Sänger Tobias Siebert über menschliche Kälte durch neue Kommunikationsmöglichkeiten, die Freude an der Reproduktion, Zerstörung der Wälder und ein klein wenig Theater.

Klez.e haben gerade ihre “Variationen”-Tour hinter sich gebracht. Dafür packten sie Stücke vom letzten Album „Vom Feuer der Gaben“ in ein neues, reduzierteres Gewand, schnappten sich Kochtopf, Akkordeon, ein paar Handies und einen Beamer, um die eigenen Songs auf der Bühne auch zu visualisieren. Schon im Winter 2008 hatten Klez.e sich unter dem Namen zk.eel selbst reproduziert. An diesem Projekt jedoch war nur ein einziges Bandmitglied beteiligt. Hinter den „Variationen“ steht die gesamte Gruppe und sie scheint zu sich gefunden zu haben. Was Frontmann Tobias Siebert über Wassersymbolik, verkühlte Kommunikation und das nötige Kleingeld zu sagen hat, erfahrt ihr im motor-Interview.

motor.de: Ihr seid gerade mit Klez.e-Variationen unterwegs. Wieso gibt es kein neues Album, sondern mal wieder Variationen?

Tobias Siebert: Zk.eel war ein Remix-Projekt von einem aus der Band. Jetzt haben wir Klez.e und die Variationen von „Vom Feuer der Gaben“. Anfang des Jahres wurden wir von TVnoir in Berlin eingeladen und dafür haben wir ein paar Stücke in diese akustische Umsetzung umgebaut. Das kam super an und hat uns selbst auch so gut gefallen, dass wir entschieden haben, nochmal eine ganze Tour zu starten mit allen Liedern in dieser sehr skelletierten Variante.

motor.de: Ähnliches habt ihr ja auch schon mit „flimmern“ gemacht. Reproduziert ihr euch gerne selbst?

Tobias Siebert: Ich glaube, dass wir einfach auf der Suche sind und dass wir uns jetzt tatsächlich nach acht Jahren in diesen Variationen gefunden haben. Da werden wir wohl auch anknüpfen für das nächste Album.

motor.de: Arbeitet ihr häufig noch lange nach der Veröffentlichung einer Platte an euren Stücken? Viele Künstler können ihre eigenen Sachen ja schnell nicht mehr hören. Bei euch scheint das etwas anders zu laufen. Erzähl doch mal.

Tobias Siebert: „Vom Feuer der Gaben“ war schon ein ganz schöner Koloss und hat uns ziemlich viel abverlangt. Da war es tatsächlich sehr anstrengend, nach der Tour nach Hause zu kommen und darüber nachzudenken, noch einmal neue Versionen zu entwickeln. Aber es ist gut, dass wir das getan haben. Wir lieben die Variationen, so wie wir sie jetzt spielen und können das jeden Tag auf der Bühne neu zelebrieren, sodass es einfach nur total viel Spaß macht. Die Stücke werden immer ein bisschen anders gespielt. Mal ist der Anfang anders, mal das Ende. Da passiert live beim Konzert so eine Dynamik innerhalb der Band und das ist schön. Vorher war die Songstruktur sehr klar und dieser gefestigte Ablauf. Das haben wir zur Zeit gar nicht. Wir spielen einen ungefähren Kern und drumherum wird ein bisschen gesponnen. Irgendwo flirrt es dann plötzlich. Das ist immer wieder eine Überraschung für jeden und deswegen macht es gerade auch total viel Sinn für uns, immer wieder neu zu entdecken, was man mit diesen Liedern eigentlich alles machen kann.

motor.de: Ich habe gelesen, dass ihr euren Stücken durch „Variationen“ mehr Entfaltungsspielraum geben wollt. Welche Rolle spielt für euch die Symbiose aus Live-Show und Musik?

Tobias Siebert: Am Ende vom Songwriting gibt es den Punkt, an dem die Band zusammenkommt und diese Stücke spielt. Das ist erstmal ein ganz großer Moment: Vier Leute stehen zusammen und machen gemeinsam Musik. Wenn dann das Publikum dazu kommt, zuhört und eine Atmosphäre zurück gibt, dann macht das alles plötzlich noch mehr Sinn und mehr Spaß. So wächst das zu einem großen Ganzen zusammen, das einfach gefällt.

motor.de: Wird es die „Variationen“ auch für Zuhause geben?

