Elektronische Popmusik und die 90er Jahre – Lali Puna im Interview.

Die aus Weilheim stammenden Elektropopper Lali Puna haben Anfang April nach sechs Jahren ein neues Album veröffentlicht. Mit ihrem mittlerweile vierten Studioalbum “Our Inventions” hat sich einiges verändert. Es gibt Nachwuchs im Bandgefüge, auch ein leichter musikalischer Kurswechsel wurde vorgenommen. Doch das könnte beim nächsten Mal auch wieder anders sein, wie uns Bassist Markus Acher (auch Gitarrist bei The Notwist) erzählte:
Vierspur-Rekorder vs. Laptop – Lali Puna sprechen über Vergangenheit und Gegenwart, ihr neues Album und darüber, wie man Familien- und Musikerdasein verbinden kann.


motor.de: Lali Puna sind wieder lebendig – “Our Inventions” erschien am 9. April und ist das erste Studioalbum nach sechs Jahren Pause. Was hat sich in dieser Zeit bei euch verändert?

Markus: Die entscheidenste Veränderung ist wohl, dass Valerie und ich eine Tochter bekommen haben. Jeder von uns hat aber auch mit verschiedenen anderen Bands, wie Notwist, Console, Portmanteau, John Yoko, Tied+Tickled Trio und anderen viel anderweitige Musik gespielt und aufgenommen.

motor.de: Ihr habt es gerade schon angesprochen – Valerie, wie lässt sich das Mutter- mit dem Musikerdasein verbinden? Hast Du gar daran gedacht, die Band zu verlassen oder aufzulösen, um Dich auf die Familie zu konzentrieren?

Valerie: Es war eigentlich immer klar, dass ich nach einer gewissen Pause wieder Musik mache. Trotzdem ist es natürlich nicht einfach, Familienleben und Band unter einen Hut zu kriegen. Aber es geht: Gerade touren wir zusammen mit unserer Tochter – das bedeutet für uns fünf Stunden Schlaf pro Nacht… Aber es ist auch sehr lustig und mal was ganz anders, mit Kind zu touren!

motor.de: Ihr wolltet mit eurer neuen Platte ja erst noch extremer in Richtung Dancefloor-tauglicher Musik gehen, weg von Gitarre und stärker in Richtung elektronische Tanzmusik. Warum diese Entwicklung, keine Lust mehr auf handgemachtes?

Markus: Wir haben in letzter Zeit wieder viel Musik aus den 90ern gehört, wie Seefeel, Broadcast oder Stereolab, die etwas angefangen hatten, was in der aktuellen Musiklandschaft wenig zu hören ist. Da haben wir Lust bekommen, wieder ganz elektronisch zu arrangieren, auf der anderen Seite aber noch songorientierter zu komponieren. Und nach der “Faking The Books” war das auch gut, um auf neue Ideen zu kommen.

Lali Puna – “Faking The Books”

motor.de: Resultiert Eure musikalische Entwicklung auch ein bisschen aus der Entwicklung im Konzertgeschäft? Das soll jetzt nicht heißen, dass Ihr damit Euren Anspruch herunterschraubt, aber mit Dancefloor-Tauglichkeit kann man es ja einer breiteren Masse recht machen, oder?

Markus: Tatsächlich gar nicht. Das war eher aus der Lust heraus, so etwas zu probieren. Wir haben es ja dann auch irgendwann wieder aufgegeben, als wir merkten, dass die Stücke eher wieder ruhiger sind, als wir dachten. Wir sind mit der Platte jetzt aber sehr zufrieden, so oder so.

motor.de: Wenn Ihr Euer aktuelles Album “Our Inventions” in ein paar Worten beschreiben müsstest, welche würdet Ihr finden? Was liegt Euch bei der neuen Platte besonders am Herzen?

Markus: Elektronische Popmusik, so würde ich das nennen. Alles ist sehr homogen geworden – das gefällt mir gut. Ansonsten fehlt mir noch der Abstand, um wirklich etwas zu der Platte sagen zu können.

motor.de: Hat die Gitarre bei Euch noch eine Zukunft oder verschwindet sie möglicherweise auf Eurem nächsten Langspieler in Gänze?

Markus: Die Gitarre hat auf jeden Fall eine Zukunft, wir haben da keine Regeln. Bei der nächsten Platte wird alles bestimmt wieder anders.

motor.de: Valerie, Du schreibst die Texte. Gibt es ein Ereignis, das Dich für bestimmte Song besonders berührt hat? Ich habe gehört, Du liest viel Zeitung.

Valerie: Das ist sehr unterschiedlich. Ich habe so eine Art Archiv, da schreibe ich Sachen rein, das kann dann auf etwas Persönlichem beruhen oder eben auf einer Nachricht aus der Zeitung (wie bei “Our Inventions” die Meldung aus der SZ, dass die Vögel Handymelodien erlernen. Also irgendwie ein Bild für unsere Fortschrittsgläubigkeit und ihre Auswirkungen).


motor.de: Das aktuelle Weltgeschehen hat ja auch wieder einige Gruselgeschichten parat. Sitzt Du schon wieder an neuen Songs?

Valerie: Eben gerade sind wir auf Tour und davor haben wir ziemlich intensiv geprobt. Also fanden wir noch keine Zeit für neue Stücke – und auch keine Zeit, das Archiv aufzufüllen.

motor.de: Ich habe es vorhin schon kurz angesprochen – die Zeiten für Bands sind momentan nicht gerade die rosigsten, eigentlich alles andere als das. Ihr seid ja schon seit 1998 unterwegs – was hat sich in den zwölf Jahren am stärksten für euch verändert?

Valerie: Der Stellenwert von Musik: Früher hat deine Plattensammlung dich noch definiert. Heute ist praktisch alles ständig und sofort verfügbar. Du kennst “Bibio” noch nicht – schon auf iTunes gekauft. Menschen sammeln ungaubliche Datenmengen an Songs. Dafür hat der einzelne Song oder Künstler weniger Wert – für manche jedenfalls, nicht für alle. Bei uns selbst hat sich natürlich die Produktionsweise verändert. Jeder hat einen Laptop. Man arbeitet viel zusammen, aber eben auch viel für sich. Die Technik schreitet voran. Wenn man bedenkt, dass ich auf einem Vierspur-Rekorder angefangen habe… Das kann man sich heute fast nicht mehr vorstellen.

motor.de: Gibt es eine junge, aufstrebende Band, die Euch gerade besonders am Herzen liegt, so etwas wie ein Geheimtipp?

Markus: Lucky Dragons (gibt es schon eine ganze Weile) und Katie Smokers Wedding Party.

Interview: Alex Beyer