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Categories: Konzertbericht

Ziemlich beste Freunde – ein Abend mit La Dispute, Title Fight, Make Do And Mend & Into it. Over it.

Eine Jugend-Bewegung? Come on – woher denn?! Ein Abend mit La Dispute bringt diese Überzeugung dann doch etwas ins Wanken. Auch wenn es niemals meine Bewegung sein wird, den Claim: “Der Fuß im Gesicht ist die neue Blume im Haar.” lass’ ich mir schützen.

Ein Blick auf den Merch-Stand verriet es schon: das sollte ein straffes Programm werden an diesem Oktoberabend im Leipziger Conne Island. Ist eben so, wenn gleich vier Künstler ihr Zeug ankarren (nur mal nebenbei: so gestaltet man schöne, kreative Shirts – weit und breit keine überteuerten “weißer Band-Schriftzug auf schwarzem Shirt“-Frechheiten zu sehen). Nimmt man den Vinyl-Verkauf draußen vor dem Eingang hinzu, bot dieser Abend reichlich Anlass zum frühmonatlichen Dispo. Doch man ist ja diszipliniert; im Gegensatz zu Evan Thomas Weiss, alias Into it. Over it., der ungewöhnlich pünktlich die Bühne mit seiner Akustikgitarre betritt, um den langen Abend offiziell zu eröffnen. Nicht, ohne die Bitte zu formulieren, doch seine Platte zu kaufen, weil er gerade selbst 300€ an erwähntem Vinyl-Stand gelassen hat. Sympatikuss.

Mit La Dispute und Title Fight hatten sich an diesem Abend nicht nur zwei Schwerkaliber des jüngsten US-Hardcore-Hypes namens “The Wave” angekündigt, sie hatten auch noch ihre (zumindest in den Staaten) nicht minder bekannten Freunde von Make Do And Mend und eben jenen Evan Thomas Weiss mit an Bord geholt. Der hatte mit seiner zwar Energie-geladenen aber den dynamischen Restriktionen eines Ein-Mann-Unterhalters erlegenen Performance keinen leichten Stand. Wohlwollenden Applaus gab es dennoch hier und da. Die folgenden Make Do And Mend zimmerten da schon ein weitaus dickeres Brett, irgendwo zwischen Punk-Galle und melodischem Alexisonfire-Herz. So richtig Dynamik brachten zwar auch die nicht in ihr Set, erste Bewegungsjunkies dallerten sich im vorderen Hallenbereich trotzdem schon einmal warm.

Make Do And Mend – “Oak Square”

Zwei Anheizer, die zwar nicht verheizt, aber auch nicht wirklich effektiv gezündet wurden – das sollte sich mit Title Fight aus Kingston, Pennsylvania schlagartig ändern. Vom braven Mitwipp-Abend zur Bühnen-Anarchie in gerade mal ein paar Songs – Hut ab dafür. Stagediver von links, von rechts, aus dem Backstage und eigens engagierte Bühnen-Security, die alle Hände voll mit notdürftigen Reparaturen zu tun hatte; sich notfalls sogar nicht zu schade war, entrissenen Mikros hinterherzuspringen. Und mitten im Chaos, in aller Seelenruhe, vier unscheinbare Kerle, die aussehen, wie frisch von der Highschool – ihr kürzlich erschienenes Album “Floral Green” im Gepäck. Ziemlich abgebrüht, verdammt rotzig aber nicht wirklich nahbar, wirkte das, was das Quartett zu bieten hatte.

Selbst als Sänger/Bassist Ted Russin zum Ende hin unter zehn bis fünfzehn Fans begraben wird, ringt ihm das nur ein müdes Lächeln ab. Wenige Ansagen, dazu solide Punk-Kost mit Post-Hardcore-Einschüben – so recht wollte sich der Anlass zur Ekstase mir da noch nicht erschließen, aber was weiß ich schon. Das überwiegend sehr junge Publikum ging jedenfalls exzessiv seinem Bewegungsdrang nach. Das Island war also erwärmt für die Headliner des Abends: La Dispute aus Grand Rapids, Michigan.

Title Fight – “Shed”

Die Jungspunde hatten im letzten Jahr mit ihrem Zweitwerk “Wildlife” für ordentlich Furore gesorgt, nicht zuletzt, weil sie es verstehen, ihren musikalischen Anspruch entsprechend inhaltlich zu unterfüttern – so auch diesen Abend. Sänger Jordan Dreyer hechelt atemlos durch seine Prosa, die Stimme immer ganz nah am Kollaps (“A Poem” – Wow!) während sich die Band beinahe unheimlich dicht an der enorm vielschichtigen, abwechslungsreichen und anspruchsvollen Progressive/Mathrock/Hardcore-Mixtur von “Wildlife” und “Somewhere At the Bottom of the River Between Vega and Altair” abarbeitet.

La Dispute – “Edit Your Hometown”

Beeindruckend auch, dass Dreyer noch einmal das dankend unterstreicht, was vielen der lediglich Beobachtenden an diesem Abend schon vorher durch den Kopf geschossen war: Es ist faszinierend, wie rücksichtsvoll und verantwortungsbewusst das Gros der Feierwütigen bei aller Körperlichkeit agiert. Es wirkt an diesem Abend wie ein unhörbares, gegenseitiges Versprechen: “Du magst Schmerzen haben, aber damit bleibst du hier wenigstens nicht allein.” Wie eng sich dieses Abkommen ideologisch an die beklemmenden Texte Dreyers binden lässt, wuchtet “King Park” als letzte Zugabe noch einmal ins Gedächtnis – “how could you ever forget – how senseless death, how precious life?“.

Selbst für die Anwesenden, die sich nicht unbedingt zur Hardcore-Szene würden rechnen wollen, wurde an diesem Abend spürbar, dass das hier vielleicht wirklich alles Teil einer größeren Bewegung ist. Da war dieses spürbare, enge Band zwischen den Künstlern, den Fans und der Aufrichtigkeit zur eigenen Musik, im Falle von La Dispute gab’s die absolute Klasse sogar noch on top – wäre es nicht so brutal, es wäre hippiesk. Motto des Abends: “Der Fuß im Gesicht ist die neue Blume im Haar” – meine Szene wird das nicht mehr; aber es hat was.

Henning Grabow

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