Tobias Siebert: Ich glaube, die werden wir auf Vinyl veröffentlichen. Wir würden das gern mal wieder richtig als LP pressen lassen inklusive Download-Code.

motor.de: Kann man sich denn in naher Zukunft auch auf neues Material einstellen?

Tobias Siebert: Ja, wir arbeiten schon parallel an neuen Stücken und gehen jetzt im November ins Studio, um zu schauen, wie weit wir kommen. Der Plan ist, im nächsten Jahr ein neues Album zu veröffentlichen.

Klez.e – “Die große Einfachheit” (TVnoir)

motor.de: Ich bin bei Youtube auf dieses TVnoir-Video gestoßen, wo ihr „Vom Feuer Der Gaben“ in der Variationen-Version zum Besten gebt. Da kommen ja ziemlich viele unterschiedliche Elemente zusammen. Telefone, Glockenspiel, Kochtopf und viel, viel Elektronik. Wie kamt ihr darauf?

Tobias Siebert: Wir standen im Proberaum und dachten uns, wir wollen eine entspanntere Version von „Vom Feuer der Gaben“ machen. Dann hat jemand begonnen, Akustikgitarre zu spielen und jemand anders hat irgendwo drauf rumgekloppt und wir dachten uns gleich „Ah, das klingt ja interessant!“. Das hat sich ausgeweitet und dann lagen Handies herum, die ja ohnehin ständig klingeln. Da haben wir uns gefragt, was man denn mit dem Handy machen könnte: Man kann ein anderes Handy im gleichen Raum anrufen, dadurch gibt es dann einen Delay und mit diesem Delay kann man arbeiten. Ich singe hinein und dann kommt der Gesang kurze Zeit später durch das Handy zurück. Meinen echten Gesang gibt es aber auch noch und dadurch gibt es so eine komische elektrische Verzwirbelung. Es addiert zu dem Signal, was man von sich gibt, noch weitere Signale. Das macht man normalerweise mit Effektgeräten, wir machen das jetzt halt etwas umständlicher mit dieser Handy-Variante. Es sieht gut aus, gibt ein paar Feedbacks und passt halt auch gut zu der ganzen Klez.e-Idee, diese neue Kommunikation und diese Kühle, die durch SMS, Telefonieren, Facebook und durch eben nicht mehr Nähe entsteht, auch in Frage zu stellen.

motor.de: Ist das jetzt gerade denn auch schon so etwas wie zusammenkommen und sich inspirieren lassen?

Tobias Siebert: Die Tour hilft sehr, zu uns zu finden und zu sehen, in welche Richtung zukünftige Lieder gehen sollen. Das gerade ist viel intensiver und viel mehr Klez.e als es vorher war. In diese Richtung werden wir die neue Platte auch aufnehmen. Das neue Album wird also etwas reduzierter, dafür aber gezielter und ein bisschen mehr Theater vielleicht. Es gibt momentan auch Gespräche, dass wir für verschiedene Theaterstücke Musik machen könnten, die wir dann live im Theater spielen. Das würde dann ohne Gesang stattfinden, quasi „Klez.e macht Theatermusik“ oder wie auch immer das dann heißen wird. Wir sind sowieso sehr kunstfixiert und finden es interessant, Dinge zu verbinden. Wir wollen nicht einfach immer nur bei der Musik bleiben, sondern mehrere Ebenen verbinden. Ich habe jetzt vor einem Jahr begonnen, vermehrt Bilder zu malen. Das ist nochmal ein ganz anderer Ausdruck. Einen blauen Strich von rechts nach links zu ziehen, ist ja auch was. (lacht)

motor.de: Das Video zu “Center” kann man in kopierten Einzelbildern für je 1 € kaufen. Der Erlös geht an das WWF Projekt “Naturpark Uckermärkische Seen”. Könnt ihr dazu noch ein paar Worte verlieren? Wie kam es zu der Aktion? Was genau ist das für ein Projekt?

