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Die Sonne leuchtet den Weg

Die Sonne strahlt warm, die Spree plätschert gemütlich vor sich hin und ab und an weht einem der Wind durch die Haare. Es gibt sicherlich schlechtere Tage, um Klee in Berlin zum Interview zu treffen, auch wenn 10 Uhr morgens in dieser Band eindeutig noch nicht jedermanns Tageszeit ist. Doch mit ein bisschen Kaffee und etwas Wasser kommen Keyboarder Sten Servaes, Gitarrist Tom Deininger und schließlich auch Sängerin Suzie Kerstgens (zusammen sind sie drei Klee-Fünftel) allmählich in Schwung.

Das Wetter passt auch deswegen so gut, weil die Zeiten lange vorbei sind, in denen man bei Klee an kühle Elektrosounds für Regentage denken muss. Auf den ersten Alben zog es die Kölner Truppe zwar noch in diese Richtung, doch spätestens mit “Zwischen Himmel und Erde” (ihrer bis dahin erfolgreichsten CD) wurde klar, dass Suzie und ihre Jungs eigentlich doch mehr für handgemachten Gitarrenpop und erdwarme Töne übrig haben. Mit dem neuen Album “Berge versetzen” hat sich daran nichts geändert, weswegen man sich auf dem Cover auch gleich noch einmal in sanftem Licht an Strand und Dünen präsentiert.
So ist es vielleicht auch kein Wunder, dass der Grundstein für die neuen Songs in Portugal gelegt wurde, wohin Klee sich im Frühjahr 2007 drei Wochen lang zurückzogen, um Energie zu tanken und die Kreativität in Schwung zu bringen. Am Grundrezept wurde kaum gerüttelt, wie Sten zugibt: “Die Basis ist sicher die gleiche, aber wir sind einen Schritt weitergegangen. Wir konnten jetzt souveräner mit der Sprache umgehen, die wir für uns gefunden hatten. Das ist sicher die gleiche wie beim letzten Album, aber es sind auf jeden Fall neue Vokabeln dazu gekommen, die wir noch viel pointierter einsetzen können.”

Und tatsächlich: mehr denn je klingen Klee, als wüssten sie ganz genau, was sie tun. Jeder Song sitzt, jede Melodie geht ins Ohr. Suzies bemerkenswerte Stimme, die auf charismatische Weise belegt klingt (man könnte auch sagen: wie eine erkältete Nena), geht Hand in Hand mit der Musik, die dynamisch und opulent daherkommt, ohne sich plump anzubiedern. Hier verplätschert nichts, wie es auf dem Vorgänger noch gelegentlich der Fall war, als nicht alle Songs klare Konturen besaßen. Im Gegenteil: neben der Single “Zwei Herzen” schütteln Klee gleich eine ganze Reihe echter Hits aus dem Ärmel, die glaubwürdiger und erwachsener klingen als im Deutschpop sonst üblich: “Wie weit”, “7 Schritte”, “Ich lass ein Licht an für dich” oder auch die Discobeat-getriebene Nummer “Die Königin”.

Dabei wagt das Quintett durchaus Neues, etwa “Wie das Wetter”, das erste Duett von Suzie und Sten, der bisher nur im Background mitsang. Vielleicht ist gerade diese letzte Nummer ein guter Beweis für die Stärke von Klee: selten nämlich gab sich die Band so unverhohlen sentimental wie hier – und trägt trotzdem das Pathos nie annähernd so dick auf, wie etwa die Kollegen von Ich+Ich. “Wir strengen uns richtig an, eine echte Leichtigkeit in unsere Musik zu weben”, beschreibt Sten die Klee-Idee. “Das ist ein wirklich schwieriger Prozess, was oft gar nicht wahrgenommen. In Deutschland muss es immer schwer und ernst sein – oder richtig lustig.”
Dass es so nicht sein muss, hat die Band spätestens vor zwei Jahren erlebt, als ihr Album “Jelängejelieber”, ergänzt um vier englischsprachige Songs, auch in den USA herauskam und dort unter anderem in den Läden der Unterwäschenmarke “Victoria’s Secret” auf Dauerrotation lief. Während man hierzulande gleich mit 2raumwohnung oder Silbermond verglichen wird, weil man auch Deutsch singt, “wird man dort gar nicht in diese doofen Schubladen gesteckt”, wie Suzie sich immer noch grinsend freut. “Dort hat man unseren Sound schon mal in einem Atemzug mit weltweit bekannten Bands wie Coldplay oder Air genannt. Das sind Gruppen, die wir wirklich mögen! Die Amerikaner haben echt erkannt, dass wir viel eher aus dieser musikalischen Ecke kommen.” Spätestens mit den beherzten Songs auf “Berge versetzen” wird man wohl aber auch in Deutschland dahinter kommen. Und die Sonne leuchtet den Weg!

Text: Patrick Heidmann

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