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KLAXONS im Interview

Es war einmal eine Band, die hielt sich nicht an die Gesetze des bösen Herrschers der Genres. Stattdessen tat sie das, was sie tun wollte, und erfand sich selbst ein neues Königreich namens New Rave Indie Rock. Und es begab sich, dass viele Menschen in dieses neue Königreich zogen und fröhliche Reigen tanzten. Dann aber zogen dunkle Wolken über New Rave Indie Rock auf…

So ähnlich fühlt sich das an, was die Klaxons in den letzten Jahren vollbracht haben. 2006 warfen sie Myths of the Near Future auf den Markt und schienen sich damit selbst eine Nische geschaffen zu haben, zumindest war die doch etwas sperrige Formulierung New Rave Indie Rock plötzlich ein kredibles Genre geworden. Dann kam das Folgealbum, und der Stern der Klaxons schien ein wenig tiefer zu sinken: Surfing The Void von 2010 fand zwar durchaus seine Anhänger, wirkte aber im Vergleich mit dem Erstling eindeutig uninspirierter. Umso mehr Druck lastet also auf Platte Nummer drei, und die steht nun unmittelbar an. Love Frequency soll sie heißen, und einige Tracks hat die Band bereits im Internet der Feuerprobe unterzogen. Erfolg? Naja. Wir haben uns mit Jamie Reynolds, James Righton und Simon Taylor-Davis in Berlin getroffen, um dem Klaxons-Hofstaat die neuesten Entwicklungen zu entlocken.

Tatsächlich scheint sich der Sound der Klaxons durchaus stark verändert zu haben. Die Kommentare zum neuen Song There Is No Other Time auf Youtube reichen von „commercial crap“ (MrSyabuSyabu) bis zu „love love love!!“ (Victoria Rodriguez). Betreiben wir Ursachenforschung: Die Klaxons scheinen eine Band zu sein, die sich selbst laufend neu erfinden möchte. „Wenn wir ein neues Album machen, dann wollen wir niemals nochmal das gleiche Album machen“, sagt Simon, und: „Beim zweiten Album sind wir zum Beispiel zwei Jahre getourt, und jetzt beim neuen wollten wir nicht schon wieder mit unseren Instrumenten als die gleiche Band auftreten“. Nicht schon wieder als die gleiche Band? Naja, so schlecht war das doch garnicht.

In diesem Sinne haben sich die Klaxons nun scheinbar dazu entschieden, den Rave aus dem selbst kreierten Genre zu streichen und setzen nun eher auf althergebrachte Songstrukturen. Gerade There Is No Other Time klingt nach Pop, ein wenig austauschbar und hätte so durchaus auch von einem mainstreamigeren Act kommen können. Aber ist das jetzt einfach Kommerz? Haben die Klaxons auf die dunkle Seite gewechselt, alle Kanten entfernt, und ihre Seele an den finsteren Pop verkauft? Vielleicht wollten sie auch einfach nur Spaß haben. So klingt zumindest der Arbeitsprozess, der zur neuen Platte geführt hat:

James: Es war eher so, dass wir im Studio irgendwelche Klänge, Synthesizer und Drummachines ausprobiert haben. Wir haben zum Beispiel in Tom’s [Tom Rowland von den Chemical Brothers, Anm. d. Red.] Haus gespielt und da den Jupiter-8 [Synthesizer] zum ersten Mal gehört.

Simon: Es ging eher um den Prozess. Wir hatten Spaß am Prozess, elektronische Musik zu machen, das haben wir ja so noch nie gemacht. Also Synths benutzen, anders zu schreiben, das war eher so der Auslöser.

