Sinistrer Synthie-Pop im Stile alter Meister – und dazu eine Stimme, die durch Mark und Bein geht. Ein Duo aus New York will sich mit seinem Debüt für Höheres empfehlen. motor.de trifft fünzig Prozent von Light Asylum zum ersten Beschnuppern.

(Foto: Jeff Elston)

In der Vergangenheit die Antwort auf die Fragen des Hier und Jetzt finden? Ein Duo aus New York City hat sich dem synthetischen Pop-Sound der 80er Jahre verschrieben – das ist an sich nichts Neues und geschah in dieser Form in den letzten Jahren bekanntermaßen häufiger. Doch Light Asylum reichen simple Sound- und Optik-Referenzen an die Hochphase des Elektro-Pops als Daseinsberechtigung nicht aus. Ihre sinistren Melodien, welche bereits seit einer Weile in der Blogosphäre für Aufsehen sorgen, umweht bei aller Eingängigkeit auch etwas Mysteriöses, Kantiges und Dringendes. Es ist besonders die einzigartige Stimme von Shannon Funchess, die mitreißt und auf den Hörer einen bleibenden Eindruck hinterlässt. Vielleicht, weil es der aktuellen Musikwelt auch an solch markanten Organen mangelt.

Am 4. Mai wird das selbstbetitelte Debüt von Funchess und ihrem Mitstreiter Bruno Coviello den Weg in die deutschen Plattenläden finden. Darauf präsentiert sie eine mitreißende Melange aus verschiedensten popmusikalischen Wirkungsfeldern, die ihre Energie beispielweise aus Gothic, Disco und Industrial bezieht und damit ein Ausrufezeichen setzen will – für diese Band, ihren Sound, die Einstellung und jene Lieder, die weit mehr seien wollen, als nette Retro-Pop-Songs für Zwischendurch. Light Asylum im motor.de-Interview über die eigenen Wurzeln in der New Yorker Dance-Szene, die musikalischen Einflüsse und die bange Frage nach der Überlebenschance der menschlichen Rasse.

motor.de: Ihr stammt ursprünglich aus New York, seid euch aber im letzten Sommer für ein paar Monate nach Berlin gezogen. Gab es hierfür bestimmte Gründe – die berühmtberüchtigten Vibes der Stadt zum Beispiel?

Shannon: Wir wollten dadurch in erster Linie unsere Chancen vergrößern, Live-Auftritte in Europa und Großbritannien zu buchen. Wir hatten für unsere damalige EP “In Tension” keinerlei Tournee, geschweige denn eine Booking-Firma diesseits des Atlantiks. Wir wollten allerdings natürlich auch etwas von der kreativen Berliner Energie für unsere Platte einfangen, zumal es wesentlich günstiger ist, hier zu wohnen und zu arbeiten, als in Brooklyn.

motor.de: Habt ihr irgendwelche Pläne zurückzukehren und hier vielleicht noch etwas länger zu leben?

Shannon: Das würden wir sehr gern. Für uns ist Berlin so etwas, wie die kleine Schwester von Brooklyn. Wir werden unser aktuelles Hauptquartier im August auch wieder Richtung Berlin verlagern, während wir in Europa auf Festivals unterwegs sind. Dafür hatten wir einfach eine zu gute Zeit letzten Sommer.

Light Asylum – “A Certain Person”

motor.de: Shannon, du warst vor Light Asylum viel in der New Yorker Disco-Punk-Szene und in Bands wie !!! und LCD Soundsytem tätig. Woraus besteht dieser spezielle Vibe der Stadt, wenn es um Dance-Music geht?

Shannon: In New York sammeln sich wirkliche alle Arten von Kunst. Unglücklicherweise scheint die Club-Szene dort gerade etwas tot zu sein, wir hoffen aber, etwas zu ihrer Wiederbelebung beitragen zu können. The Rapture, Hercules And Love Affair und eben LCD Soundsystem haben ganze Arbeit geleistet, damit New York in Sachen Dance Music relevant bleibt. Das war damals eher eine Brooklyner Sache, einfach weil es preisgünstiger war, dort zu leben und zu arbeiten. Leider sind auch hier die Mieten in den letzten Jahren explodiert und jetzt irrsinnig teuer. Es ist jetzt in Down Town so wie in der Lower Eat Side – allerdings nicht so cool, wie in die Kunstszene in den 80ern, eher wie Disneyland ohne Achterbahn (lacht). Alle ziehen daher nach Los Angeles oder Austin in Texas, was sehr schade ist – immerhin war New York einmal die Nummer Eins für alle Kunstschaffenden in Amerika. Unsere letzten Bürgermeister – Guiliani und Bloomberg – haben das durch sinnlose Gesetze, Verbote und eine allgemeine Beschneidung des Nachtlebens in gewisser Weise ruiniert.

