Manchmal kann Kino eine sehr ernste Angelegenheit sein, kein bisschen verspielt und unbedingt nur für Erwachsene geeignet. Ob nun „Watchmen“ oder „Der Vorleser“ – auf der Leinwand ging es zuletzt jedenfalls weder jugendfrei noch besonders kinderfreundlich zu. Doch kaum verabschiedet sich der Winter, macht auch der grimmige Ernst ein bisschen Platz für Kindereien.
„Slumdog Millionär“
Vorreiter ist dabei nicht zuletzt „Slumdog Millionär“, der Oscar-Gewinner, über den seit Wochen alle sprechen und der nun endlich auch in die deutschen Kinos kommt. Anhand einer Quizshow erzählt Danny Boyle von drei Kindern in Indien, die jeweils – je nach Alterstufe – von drei verschiedenen Schauspielern verkörpert werden. Dabei bekommt man einige der entzückendsten Kinderdarsteller zu sehen, die derzeit im Kino zu erleben sind, was aber natürlich nicht heißen soll, dass hier ernste Themen zur Sprache kommen. Immerhin geht es um die Slums von Mumbai. Aber so oder so: bei allem optimistischen Gutmenschentum ist dies ein Film, wie es ihn so lebhaft und rührend nicht alle Tage gibt.
„Rock’n’Rolla“
Auch Guy Ritchies „Rock’n’Rolla“ trägt gewissermaßen kindliche Züge. Das mag vielleicht ungewöhnlich klingen, immerhin handelt es sich hier um eine Gangstergeschichte aus Londons Unterwelt, brutal, blutig und voller Macho-Humor. Das allerdings ist genau der springende Punkt: Madonnas Ex hat sich seine kindliche Freude bewahrt – und dreht auch nach all den Jahren immer noch das gleiche, also das, was ihm am meisten Spaß macht.
„Männersache“
Von nicht geringer Bedeutung ist das Un-Erwachsene auch in “Männersache”, dem selbst geschriebenen Leinwanddebüt von Mario Barth. Das soll natürlich nicht heißen, dass der Neu-Schauspieler sich im Kino nun plötzlich als Papa versucht (vielmehr spielt er quasi sich selbst, also einen Komiker). Aber sagen wir es doch mal so: als besonders reif und erwachsen hat sich der Berliner mit seinem Humorverständnis ja noch nie präsentiert!
„Die drei ??? – Das verfluchte Schloss“
Vermutlich sind da sogar die drei Nachwuchs-Detektive in „Die drei ??? – Das verfluchte Schloss“ eine ganze Ecke weniger kindisch als Herr Barth. Auch in ihrem zweiten Kinoabenteuer, auf das nach dem hinter den Erwartungen zurückgebliebenen Debüt eigentlich niemand gewartet hatte, ermitteln die Drei wieder auf Englisch und gewohnt altklug. Das mag ein junges Publikum durchaus überzeugen. Aber was soll man sagen? Für alle anderen können diese Knirpse natürlich nicht mit den Hörspielkassetten aus der Jugend mithalten.
„Desperaux – Der kleine Mäuseheld“
Ebenfalls an ein eher kindliches Publikum richtet sich „Desperaux – Der kleine Mäuseheld“. Basierend auf einem in den USA populären Kinderbuch erzählt der CGI-Animationsfilm von einer mutigen Maus mit riesigen Ohren in einem verwunschenen Königreich. Weil es außerdem zwischendurch immer wieder um Suppe geht und auch eine Ratte mit von der Partie ist, wirkt das an sich putzige Märchen irgendwann allerdings wie eine Mischung aus „Shrek“ und „Ratatouille“.
„Drei Affen“
Und dann ist da noch „Drei Affen“, ein türkischer Film, der rein dem Titel nach vielleicht auch was fürs Kind in uns sein und von einer niedlichen Affenfamilie in Afrika handeln könnte. Doch weit gefehlt: Tiere spielen in dem preisgekrönten Drama keine und Kinder nur eine wirklich kleine Rolle. Viel mehr geht es um kleine Geheimnisse und große Lügen innerhalb einer Familie, was den Film von Nuri Bilge Ceylan zu einer Art Überbleibsel der zurückliegenden Tage macht: eine sehr ernste und erwachsene, aber deswegen nicht weniger sehenswerte Angelegenheit.
Patrick Heidmann
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