Ansteckende Klänge

Vor drei Jahren war klez.e auf einmal überall. In nur wenigen Tagen verbreitete es sich rasend schnell und war weltweit aktiv. Millionen Menschen kamen mit klez.e in Kontakt. Auch Tobias Siebert, Tonstudiobetreiber und Gitarrist der Berliner Band Delbo, hatte diese Bekanntschaft gemacht. Es war eine ärgerliche wenn auch nur kurze Episode. Denn: klez.e ist ein Computervirus. Für Tobias Siebert hatte der Virus aber auch eine gute Seite – trotz des Computercrashs: Seine im Sommer 2002 so eben gegründete Band war noch namenlos. Die fünfköpfige Gruppe entstand als ein Nebenprojekt zu Delbo, mit Tobias Siebert als Sänger und Songschreiber. Bisher verlief die Suche nach einem originellen Bandnamen erfolglos.

Doch der Virus inspirierte sie: Die Band wurde klez.e getauft. “Der Virus ist das Synonym für sich schnell verbreitende Absurditäten“, sagt Tobias Siebert, und das passt zu der Musik. Auf dem im letzten Sommer erschienenen Langspieler ‘Leben Daneben’ bauen sich Gitarrenwände auf, ein Computerbeat raschelt, kratzt, treibt das Lied nach vorne, um dann wieder zu zerbrechen. Sphärenklänge, das Säuseln, was wir von Portishead oder Beth Gibbons and Rustin Man kennen, flutet den Song. Ein Theremin, dieses seltsame Instrument, welches man spielt ohne es anzufassen? Vielleicht. Dann dieses prügelnde Piano auf dem Opener ‘Du Kannst Durch Mich Durch Sehen’. Es erinnert sofort an die Dynamik der kongenialen Album-Eröffnung ‘Politik’ von Coldplay. Sowieso fallen beim Hören massenweise Vergleiche ein: Die Elektronik, das zurückhaltend Raschelnde: The Notwist. Dann wieder die treibenden gebrochenen Beats der späteren, elektrisierten Radiohead. Es ist nicht von der Hand zu weisen, klez.e zitieren und nehmen gerne etablierte Formen der Instrumentierung und Kompositionen auf. Trotzdem bleiben sie aber weit genug von den Vorbildern entfernt, um ihre Eigenheiten zu wahren. klez.e klingen warm, ihre Musik fast lebendig. Tobias erklärt warum:”Viele Sounds werden von analogen Geräten erzeugt, alle anderen schicken wir im Studio noch mal durch den Computer und nehmen sie dann wieder auf. Das wird dann organischer. Das ist uns sehr wichtig, wir haben ein halbes Jahr im Studio verbracht, um an solchen Dingen zu basteln.”

Das Zusammenspiel der Instrumente ist gut. Verdammt gut. Die Kompositionen haben die Kraft, den Hörer in die Songs zu ziehen, zu berauschen. Zu dem ekstatischen Vibe der Lieder passt die reduzierte, schwer zu greifende Art der Texte. Sich steigernd, fast mantrisch, werden immer wieder kurze Halbsätze wiederholt, um sich dann in der gemeinsamen Explosion der Instrumente aufzulösen. “Wenn wir Lieder schreiben, singe ich zunächst eine Fantasiesprache, bei der man schon bestimmte Wortformungen oder einen gewissen Klang heraushört. Ich achte schon darauf, dass ich in dem Klang der Fantasiesprache später in Deutsch drauftexte. Ich würde meinen Gesang daher eher als Instrument sehen”, erläutert Tobias seine Rolle als Sänger.

‘Leben Daneben’ ist eine sehr ernste Platte. Sie fordert Zeit und als Dank wächst sie bei wiederholtem Hören. Ein wirklich bemerkenswertes, weil untypisches, Debüt einer deutschen Band. Im kommenden Frühsommer machen sich die fünf bereits an die Aufnahmen für ihr zweites Album. Wir können also sehr gespannt sein. Momentan sind sie allerdings noch auf Tour. Ihrer ersten großen. Tobias freut sich: “Es gibt sogar oft Leute im Publikum, die Texte mitsingen…”

Natürlich. Denn eines ist sicher: klez.e ist ansteckend.

Text: Janis Voss