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Categories: Kinokolumne

Kino-Kindereien und das Erwachsenwerden im neuen Jahr

Liegt’s am Familienfest der Liebe, an den Schulferien oder doch daran, dass die Kinobetreiber so nett sind und Deutschlands Familien nach drei Tagen der Völlereien und Streitigkeiten unterm Weihnachtsbaum ein Alternativprogramm bieten wollen? So oder so: pünktlich zum langen X-Mas-Wochenende sind die Kinos voll mit Familien- und Kindergeschichten.

 “Bedtimes Stories”
In „Bedtime Stories“ etwa präsentiert sich Adam Sandler, der ja durchaus anders kann, mal wieder als Mann für alle Generationen. Die Kinder seiner Schwester, deren Gutenachtgeschichten plötzlich in die Wirklichkeit übergreifen, schwächen seine prolligen Macho-Albernheiten ein wenig ab – und siehe da: das bekommt ihm und seinem Humor durchaus gut.

 “So Finster Die Nacht”

Doch nicht aller Kinonachwuchs, der pünktlich zum Fest auf der Leinwand unterwegs ist, erweist sich als derart kindertauglich wie die Sandler-Komödie oder der deutsche Kinderfilm „Stella und der Stern des Orient“ (in dem auch Axel Prahl mit dabei ist). Die Protagonisten in „So finster die Nacht“ sind zwar auch erst 12 Jahre alt, doch das heißt nicht, dass sie nicht im Zentrum eines ziemlich blutigen – und ausgesprochen originellen – Vampir-Horrorfilms aus Schweden stehen können, der selbst in den USA für Begeisterung (und sicherlich Remake-Absichten) sorgt.

 “Australia”

Auch „Australia“ ist nicht unbedingt ein Film für die Kleinen, obwohl Baz Luhrmans Epos größtenteils aus der Sicht eines kleinen Aborigine-Jungen erzählt ist und entlang dessen Schicksals von australischer Geschichte und australischen Filmstars (Nicole Kidman und Hugh Jackman) berichtet. Um das zu genießen, sollte man allerdings über 12 – und vor allem großer Kitschliebhaber – sein.

 “Buddenbrooks”

Um Kinder geht es übrigens auch in den von Breloer mal wieder verfilmten „Buddenbrooks“, was man sicher dazusagen muss, denn nicht jeder, der Thomas Manns Klassiker im Regal stehen hat, hat ihn schließlich auch gelesen. Allerdings ist der Nachwuchs der Lübecker Bürgerfamilie schon erwachsen, und so sieht man auf der Leinwand dabei zu, wie Jessica Schwarz, August Diehl und Kino-Neuling Mark Waschke den Niedergang des Familienunternehmens vorantreiben, sobald Patriarch Armin Mueller-Stahl gestorben ist und Iris Berben zum ersten Mal in ihrem Leben Falten zeigt.

 “Kurzer Prozess – Righteous Kill”

Eine Woche später dann, pünktlich zum Neujahrskater, ist von all dem Kindersegen im Kino nicht viel geblieben. Der erwachsene Ernst des Lebens beginnt 2009, und statt junger Hüpfer dürfen noch mal die alten Männer ran. Im Falle von „Kurzer Prozess – Righteous Kill“ sind das immerhin zwei Schauspiellegenden, doch auch Robert de Niro und Al Pacino können nicht verhindern, dass man den Twist dieses mauen Polizeithrillers schon meilenweit gegen den Wind riecht.

 “Die Reise des chinesischen Trommlers”

Vielleicht hätten sie einfach auch „Die Reise des chinesischen Trommlers“ antreten sollen. Besagten jungen Titelheld verschlägt es nämlich, nicht ganz freiwillig, von der Hongkonger Unterwelt zu chinesischen Zen-Trommlern aufs Land, wo seinem Leben ein ganz neuer Rhythmus verpasst wird. Ein Film über Neubeginn und alte Verwurzelungen, aber vor allem über ein Leben voller Kontraste.

 “Fightgirl Ayse”

Davon kann auch „Fightgirl Ayse“ ein Lied singen, die als Tochter türkischer Eltern in Kopenhagen eigentlich Ärztin werden soll, aber sich doch viel mehr für Kampfsport interessiert. Welche Probleme das unter diesen Voraussetzungen mit sich bringt, lässt sich erahnen, aber dank Kung Fu-Champion Semra Turan in der Hauptrolle ist das trotzdem ein ermutigender Filmstart ins neue Jahr.

 “Bonjour Sagan”

Gar nicht aufs Kämpfen verstand sich dagegen die französische Autorin Françoise Sagan, deren von Selbstzerstörung gezeichnetem Leben das Biopic „Bonjour Sagan“ ein Denkmal setzt. Es ist ganz putzig, wie durch den Titel „Bonjour Sagan“ versucht wird, an Sagans einzigen Welterfolg „Bonjour Tristesse“ zu erinnern, um beim deutschen Publikum zumindest ein klein wenig Interesse an dieser bei uns sonst kaum bedeutsamen Frau zu schüren. Nützen wird es freilich kaum etwas, schon weil der zugehörige Film nicht allzu gut gelungen ist. Aber wir wollen 2009 ja nicht gleich mit Nörgeleien beginnen. Vor allem, wo doch 2008 als einziges Familienfest endete.
 
Patrick Heidmann

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