Kele Okereke hält sich bedeckt und gewährt äußerst ungern Einblicke in seine Person. So muss man ordentlich graben, um hinter die Fassade des Mannes mit dem breiten Grinsen zu gelangen.

Er ist derzeit Solokünstler. Und da möchte er nicht dauernd über seine alte Band reden. Über sich als Person und die in seinen Songs thematisierte Privatsphäre möchte er auch nicht reden. Kele Okereke ist bekannt dafür, kein einfacher Interviewpartner zu sein. Er will einfach nur auftreten, will auf die Bühne und spielen. So begegnete er uns jedenfalls, als wir ihn auf seiner Tour durch Deutschland trafen. Kele Okereke hat keinen einfachen Charakter, ist live jedoch ein echtes Erlebnis.

Denn wer Kele schon einmal in Soloformation auf einer Bühne erlebt hat, bemerkte sicher, dass der Brite seinen neu gefundenen Stil sehr genießt. Im Juni kam sein Solodebüt „The Boxer“ in die Läden. Es ist ein Projekt, mit dem Okereke frei sein wollte, frei von den Zwängen, die das Zusammensein in einer Band mit sich bringen. In einer Band wollte er nicht mehr spielen, gar beschreibt er das Dasein mit Bloc Party als „unerträglich“. Grundsätzlich habe er nichts gegen Bandformationen, jedoch sei er derzeit auch allein glücklich: Ich mag definitiv die Idee, mit anderen Musikern zu spielen, in einem Raum zu sein und zusammen zu Jammen. Bei diesem Album war es jedoch ein sehr eigenbrötlerischer Prozess: Nur ich, der Produzent und ein Computer. Ich vermisse es, mit anderen Musikern zu spielen. Aber ich weiß nicht, ob ich es vermisse, ein Teil von Bloc Party zu sein.“

Kele – “Everything You Wanted” (live)

Auf die Frage, wie denn die Beziehung zu den anderen sei, entgegenet er dennoch in einem Wort: „Großartig.“ Aber um persönliche Differenzen ging es bei Bloc Party ja ohnehin nicht. Kele hat derzeit noch Spaß auf seinem Solopfad. Schließlich lässt der Erfolg auch auf diesem Weg alles andere als zu wünschen übrig. Als im Frühjahr 2010 „Tenderoni“ veröffentlicht wurde und zu der Zeit als sein einziger Solo-Song im Netz kursierte, füllte er bereits mühelos große Konzerthallen. Kele als Exportschlager von Bloc Party, auch allein ist er attraktiv. Das breite Grinsen, mit dem er das Publikum bei seinen Gigs begrüßt, hat er seit Mai nicht verloren. „Es ist das erste Album, das ich gemacht habe und auf das ich noch total abfahre. Normalerweise will ich die Musik sechs Monate, nachdem ich sie veröffentlicht habe, nicht mehr hören. Aber das war bei dieser Platte definitiv nicht der Fall“, erklärt Kele und wirkt dabei selbst sehr erstaunt.

Freude und Zuversicht waren der Anspruch, den er an dieses Album hatte. Bloc Party-Songs kamen eher von seiner melancholischen Seite. Nun sollte sich alles ein bisschen aufklaren, der betrübte Horizont wieder aufreißen. Doch sicher ist er sich nicht, ob er seinen Alleingang fortsetzt. Überzeugung klingt anders: „Ich weiß nicht. Ich denke, ich mag es, kreativ zu sein. Also wir werden sehen.“ Auf „The Boxer“ hatte Okereke die Möglichkeit über seine inneren, persönlichen Gedanken zu schreiben. Das Album handelt in einigen seiner Teile von Rücksichtnahme auf Dinge, die einem persönlich nahe stehen, aber eigentlich nicht gut tun. In „All The Things I Could Never Say“ singt er mit weiblicher Begleitung immer wieder „You’re making me older/ You’re making me ill“. Es bleibt die Erkenntnis, sich besser von einer geliebten Person zu trennen, wenn die Liebe versiegt. So geht es ihm vielleicht auch schon bald mit seinem aktuellen Projekt. Wenigstens weiß er dann, wann er auf die Bremse treten muss, damit es nicht gegen den Baum geht.

Laureen Kornemann