsschlag – völlig unvermutet kommt die Hinwendung des Sängers zu Rechnersounds selbst für den semiaufmerksamen Hörer der letzte Bloc Party-Veröffentlichungen aber sicher nicht. Mit ‘The Boxer’ verlässt Kele Okereke den Gitarrenrock-Referenzrahmen, der ihm ohnehin nie auf den Leib geschneidert war und entdeckt den Spaß an der Musik neu. Und das sollte selbst die größten Fans des Bloc Party-Sounds, deren letzte Live-Auftritte nie von großer Euphorie getragen waren, milde stimmen. Im Interview berichtet Kele Okereke über eine Reise ins Ich, Gitarren und Kochen.
motor.de: Hat es dich Überwindung gekostet, ein Soloalbum in Angriff zu nehmen?
Kele: Anfangs war es schon einschüchternd, sich einer solchen Aufgabe zu stellen. Es ist manchmal beängstigend, für jedes Detail einer Platte alleine verantwortlich zu sein. Das war ich aus meiner Band nicht gewohnt. Bei Bloc Party hatte ich immer einen Schlagzeuger der sich um die Rhytmik und einen Gitarristen, der sich um die Harmonien gekümmert hat. Im Laufe der Arbeit an ‘The Boxer’ habe ich es aber sehr genossen, vom Anfang bis zum Ende des Projekts alle Entscheidungen treffen zu können. Ich habe es geliebt.
motor.de: Ist eine Band wie Bloc Party denn manchmal ein goldener Käfig?
Kele: Wir hatten im Bloc Party-Kontext einfach nichts mehr zu beweisen. Wir haben fünf Jahre lang unglaublich hart gearbeitet, haben den ganzen Zyklus von Album, Promo, Tour dreimal hintereinander mitgemacht. Wir hatten vorerst alles erreicht. finanzielle Sicherheit, Stabilität. Und dann habe ich irgendwann festgestellt, dass die Band ein Job ist. Kein zermürbender Job, aber einer, den ich nicht immer mögen werde. Dafür gibt er mir jetzt die Möglichkeit, alles zu tun, was ich will.
motor.de: Und wolltest du von Anfang an eine Computer-Platte aufnehmen?
Kele: Ja. Ich wollte mich von den Regeln befreien, die im Rahmen von Bloc Party gelten. Wenn du Lieder auf einer Gitarre schreibst, beziehst du dich automatisch immer auf die letzten gut sechzig Jahre Popkultur, ob du nun willst oder nicht. Da gibt es einfach nur einen sehr begrenzten Rahmen Dinge weiterzudenken. Bei elektronischer Musik sind die Regeln nicht so festgelegt. Und du kannst auch als Amateur tolle Ergebnisse erzielen. Bei vielen der Stücke auf ‘The Boxer’ wusste ich, wie sie klingen sollten und musste nur noch herausfinden, wie ein bestimmter Sound herzustellen ist.
motor.de: Gibt es dann auch bestimmte Emotionen, die sich besser in elektronischer Musik ausdrücken lassen?
Kele: Musik besteht ja nur aus Noten. Die Emotionen, die in einer Melodie ausgedrückt werden, verändern sich nicht durch den Sound eines Liedes. Ich habe diesen Kult um Gitarren als Symbol einer authentischen emotionalen Ausdrucksform nie verstanden. Ich glaube, deshalb bin ich auch interessiert an eher synthetischen Elementen von Musik.
Ein Mann und sein Computer
motor.de: Club-Musik ist meist nicht besonders inhaltlich. War es ein Reiz dieses Genre mit Themen zu füllen? Immerhin wagst du dich textlich auf eher persönliches Terrain.
Kele: ‘The Boxer’ ist im weiteren Sinne erstmal ein Pop-Album. Die Songs halten sich trotz aller Freiheiten weitgehend an ein dreiminütiges Pop-Schema mit Strophe und Refrain. Der elektronische Sound ist eher zusammengekommen, weil ich viele moderne Elemente auf der Platte haben wollte. Deshalb sind die Texte auch nicht als Gegengewicht zu tanzbarer Musik zu verstehen.
motor.de: Steht die Auseinandersetzung mit dir selbst bei einem Soloalbum stärker im Vordergrund?
Kele: Ich bin fünf Jahre älter und bin mir bei vielen Dingen mittlerweile sicherer, dass sie wichtig für mein Leben sind. Viele Dinge, gegen die ich angekämpft habe, kann ich an mir selbst besser akzeptieren. Das war ein Lernprozess, den man dem Album sicher auch anmerkt.
motor.de: Lernst du denn schnell? Oder war es ein mühseliger Prozess, sich eine andere Herangehensweise an Musik anzueignen?
Kele: Ich bin nicht besonders schnell. Aber wenn ich mich sehr für etwas interessiere, kann ich sehr viel auf einmal lernen. Aber es gibt so viele Dinge, die ich nicht kann. Kochen zum Beispiel.
motor.de: Ist das ein Projekt für die nächsten zwei Jahre?
Kele: Wenn ich irgendwann mal zu Hause bin bestimmt. Ich esse viel zu gerne, als dass ich ein schlechter Koch bleiben sollte…
Timo Richard
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