Erst durch ihre Band-WG fanden die Local Natives zu ihrem eigenen Sound.
Der Name Local Natives ist eigentlich eine Tautologie, bedeutet er doch soviel wie die „einheimischen Einheimischen“. Man könnte also denken, dass die kalifornische Band ihrer Heimat Orange County besonders verbunden ist. Doch mit der künstlichen Welt dort, die teilweise wie ein reales „O.C., California“ abläuft, hat die Band nicht viel am Hut, verrät Drummer Matt Frazier im Interview: „Es gibt sicher Teile von Orange County, wo dieser stereotype, künstliche „O.C.“-Vibe gelebt wird, doch diese Orte versuchen wir zu vermeiden.“ Das Heimatgefühl verbindet das Quartett vielmehr mit dem Haus, in dem es zusammen ein Jahr wohnte und wo auch das Debütalbum entstand, das konsequenterweise nach dem Gebäude „Gorilla Manor“ benannt ist.
Zusammen Musik machen die Local Natives seit knapp vier Jahren. Die beiden Gitarristen Ryan Hahn und Taylor Rice treffen sich an der High School und beginnen, zusammen zu musizieren. Sänger/Keyboarder Kelcey Ayer stößt kurz darauf zu ihnen. Bassist Andy Hamm zieht wegen des Colleges nach Südkalifornien und trifft die anderen Drei durch einen gemeinsamen Freund. Komplettiert wird das Line Up 2006 durch Matt, der, wie es der Zufall will, genau dann nach einer Band sucht, als Kelcey und Co. Ausschau nach einem Drummer halten. Nach zwei Jahren des Spielens beschließt das Quintett 2008, die Band auf ein professionelles Level zu hieven. Dafür ziehen sie in ein gemeinsames Haus – das schon angesprochene Gorilla Manor –, um sich ganz ihrem Debütalbum widmen zu können. Matt bezeichnet dies als den wahren Startpunkt der Local Natives. „Wir hatten lange genug versucht, diesen Balanceakt zwischen Jobs, Schule und Musik hinzubekommen. Wir wussten aber, dass wir der Band unsere volle, ungeteilte Aufmerksamkeit geben müssen und wollen. Deshalb sind wir im Januar 2008 in unser Haus in der Stadt Orange gezogen.“ Obwohl die Band Gorilla Manor inzwischen wieder verlassen hat und nun in Silver Lake östlich von Los Angeles wohnt, verbindet der Drummer mit dem Gebäude ganz besondere Erinnerungen: „Was das Haus und die Zeit in Orange so besonders machte, war der Umstand, dass wir zum ersten Mal unseren Groove als Band gefunden hatten und sie an die Spitze unseres Lebens gestellt haben.“
Dieser Groove changiert zwischen der folkigen Entrücktheit der Fleet Foxes, frenetischen Vampire-Weekend-Gitarren und elaborierten Arrangements à la Wintersleep. Aufgrund dieser Bezugspunkte würde man die Band eher in Seattle, New York oder Kanada verorten als in Kalifornien. Denn den Songs wohnt eine Melancholie inne, die nicht so recht zum Sonnenstaat passen will. Trotzdem sehen sich die Local Natives mit der kalifornischen Band schlechthin, den Beach Boys, verbunden, wie Matt verrät: „Es gibt auf jeden Fall eine Verbindung, vor allem, weil wir auch so eine auf Harmonien fixierte Band sind.“ Genau das macht auch das Besondere auf „Gorilla Manor“ aus. Das Album besitzt trotz der alles umwehenden Melancholie einen positiven Grundton. Der Opener „Wide Eyes“ stößt die Tür in das musikalische Haus der Band weit auf. Durch das Widerspiel einer groovigen Rhythmussektion, einer traurige Akkorde spielenden Gitarre und dem halligen Chorgesang im Refrain hat er eine sehr präsente Spannung, die einen sofort umfängt. Gerade diese Gegenparts geben dem Song bzw. dem ganzen Album eine Tiefe, in die man sich bereitwillig hinein sinken lässt. Einerseits nimmt die Musik den Hörer bei der Hand und leitet ihn, andererseits gibt sie ihm soviel Freiheit, dass er die ganze Größe der Stücke selbst entdecken kann und soll. Bei „Sun Hands“ fühlt man sich durch den stampfenden Rhythmus an Johnny Cash erinnert, bis der Song im Mittelteil in einem energischen Chorgesang und einer heftigen Gitarrenattacke ausbricht, um schließlich wieder in ruhigere Bahnen zurückfindet. Auch das Talking-Heads-Cover „Warning Sign“ weiß zu überzeugen, da es nicht bloß nachgespielt, sondern gekonnt in den Bandsound übertragen wird.
Die Local Natives machen auf der gesamten Länge ihres Debüts einen unglaublich fokussierten Eindruck, den es für die ausgefeilten Arrangements des Albums sicher auch braucht. Was aber „Gorilla Manor“ zu einem großen Werk macht, ist, dass man diese Fokussierung aufgrund der Leichthändigkeit der Songs nicht spürt. Erst bei genauem Hinhören wird klar, wie viel Zeit die Band in die Platte gesteckt haben muss, um ihren Klangkosmos zwischen Melancholie und Fröhlichkeit, Heimatgefühl und Aufbruchstimmung zu finden. Die Local Natives scheinen ihre Heimat in Gorilla Manor entdeckt zu haben. Diese liegt allerdings nicht im Haus selbst, sondern im Sound, den sie dort für ihre Band gefunden haben und ist somit unabhängig von einem physisch existenten Ort. Home is where the heart is.
Eric Bauer
VÖ: 29.01.2010
Label: Infectious
Tracklist:
01. Wide Eyes
02. Airplanes
03. Sun Hands
04. World News
05. Shape Shifter
06. Camera Talk
07. Cards And Quarters
08. Warning Sign
09. Who Knows, Who Cares
10. Cubism
11. Stranger Things
12. Sticky Thread
No Comment