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Alles wird besser, nichts wird gut: Mit dem Start von Spotify in Deutschland geht der Kulturkampf um das Musikhören der Zukunft in eine neue Runde.
“Tu doch nicht so, du magst es doch auch”, singen Deichkind auf ihrer aktuellen Single und zählen auf, was an der Welt zwar schlecht ist aber leider eben doch geil. Deichkind zählen zu den Bands im Lande, die mit den neuen Bedingungen im Musikbusiness scheinbar am Besten können, das zumindest immer schön stur behaupten und demzufolge auch zu den bekannteren Radikalen zählen, wenn es um das Verlachen von altmodischeren Musiker-Befindlichkeiten oder gar Lobby-Interessen bei der Piraterie-Diskussion geht. Für Deichkind war es sogar ein glücklicher Umstand, dass “Leider geil” – eben das aktuelle Stück – von YouTube mit dem sattbekannten Sperrvermerk versehen wurde. Eine kleine medienwirksame Online-Kampagne später ist das Video wieder freigeschaltet und Deichkind ist noch ein kleines Stück bekannter geworden. Als Musiker und als diejenigen, die sich nicht verbieten lassen; als “ehrliche Musiker”, die nicht nur auf den eigenen Vorteil bedacht seien, sondern ihren Fans – “Illegale Fans” hieß vor kurzem noch der ganz sicher nur halbironische Song zum Thema – sogar weißmachen, das wäre doch alles in Ordnung mit dem illegalen Downloaden. Deichkind füllen Hallen mit dieser Haltung, sie sind das gern angeführte Beispiel für die angebliche Überlebtheit des klassischen Musikverkaufens.
Aber vielleicht steht auch YouTube selbst schon wieder auf der Abschussliste der Internet-Geschichte. Denn wer sich nur mal schnell ein Stück von einer Band anhören möchte – darauf basiert ein Großteil der Klicks, um die es hier geht – braucht eigentlich kein YouTube mehr. Und schon gar nicht einen Hinweis auf “ist in deinem Land leider nicht verfügbar”. Der Kulturkampf um die Zukunft des Geschäfts mit Musik geht jetzt in eine neue Runde. Denn auch, wenn es schon seit einem Vierteljahr einige “Streamingdienste” gibt – Simfy ist sogar schon weitaus länger in Deutschland aktiv – erst mit dem jetzt erfolgten Start des weltweiten Platzhirschs Spotify wird die Diskussion wieder akut: Wie hört man Musik? Wie wird dafür bezahlt? Was bekommt der Musiker eigentlich noch für seine Musik? Oder auch gleich: Was ist Musik noch wert?
Deichkind – “Leider geil”
Auch Deichkind sind auf Spotify zu hören – genau so, wie nahezu alle Bands ihres Vertriebspartners Universal. 16 Millionen Titel sollen es insgesamt sein, es ist eine Zahl, die bei den gängigen Streaming-Anbietern mehr oder weniger gleich ist, was sie nicht weniger abstrakt macht. Wieviel von aller existierenden Musik das ausmacht weiß niemand. Selbst die GEMA, die hier in Deutschland zumindest alle urheberrechtlich geschützten Werke vertreten soll, zuckt auf Nachfrage der Gesamtanzahl ihrer geschützten Titel nur die Schultern. Es ist jedenfalls das erklärte Ziel von Spotify und all seinen Konkurrenten, alle Musik zugänglich zu machen. Bezahlen muss man dafür nichts, vorerst jedenfalls, alle Songs sind uneingeschränkt frei zugänglich.
Dieses “Spotify Free”-Modell ist es denn auch, was stutzen lässt. Denn wer sich die Einigung der GEMA mit dem Branchenverband Bitkom vom Ende des Jahres vergegenwärtigt, stellt fest, dass genau diese Kostenlos-Modelle mit Tarifen belegt sind, die ein solches Modell rein betriebswirtschaftlich praktisch unmöglich machen. Nur: Es gibt noch gar keinen Vertrag von Spotify mit der GEMA, das bestätigt die GEMA gerade noch, und ja, es gebe Verhandlungen. Über allem anderen liegt wieder jene unselige Omerta, die alle Diskussion über Musikangebote im Netz von Anbeginn prägt und die zu einem Gutteil dazu beiträgt, sie mit Gerüchten, Halbwahrheiten oder gleich reinem Lobbyspeak – nicht nur von Industrieseite – zu vergiften. Groß ist das Unbehagen nicht nur deshalb. Denn allgemein bekannt ist inzwischen auch, dass die Zahlungen von Streaminganbietern an ihre Vertragspartner, die Labels und Vertriebe, im Promille-Cent-Bereich pro angeklicktem Song liegen. Wenn der Musiker Glück hat, landet davon noch die Hälfte auf dem Konto. Fast nichts also, so der gängige Einwand.
Wenig ist aber immer noch besser als gar nichts. Das ist die Argumentation à la Spotify. Nur mit den extrem niedrigen Zugangshemmschwellen von Streamingdiensten könnte man die Musikhörer überhaupt wieder zurück in die Legalität holen. Dabei verweist das Unternehmen gern auf die Situation in seiner Heimat Schweden, wo Spotify inzwischen der größte Erlösgarant für die Musikwirtschaft sei – im selbsternannten Heimatland der sogenannten Musikpiraterie wohlgemerkt. Nur mal zum Vergleich: 200 Millionen Euro hat man nach Spotify-Angaben bisher ausgezahlt – seit 2008. Eine Summe, die heute ein breitbrüstiger Hollywood-Blockbuster allein schon mal kosten kann.
Dass die Erlöse nur mit enormer Masse an Hörern auch nur irgendwie für den Künstler relevant zu machen sind, ist der erklärte Business-Plan eines im Moment allerdings schwer vorstellbaren Wachstums. Aber sie haben ja auch Recht: Es ist die Macht des Faktischen, die für Spotify und Co. spricht. Streamingdienste sind eine Anpassung an drastisch geänderte Nutzungsgewohnheiten, die immer weniger auf dem noch vor zwanzig Jahren selbstverständlichen Konsens beruht, dass ein Titel Musik eine klassische Ware darstellt, die sich verkaufen und kaufen lässt. Spotify wird diesem Zeitgeist tatsächlich gerecht. Es ist schlicht und einfach ebenso bestechend wie verlockend, wie schnell und unkompliziert man Zugriff auf ein unerhörtes (und im Leben unhörbares) Musikarchiv bekommt – ohne den Makel des Illegalen, mit der Erfüllung des Versprechens von Sicherheit und Service, das die angestammte Musikindustrie nie einzulösen vermochte.
Dass selbst das teuerste in Deutschland erhältliche Streamingdienst-Abo nicht über 10 Euro pro Monat hinausgeht – es ist der eingespielte Tarif bei allen ernstzunehmenden Anbietern –, ist letztendlich nur Ausdruck dafür, wieviel der Hörer in seiner großen Mehrheit nach Meinung eben dieser Anbieter bereit ist allerhöchstens zu zahlen. Für (fast) alle Musik dieser Welt. Es ist ein Angebot, dass man auch als kritischer Musikfan nicht ablehnen kann. Leider geil.
Augsburg
Weitere Informationen:
(Bilder: Spotify)
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