Tobias Siebert: Wir haben das Video gedreht, es auf 6500 A4-Blätter ausgedruckt, die dann durch den Kopierer gejagt, das wiederum abgefilmt und in der richtigen Geschwindigkeit ergibt sich wieder der eigentliche Film. Am Ende hatten wir dann 6500 bedruckte Blätter und haben überlegt, dass es total dumm wäre, die jetzt weg zu werfen und einfach Papier zu verschwenden. Deswegen dachten wir, wir bieten es den Fans an. Die können sich so ein Bild einfach für einen Euro kaufen und diesen Euro spenden wir für einen Zweck, der Wald und Natur wieder aufrecht erhält. Da gibt es dieses Projekt in diesem Seengebiet. Diese Leute setzen sich dafür ein, dass Wälder geschützt werden, nicht gekauft und abgeholzt werden können und dass man dort keine Häuser hinbauen kann. Deswegen auch an dieser Stelle nochmal ein Aufruf: Es gibt noch ein paar Blätter. Kauft die doch. Ihr findet sie auf unserer Website.

motor.de: Auch eure „Flimmern“-Platte war ja voll von See-Bildern und auf dem aktuellen Album findet sich das Stück „Am Grund der tiefgrünen See“. Nun dieses WWF-Projekt. Habt ihr eine besondere Affinität zu Wasser?

Tobias Siebert: Dieses Projekt ist ja jetzt eher ein Waldprojekt. Dadurch, dass Papier was mit Wald zu tun hat, gibt es ja die direkte Verbindung. „Flimmern“ war aber tatsächlich so ein Wasser-Thema. Da haben wir vorab auch Fotos unter Wasser gemacht und überhaupt meinte jemand aus der Band, „Flimmern“ sei für ihn grün als Gesamteindruck, wenn er die Platte hört. So hat sich irgendwie herauskristallisiert, dass die Platte sehr viel mit Wasser zu tun hat. Ich glaube, die tiefgrüne See war auf „Vom Feuer der Gaben“ einfach noch ein Überbleibsel aus der Zeit.

motor.de: Die zk.eel-Geschichte konnte sich ja jede/r kostenlos im Netz herunterladen. Warum habt ihr euch für diesen Weg entschieden? Wie steht ihr zu freier Musik, die man gratis im Netz hören kann?

Tobias Siebert: Das war einfach ein Weihnachtsgeschenk. Ich finde es gut, dass man so etwas einfach über das Netz herausbringen kann, dass es sich dadurch verbreitet und weiterentwickelt. Wir haben in letzter Zeit sehr viel überlegt, wie die Veröffentlichungspolitik für die nächsten Platten laufen soll. Wir haben zwar unser eigenes Label, aber ich glaube, dass der Hauptpunkt in Zukunft darauf liegen wird, Musik über das Internet zu vertreiben oder irgendwie auf die Straße zu gehen, sich hinzustellen und zu musizieren. Gerade denken wir sehr viel darüber nach, wie wir diese typischen Strukturen aufbrechen können: Platte kommt raus und man bemustert alle Zeitschriften. Die schreiben aber sowieso nur Mist und lieber über ausländische Bands als über deutsche. Eigentlich kann man sich das auch sparen, denn ich glaube, wenige Leute kaufen eine Platte nur, weil „geil“ in der Intro steht.

Wir müssen uns nur noch einen guten Deal ausdenken, dass wir auch ein bisschen was davon haben. Man darf nie vergessen, dass eine Band auch Ausgaben hat. Man kann und darf es also nicht umsonst anbieten. Dadurch, dass man alles überall gratis bekommen kann, ist der Wert von Musik sowieso schon verloren gegangen. Man muss den Leuten klar machen, dass Musik etwas ist, das geschaffen werden muss und was auch Geld kostet. Das ist wie bei einem Bild, das man sich kauft und aufhängt. Wir müssen noch etwas finden, das rückfinanziert, was wir da reinstecken und gleichzeitig unsere Musik an die Hörer bringt. Schön wäre, wenn am Ende noch ein bisschen was übrig bleibt, damit wir uns mal eine Pizza kaufen können.

Interview: Lydia Meyer