motor.de: Light Asylum war ursprünglich ja ein Solo-Projekt von dir. Wann genau habt ihr entschieden daraus ein Duo zu machen?

Shannon: Wir trafen uns an dem Tag, als wir gemeinsam für das Projekt von Freunden auf Tour gingen, damals 2007. Wir waren zu fünft in einem kleinen Van – das war sehr spaßig und wir waren quasi gezwungen, uns relativ schnell gegenseitig kennenzulernen. Bruno und ich hatten gemeinsame musikalische Interessen und wir hatten überlegt, nach der Tour mal zusammen zu musizieren. Ich habe Light Asylum zwar kurz dannach gegründet, es dauerte allerdings ganze zwei Jahre bevor wir beide unsere Terminpläne aufeinander abstimmen konnten, da ich damals noch viel mit !!! unterwegs war. Wir jammten dann, als ich Zeit hatte, für ein paar bereits gebuchte Solo-Shows von mir. Ich hab dann alles alte Material in den Müll geworfen und wir haben innerhalb einer Woche drei Songs für eine erste EP gehabt. Wir hatten da ein gutes Gefühl, das geschah alles sehr natürlich und wir haben einfach weitergemacht.

motor.de: Musik, die von den 80er-Jahren beeinflusst wurde, ist ja zur Zeit wieder en vouge. Dennoch ragt dein markanter Gesangsstil positiv aus der Masse heraus. Gab es dafür ein spezielles Vorbild? Deine Stimme wurde ja bereits mit Grace Jones oder Yazoo verglichen.

Shannon: Wir schreiben Musik ja zusammen – das geschieht nicht getrennt. Vielleicht ist dies das Einzigartige. Auch bei Gruppen wir Siouxsie And The Banshees oder den Pretenders waren Sänger und Komponisten stets gleichrangig bei der Songentwicklung. Diese Frauen haben mich genauso beeinflusst wie Grace Jones – sie besonders wegen ihrer Bissigkeit. Der Vergleich mit Alison Moyet von Yazoo ehrt mich natürlich, aber ich denke, ich mach da schon ganz gut mein eigenes Ding (lacht).

Light Asylum – “End Of Days”

motor.de. Wo wir gerade bei den 80ern sind, es fällt auf, dass eure Platte es schafft, den Sound der damaligen Zeit ins Hier und Jetzt zu transferieren, während es bei vielen anderen Retro-Bands nur bei einem Versuch bleibt. Gab es da ganz gezielte Einflüsse?


Shannon:
Wir lieben eine ganze Menge Bands und Produzenten aus dieser Zeit. Joy Divison, Depeche Mode, New Order, Bauhaus, Ministry, Front 242, Daft Punk – Gott, die Liste ist wirklich lang. Für uns war allerdings vordergründig wichtig, dass wir unser erstes eigenes Album produzieren konnten.

motor.de: Du hast einmal in einem Interview gesagt, dass ihr versucht, die Songs eher für die Konzerte zu produzieren als für das Studio.

Shannon: So haben wir das schon immer gehandhabt, ja. Die Live-Performance geht vor. Die meisten Songs haben wir in der Tat schon lange auf Konzerten gespielt, bevor wir sie überhaupt einmal aufgenommen haben.

motor.de: Ist es wahr, dass sich deine Texte häufig über apokalyptische Themen drehen? Das Ende der Welt, Erdbeben und andere Sachen – sieht es wirklich so düster für uns aus?

Shannon: Ja, wenn die menschliche Rasse sich nicht ändert und ihre Einstellung überdenkt, besonders gegenüber unserer Erde, dann glaube ich nicht, dass wir ähnlich lange wie die Dinosaurier überleben.


Interview: Norman Fleischer