Phillipa Brown hat bewegte Jahre hinter sich. Nach ihrem 2008er Debüt als Ladyhawke hieß es für sie: Mit den eigenen Dämonen klarkommen und am neuen Werk “Anxiety” nicht verzweifeln – wie sie das geschafft hat, erzählt sie uns im motor.de-Interview.
(Fotos: Island Records)
Für The Vines war es ein schwerer Schicksalsschlag: Als Sänger Craig Nicholls im November 2004 wegen mutwilliger Zerstörung einer Kamera vor Gericht erscheinen muss, traut die beschädigte Journalistin ihren Ohren nicht – ein psychologisches Gutachten diagnostiziert beim angeklagten Frontmann das Asperger-Syndrom, ein Spektrum des Autismus und von jetzt auf gleich wird Nicholls aus der Öffentlichkeit herausgezogen. Danach bleibt er zwar mit seiner Band aktiv, aber Interviews oder ähnliches gibt es seitdem nicht mehr.
Was das mit unserer Interviewpartnerin Phillipa Brown zu tun hat? Auch sie leidet an der schwer therapierbaren Erkrankung, hat über die Jahre allerdings damit leben gelernt und wagt sich trotz möglicher Nebenwirkungen an die Presse heran.
2008 erschien ihr gleichnamiges Debüt “Ladyhawke” und sorgte mit Pop-Appeal und anspruchsvoller Instrumentierung für allerhand Aufsehen – sahnte zudem in der neuseeländischen Heimat Browns massenhaft Awards ab und ließ den kommerziell wenig beachteten Start ihrer Karriere vollends vergessen: Im Schlepptau mit Nick Littlemore (Empire Of The Sun) hatte sie sich zuvor im Kreise der Teenager versucht, aber leider versank deren einziges Album namens “Thirteen” auf großer Bühne komplett. Wie gut, dass sie sich nicht hat unterkriegen lassen und trotz all der Belastung, die ihr Projekt Ladyhawke im Anschluss mit sich brachte, unbeirrt nach vorne blickte: “Anxiety” ist der Nachfolger zum erfolgreichen Erstling und begegnet dem Vorgänger mindestens auf Augenhöhe. Mal wieder hat man das Gefühl, Jeff Lynn’s Electric Light Orchestra stand Pate, DJane Annie lieferte die Beats hinzu und Indieacts wie New Young Pony Club steuerten die Gitarren bei – eine krude Mischung, die jedoch bestens funktioniert.
Im motor.de-Interview sprachen wir mit Phillipa Brown über Idole, die anderen peinlich sind, das Asperger-Symdrom und was der Erfolg mit der Frau hinter Ladyhawke gemacht hat – im Positiven wie Negativen.
Ladyhawke – “Sunday Drive”
motor.de: Zur Begrüßung erkundigt man sich in aller Regel erst mal nach dem Wohlbefinden des Gesprächspartners – allerdings fällt dein Bryan Adams T-Shirt sofort ins Auge.
Phillipa Brown: (lacht) Ach ja?
motor.de: Definitiv! Trägst du es aus Retro-Chic-Gründen oder kannst du wirklich etwas mit ihm anfangen?
Phillipa Brown: Ich mag ihn sehr. Sein Songwriting ist gerade in den Achtzigern sehr inspirierend gewesen und viele versuchten es zu kopieren – auffällig war es immerhin schon, dass Adams als Rockmusiker solch großes Publikum erreichte und “Cuts Like A Knife” vielleicht nicht das beste Album aller Zeiten ist, bei mir aber total oft läuft.
motor.de: Du scheinst generell weniger die klassischen Acts zu mögen. Electric Light Orchestra geben auch nicht viele als Kreativquelle an.
Phillipa Brown: Die haben wundervolle Popsongs geschrieben und natürlich lässt es sich leichter leben, wenn du der Welt erklärt, dass The Cure, Joy Division oder The Smiths deine Lieblingsbands sind – aber im meinem Falle wäre das nur die halbe Wahrheit.
motor.de: Sehr irritiert waren einige Journalisten auch, als du dir nach dem erfolgreichen Einstand mit deinem Debüt “Ladyhawke” die anschließende Support-Tour für Ida Maria vom Celebritiy-Blogger Perez Hilton finanzieren ließest.