Einfach mal anders schreiben, warum auch nicht? Wollen wir das ihnen mal glauben. Man muss schließlich auch bedenken, dass die Klaxons ziemlich jung angefangen haben: Als Myths of the Near Future heraus kam, war beispielsweise James gerade einmal 23 Jahre alt. Und wer will schon immer so klingen wie „damals“, als er jung war? Dabei stellt sich allerdings die Frage, was denn die alten Klaxons von 2006 zu den „neuen“ Klaxons sagen würden:

Simon: Sie würden sagen: ‚Seid ihr vollkommen verrückt geworden?‘

Jamie: Ich glaube, früher waren wir viel unbefangener, was das Musik machen angeht. Wir wären also entweder stolz oder wir würden uns schämen.

James: Ich glaube, die alten Klaxons würden sich schämen. Wir waren damals viel zu unbekümmert, um ein solches Album zusammen zu stellen. Früher gab es Sachen, die wir musikalisch niemals angerührt hätten. Es gab Platten, wenn jemand von uns die gekauft hätte, hätten wir das sofort als Schrott abgetan. Heute sind wir auch dazu bereit, Neues zu testen.

Jamie: Gleichzeitig sind wir aber auch jetzt sehr kritisch gewesen, wir haben sehr viele Songs wieder von der Platte geschmissen. Merkwürdig, oder? (lacht)

Vielleicht hat man sich also doch ganz einfach „weiterentwickelt“. Kann ja sein. Weitere Hinweise könnte der Musikgeschmack der Bandmitglieder geben. Wie wäre das denn, wenn die Klaxons selbst ein Festival zusammen stellen könnten? Wen würden sie buchen?

Simon: Ich habe mal Lou Reed mit Mountain Machine Music gesehen. Das ist eigentlich ein unanhörbares Album, aber er hat mal eine Live-Version davon gemacht, und das war wirklich verrückt.

James: Ich würde gerne Meat Loaf sehen (lacht).

Jamie: Ich muss mal drüber nachdenken, was mir in letzter Zeit wirklich gefallen hat. Eine sehr frühe Version von Pink Floyd wäre mal was.

James: Ich würde gerne Coolio sehen, als er Gangsta’s Paradise gemacht hat. Das wäre wirklich verdammt abgefahren. Er war ja eigentlich ein One Hit Wonder, aber das wäre ja auch ein bizarres Festival, von daher würde ein Song reichen (lacht).

Simon: Und Beck mit Midnight Vultures.

Jamie: Es wäre doch mal wieder Zeit, dass Nirvana was macht (lacht)!

James: Zusammen mit Miley Cirus!

Jamie: Ja, das wäre einen Blick wert.

James: Oder Flaming Lips mit ihrem Dark Side of the Moon Cover, mit Pink Floyd, die dazu spielen! Und wenn Kurt Cobain jetzt wieder auferstehen würde, würden wir eine Tour machen, das würde direkt in die Stadien führen!

Okay, okay, okay. Lou Reed, Meat Loaf, Pink Floyd, Nirvana, Coolio, Beck, Miley Cirus, dazu die Flaming Lips. Offensichtlich haben die Klaxons trotz einiger neuer Pop-Aspirationen noch nicht vor, mit David Guetta zu kollaborieren. Ist die Welt also doch noch in Ordnung im Königreich der Klaxons? Auch wenn das Volk mal nicht ganz so zufrieden ist, wie in den goldenen Anfangsjahren, so wird das Leben dort zumindest nicht langweilig. Zum Beispiel dann, wenn Lou Reed backstage mit Coolio über Miley Cirus herzieht, während Kurt Cobain vom Sofa aus kopfschüttelnd dabei zuschaut.

Brot und Spiele gehen aber leider nicht 365 Tage im Jahr. Was würden die Klaxons den Menschen sagen, die auf Youtube ihre neuen Songs verrissen haben? Haben die Herren das überhaupt gelesen?

Jamie: Ja, das haben wir gelesen. Das interessiert uns aber nicht.

James: Zu den Leuten würden wir eigentlich sagen: Kauft das Album!

Na dann.

(Foto: Kim Jakobsen To / Text: Carsten Brück)

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