Auf “Pilgrim’s Progress” besinnen sich Kula Shaker auf die 60er. Das beschert dem Album teilweise einen verjährten Sound, verleiht ihm aber auch Unsterblichkeit.

Wie zeitlos kann Musik eigentlich sein? Ein bisschen rütteln temporäre Trend-Tendenzen doch auch an den strengsten Genre-Hardlinern. Es sei denn, man heißt Kula Shaker, ist ausgestattet mit ganz viel Seelenheil und versteckt sich in der Einöde Ardennes, Frankreich, vor zeitgenössischen Einflüssen. Bassist Alonza Bevan erklärt uns das Verhältnis von Zeit und Musik folgendermaßen:

Qualität ist für mich zeitlos. Die Zeit, in der ein Album gemacht wurde, hat keinen Einfluss darauf, ob ich es mag oder nicht. Überhaupt ist es eher die Produktion und nicht der Song, die Aufschluss über den Entstehungszeitraum einer CD gibt.“

Diese Formel geht auf. Denn während die Songs auf „Pilgrims Progress“ eher nach 60er Jahre Psychedlic-Musik im Stile der Beatles und Jethro Tull klingen, ist das Album produktionstechnisch doch eindeutig auf das Jahr 2010 datiert.

Ganz selbstverständlich bedienen sich die Kulas auf ihrem dritten Studioalbum bei einer Dekade, der zur Zeit nicht viel Aufmerksamkeit geschenkt wird. Das kennt man schon von ihrem Kassenschlager „K“, jedoch fischen sie sich diesmal nicht die fetten Gitarrenriffs heraus, sondern schöpfen sich etwas Harmoniebedürfnis, Sex-Orgien und Friedensprophezeiungen ab. Wie gelangt man zu innerem Frieden? Wie wird man glücklich? „Only love will take you there“ antwortet der Drogenchor im Kollektiv.
Konnte man sie früher noch an Britpop-Bands wie Oasis und Blur messen, rocken die Indien-Fans mittlerweile eher auf Socken. Der Indien-kundige Frontmann Chrispian Mills erweiterte den Sound zwar schon immer durch spiritualistische Einflüsse, jedoch ist er bei „Pilgrims Progress“ besonders konsequent. Das fängt schon beim Albumnamen an, der sich auf „das erste Buch in englischer Sprache bezieht. Es beschreibt die Reise der Seele von einer Welt in die andere“, so der Bassist.

Kula Shaker – “Hey Dude”

Als Britpopper bedienten sich Kula Shaker noch bei fetten Gitarrenriffs

Mystisch geht es auch bei dem Song „Modern Blues“ zu, der zusammen mit „Figure It Out“ sicherlich das Trostpflaster für alle „K“-Nostalgiker darstellt. Eingeleitet wird der Track von einer Hindi sprechenden Frauenstimme, was uns Alonza Bevan folgendermaßen erklärt:

Das ist ein Auszug aus dem Mahabharata (indischer Epos, Anm.d.Verf.), in dem die böse Hexe Putana sagt, dass sie Gift in ihre Brüste tun wird, um auf diese Weise alle Kinder umzubringen. Ihr erstes Opfer soll das Baby Krishna sein.“

Nach dieser epischen Einleitung geht es weiter mit einer dynamischen Rhytmusgitarre, stakkatoartigem Einsatz der Hammond-Orgel und zweistimmigem Gesang. Seine Kimax  findet das Ganze schließlich in einem kreischenden Gitarrensolo.

Kula Shaker lassen sich inspirieren. Und so referiert “Pilgrim’s Progress” nicht nur indische Mythen, sondern bezieht sich auch auf Bücher, wie uns Alonza im Interview erklärt. Die erste Single-Auskopplung „Peter Pan R.I.P.“ sei durch Das Buch „The Lost Boys“ von Andrew Birkin beeinflusst „und die Kinder, für die er die Geschichte von Peter Pan geschrieben hat.“ Leider ist die erste Single auch der Song des Albums, bei dem die 60er Jahre-Instrumentierung fast etwas zu kitschig wirkt. Sich von Peter Pan verabschieden zu müssen auf dem Weg des Erwachsenwerden, auch eine etwas abgegriffene, schmalzige Metapher. Sicherlich ein Schwachpunkt des Albums, dessen 60er Jahre Einflüsse sonst so wunderbar funktionieren.

Kula Shaker – “Peter Pan R.I.P.”

Nicht so jugendfrei wie bei Peter Pan geht es auf dem Track „Barbara Ella“ zu, ein Funk-beeinflusster Track, auf dem eine deutsche, weibliche Stimme knurrt und „Das ist gut! Schneller! Schneller!“ ins Mikrofon stöhnt. Der Song grooved und Chrispians Stimme wandert die Tonleiter hoch in sonst ungewohnte Soul-Gefilde.

Das Album nimmt sich ungewohnt viel Zeit für lange Solo-Parts und wagt außergewöhnliche Instrumentierungen, wie Sitar, Kuhglocken, Hammond-Orgeln, Geigen, Klangstäbchen und Flötenchöre. Allein der Song “Ophelia” beweist außerdem, was Kula Shaker für wunderbare Akustgitarren fabrizieren können, die bei Grizzly Bear und Fleet Foxes-Fans ihre Anhänger finden werden. Auch wenn der Sound des Albums irgendwie vertraut erscheint, ist es doch eine sehr angenehme Abwechslung zu Synthesizern und Effektgeräten, zu denen viele Bands im Zeitalter der technischen Fortschritts sonst verführt werden. Aber psst, davon wissen Kula Shaker ja gar nichts. Und das ist auch besser so.

Laura Gertken


VÖ: 16. Juli 2010

Trackliste:

01. Peter Pan R.I.P.
02. Ophelia
03. Modern Blues
04. Only Love
05. All Dressed Up
06. Cavalry
07. Ruby
08. Figure It Out
09. Barbara Ella
10. When A Brave Meets A Mate
11. To Wait Till I Come
12. Winters Call