Phillipa Brown: (nickt vielsagend) Das war nicht aus Geldnot der Fall, sondern der Tatsache geschuldet, dass Perez Hilton trotz seines kitschigen Glamour-Images sehr viel Ahnung von Musik hat und nicht allein Katy Perry rauf und runter hört. Ich wurde angefragt, fand Ida toll und habe mitgemacht, Punkt aus.
Ladyhawke – “Black, White & Blue”
motor.de: Angekündigt war dein neues Album “Anxiety” bereits für Herbst letzten Jahres. Was hat die Veröffentlichung hinausgezögert?
Phillipa Brown: Zuallererst mein eigener Anspruch. Prinzipiell wären die Tracks 2011 fertig gewesen, aber irgendetwas fehlte und da mein Label mir die Zeit gab, holte ich noch einmal weit aus und schraubte an einigen Sachen herum.
motor.de: Aufgrund der vielen Instrumente, die du beherrschst, ist es sicher nicht leicht irgendwann auch mal loszulassen – oder?
Phillipa Brown: Geht so, irgendwann ist halt auch gut. Andererseits muss man genau diesen simplen Satz lernen – ihn umzusetzen, bedeutet halt immer einen Verzicht und wer verzichtet schon gerne auf etwas? (denkt nach) Ich glaube diesen Punkt mit “Anxiety” ziemlich gut eingefangen zu haben.
motor.de: Da wir gerade so unbeschwert plaudern, eine Frage muss gestattet sein…
Phillipa Brown: (unterbricht sofort) Du möchtest mit mir über Asperger sprechen?
motor.de: Ein sensibles Thema!
Phillipa Brown: Lustig, ihr Journalisten seid da alle so unbeholfen, obwohl ihr es doch dringend wissen möchtet. Aber gerne spreche ich mit dir darüber – was willst du wissen?
motor.de: Craig Nicholls ist nach der Diagnose aus dem Rampenlicht verschwunden. Du scheinst einen Weg damit gefunden zu haben und sitzt jetzt hier.
Phillipa Brown: Weil es bei mir früher kam, als Teenager bereits und so hatte ich viel Zeit damit umzugehen – Zeit, die Craig wiederum fehlte und deswegen zog er sich zurück. Natürlich gibt es auch in meinem Alltag Momente, in denen ich mich abkapsle und niemanden sehen bzw. sprechen möchte. Allerdings geben dir verschiedene Therapieansätze Wege und Möglichkeiten damit umzugehen.
motor.de: Stell ich mir auf Tour schwierig vor: Da sind doch immer Menschen um einen herum, pausenlos.
Phillipa Brown: Ich schaffe mir Freiräume, gebe tagsüber manchmal keine Interviews und schlendere lieber zur Entspannung ein wenig rum – ziehe im Bus einfach die Gardinen zu, solche Sachen halt. Das Wichtigste an der Erkrankung ist, dass du dich selbst im Lichte davon neu kennenlernst. Klingt kompliziert, aber deine Psyche ist einfach ein stückweit verschiedener gestrickt, als bei vielen anderen Menschen, das musst du einsehen und damit umgehen, wenn man so will.
motor.de: Hat der Erfolg als Ladyhawke daran etwas geändert? So viel Rampenlicht ist sicher nicht förderlich…
Phillipa Brown: Ich habe zwei Alben aufgenommen, auf die ich ungemein stolz bin und mir ein wenig Last von den Schultern gespielt. Eigentlich mehr als man erwarten kann und deswegen schaue ich nur nach vorne, egal was hinter mir liegt, die Zukunft interessiert mich immer am meisten.
motor.de: Das Album trägt den Titel “Anxiety”, deutsch “Angst”. Vor wem oder was graut es dir denn?
Philippa Brown: Die Aufnahmen zum Album waren wirklich sehr schwierig und streckten sich über einen langen Zeitraum – dabei ging es für mich in allererster Linie darum, nicht durchzudrehen und einen klaren Kopf zu behalten. Sowie die vielen verschiedenen Wege und Möglichkeiten genauestens zu prüfen. (überlegt) Und Angst entsteht immer dann, wenn man das Gefühl hat, etwas Wichtiges zu vergessen oder außer Acht zu lassen. Was mir nicht passiert ist.
Interview & Text: Marcus Willfroth
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